Gewerkschaften kritisieren Schülerfirmen – den meisten fehlt die Arbeitnehmerperspektive

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ERFURT. Schülerfirmen erlauben Schülern einen frühen Blick in die Wirtschaftswelt. Gewerkschaften sehen aber ein Problem. Die meisten seien einseitig auf die Interessen der Wirtschaft zugeschnitten, bemängelt der DGB Hessen-Thüringen.

Viele Thüringer Schüler lernen nicht nur im Unterricht die Wirtschafts- und Arbeitswelt verstehen, sondern auch durch eigens gegründete Schülerfirmen. Insgesamt gibt es nach Angaben des Thüringer Bildungsministeriums derzeit 86 derartige Unternehmen im Freistaat.

In vielen Schülerfirmen spielt die Gewerkschaftsperspektive keine Rolle. Foto: Adam Grabek / flickr (CC BY 2.0)
In den meisten Schülerfirmen spielt die Gewerkschaftsperspektive keine Rolle, kritisiert der DGB. Foto: Adam Grabek / flickr (CC BY 2.0)

«Die meisten Schülerfirmen arbeiten im Bereich Pausenversorgung und Catering», sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Derartige Firmen gebe es in Bildungseinrichtungen aller Schularten in Thüringen – vereinzelt selbst in Grundschulen. In Schülerfirmen führen Kinder und Jugendliche die Geschicke ihres Unternehmens selbst, kümmern sich etwa um Ein- und Verkauf von Material und Produkten.

Unter anderem die Industrie- und Handelskammern in Thüringen halten die Schülerfirmen für wertvoll, um jungen Menschen Zusammenhänge in der Wirtschaft zu erklären. Die Gewerkschaften halten das Konzept dagegen für verbesserungswürdig.

Beraten und betreut werden die Schülerfirmen im Freistaat nach Angaben der Ministeriumssprecherin durch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), die dazu eine eigene Koordinierungsstelle in Jena betreibt. «Diese Koordinierungsstelle unterstützt Schülerinnen und Schüler sowie ihre pädagogischen Begleiterinnen und Begleiter bei der Gründung einer Schülerfirma und der kontinuierlichen Arbeit», sagte die Sprecherin.

Unter anderem würden dabei zum Beispiel Muster für Satzungsvorlagen oder Vorlagen für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bereit gestellt sowie die Firmen untereinander vernetzt. Eines dieser Vernetzungstreffen findet am Sonntag und Montag in Plothen (Landkreis Saale-Orla-Kreis) statt.

In der Vergangenheit seien Beratung und Betreuung der Schülerfirmen durch die DKJS über eine Projektförderung mit 30 000 Euro jährlich durch das Bildungsministerium unterstützt worden, sagte die Sprecherin des Ministeriums. Kofinanziert wurde das mit ebenfalls 30 000 Euro durch die Heinz-Nixdorf-Stiftung.

Ein Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt sagte, Schülerfirmen stellten ein hervorragendes Instrument dar, um die Theorie aus dem Wirtschaftsunterricht spannend in die Praxis umzusetzen. Dabei könnten Schüler unter anderem lernen, wie ein Unternehmen organisiert werde, wie man Produkte bewerbe und den Markt richtig analysiere.

Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin der IHK Südthüringen. Sie verwies zudem darauf, dass es im Süden des Freistaats inzwischen sogenannte Jugend-Unternehmenswerkstätten gibt, die Schülern ebenfalls einen praktischen Einblick in die Wirtschaftswelt außerhalb des Unterrichts ermöglichen sollen. Dort arbeiteten die Schüler von Regelschulen und Gymnasien in den Nachmittagsstunden kontinuierlich an technischen Projekten wie etwa der Montage und Programmierung eines kleinen Roboters mit.

Der Bezirksjugendsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Bezirk Hessen-Thüringen, Gregor Gallner, sagte, auch aus seiner Sicht könnten Schülerfirmen sinnvoll und gewinnbringend sein, wenn sie in ein umfassendes, sozioökonomisches Konzept der Arbeitswelt- und Berufsorientierung integriert seien. Allerdings sehe man Schülerfirmen dann kritisch, wenn sie einseitig auf die Interessen der Wirtschaft zugeschnitten seien.

Genau das aber sei den Thüringer Schülerfirmen überwiegend der Fall, erklärte Gallner. Die meisten Konzepte für Schülerfirmen kämen von Unternehmen und es gehe dort vor allem unternehmerische und betriebswirtschaftliche Perspektiven. «Die Interessen und Perspektiven der Arbeitnehmer kommen aus Sicht der Gewerkschaften zu kurz oder sind gar nicht vorhanden.» In Thüringen kenne er keine Schülerfirma, bei der die Gewerkschaften eingebunden worden seien. (Sebastian Haak, dpa)

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