Bewegungszeugnis: Dreimal „4-“ – Deutschland versetzungsgefährdet

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MÜNCHEN. Deutsche Kinder und Jugendliche bewegen sich deutlich weniger als Gleichaltrige in vielen anderen Staaten. Dies zeigt eine weltweite Untersuchung in 50 Staaten. Landet Deutschland insgesamt im oberen Drittel, sehen Wissenschaftler dennoch Verbesserungsbedarf.

Seit 2014 vergibt die von kanadischen Wissenschaftlern angestoßene Active Healthy Kids Global Alliance „anhand von 8 Indikatoren im zweijährigen Rhythmus sogenannte „Bewegungszeugnisse“ an Staaten. Erstmals haben 2018 Wissenschaftler der TU München im Rahmen der Initiative wissenschaftliche Studien und weitere Quellen wie etwa Berichte von Ministerien ausgewertet.

Bewegungsmuffel trotz guter Bedingungen. Das erste „Bewegungszeugnis“ für Deutschland fällt durchwachsen aus. Foto: Stefan Schranz / Pixabay (CC0 1.0)
Bewegungsmuffel trotz guter Bedingungen. Das erste „Bewegungszeugnis“ für Deutschland fällt durchwachsen aus. Foto: Stefan Schranz / Pixabay (CC0 1.0)

Lediglich eine 4- bekommt Deutschland bei der „Körperlichen Aktivität insgesamt“, dem „Sitzenden Verhalten“ und beim „Aktiven Spielen“. Nur rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen erreichen mindestens eine Stunde moderate oder intensive körperliche Aktivität pro Tag, wie es die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt. 80 Prozent sitzen mehr als zwei Stunden vor dem Fernseher, Computer oder Handy. Und weniger als ein Viertel spielt aktiv mehrere Stunden lang. Den Schulweg legen nur etwa 40 Prozent zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurück – dafür gibt es die Note 3-.

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Kinder und Jugendliche in anderen Staaten sind deutlich aktiver. Besonders gut sind die Ergebnisse in afrikanischen Staaten wie Simbabwe, Ghana und Südafrika. Aber auch viele europäische Länder wie die Niederlande und England schneiden besser ab, den besten Wert weltweit hat Slowenien.

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Gute Noten bekommt Deutschland dagegen bei den Rahmenbedingungen, die der organisierte Sport, Schule, Familie und Kommunen bieten: 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind Mitglied in einem Sportverein, in der Schule steht zweimal wöchentlich Sport auf dem Stundenplan. Zwei Drittel der Eltern sind regelmäßig körperlich aktiv und damit ein Vorbild, die meisten Städte und Gemeinden legen ausreichend Spielplätze, Parks und Radwege an.

Allerdings sind auch in diesen Bereichen andere Ländern noch besser. Beispielsweise sind in Dänemark, Kanada und Schweden die meisten Kinder und Jugendlichen in Sportvereinen. In Nepal und Slowenien bewegen sich die Erwachsenen am häufigsten. In Schweden und Australien ist die Ausstattung der Kommunen am besten.

Mit seinem Zeugnis steht Deutschland im internationalen Vergleich im oberen Drittel. Die besten Zensuren bekommt Slowenien, gefolgt von Nepal Japan und Dänemark.

Studienleiterin Yolanda Demetriou von der TU München zeigt sich dennoch unzufrieden mit den Ergebnissen. „Dreimal nur knapp besser als mangelhaft – Deutschland ist versetzungsgefährdet“, sagt die Professorin für Sport- und Gesundheitspädagogik. „Gerade für Kinder ist Bewegung unheimlich wichtig. Wer sich als Kind zu wenig bewegt, bei dem besteht ein hohes Risiko, dass er dies auch als Erwachsener tut. Das wiederum begünstigt die Entstehung von Zivilisationskrankheiten wie Adipositas, Herzinfarkt oder Schlaganfall. In Deutschland ist körperliche Inaktivität die fünfthäufigste Todesursache.“ Warum Kinder und Jugendliche trotz guter Rahmenbedingungen so wenig aktiv sind, wollen die Wissenschaftler deshalb weiter untersuchen. Das Zeugnis soll künftig alle zwei Jahre ausgestellt werden. (pm)

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