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Philologen-Chefin fordert strengere Abinoten – und Tests für den Zugang zum Gymnasium. Widerspruch kommt vom VBE

BERLIN. Sollen die Leistungsanforderungen für Grundschüler und Abiturienten verschärft werden? Der Deutsche Philologenverband findet die derzeitige Prüfpraxis zu lax. Auch bei den Grundschulempfehlungen fordert der Verband eine wesentliche Änderung: Die sollen nicht länger unverbindlich sein, meint Philologen-Chefin Lin-Klitzing – und fordert Tests. Widerspruch kommt vom VBE-Bundesvorsitzenden Udo Beckmann.

Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, hier bei der Verleihung des Deutschen Lehrerpreises. Foto: Deutscher Lehrerpreis

Der Deutsche Philologenverband fordert strengere Bewertungen der Abiturienten in Deutschland. Nötig seien aussagekräftigere Abiturnoten, sagte die Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing in Berlin. Dies sei erforderlich, «wenn wir wollen, dass die jungen Menschen gut auf das Arbeitsleben oder ein Studium vorbereitet werden».

Tatsächlich werden die Abschlussnoten immer besser, wenn auch nur leicht. So gab es zum Beispiel 2017 in Baden-Württemberg einen  Notendurchschnitt von 2,42, zehn Jahre vorher waren es 2,40. In Nordrhein-Westfalen lag das Mittel bei 2,45 und zehn Jahre vorher bei 2,64, in Thüringen bei 2,18 beziehungsweise 2,33. Lin-Klitzing erläuterte nun: «Heute gilt ein Beschluss der KMK für die gymnasiale Oberstufe, dass eine Prüfung als bestanden gilt, wenn die Schülerin oder der Schüler weniger als die Hälfte der Aufgaben gelöst hat.»

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Bezüglich der Frage, ob weniger als die Hälfte der Aufgaben gelöst werden müssen für eine bestandene Prüfung, sagte die Verbandschefin und Erziehungswissenschaftlerin: «Hier sollte wieder die Hälfte als Mindestniveau gelten.» Und es gelte aktuell, dass nur 90 Prozent der Aufgaben gelöst werden muss, damit man ein «Sehr gut» erhält. «Hier sollte zu 100 Prozent zurückgekehrt werden.»

“Falsche Selbsteinschätzung”

Lin-Klitzing begründete ihre Forderungen nach strengeren Regeln mit den Anforderungen im Berufsleben nach der Schule. «Andernfalls erhalten viele Schülerinnen und Schüler eine positivere Rückmeldung über ihre Leistung, als es ihrem realen Stand entspricht», sagte sie. «Jenseits der Schule kann eine entsprechend falsche Selbsteinschätzung aber Probleme für die Betroffenen bringen.»

Auch für Grundschüler schlug die Verbandsvorsitzende eine Änderung vor: «Die Grundschulempfehlung sollte wieder verbindlicher werden.» Lin-Klitzing kritisierte: «In den meisten Bundesländern können die Eltern heute alleine entscheiden, auf welche weiterführende Schulart ihr Kind wechselt.» Das sei einseitig.

Stattdessen solle es eine Kombination von Elternwunsch, Lehrerurteil und bundesweiten Tests in der letzten Grundschulklasse gemäß deutschlandweit geltenden Standards geben. «Die Noten für diese Tests sollten als ein Bestandteil in die Grundschulempfehlung eingehen», sagte Lin-Klitzing. «Dazu sollte die Empfehlung der Lehrer auf Basis der weiteren Leistungen der Schülerinnen und Schüler sowie das Votum der Eltern kommen.»

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) kritisierte die Vorstöße als «müßige Diskussion». Noten seien nur begrenzt aussagefähig, sagte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. «Im Endeffekt geht es doch darum, dafür Sorge zu tragen, dass die Schülerinnen und Schüler mit dem Abitur tatsächlich nicht nur die Berechtigung, sondern die Befähigung zum Studieren oder für den Berufseinstieg erworben haben.»

Und eine Grundschulempfehlung von den Lehrern kombiniert mit der Einschätzung der Eltern sei eine solide Grundlage für die beste Entscheidung. «Die Entwicklung eines Kindes lässt sich am Besten von denjenigen einschätzen, die tagtäglich Zeit mit ihm verbringen: den Eltern und Lehrkräften», sagte Beckmann. Der Verbandschef sagte: «Neun- bis Zehnjährige unter Druck zu setzen und in einem Mini-Abitur zukunftsrelevante Entscheidungen herbeizuführen, halte ich nicht für zielführend.»

Beckmann meinte: «Festgelegte Notendurchschnitte, die wie in Bayern am Ende der Grundschulzeit darüber entscheiden, welche weiterführende Schule das Kind besuchen kann, setzen Kinder unter nicht zu rechtfertigenden psychischen Druck.» dpa

Zuspruch aus Kiel

KIEL. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hat die Forderung des Philologenverbands nach strengeren Abiturnoten begrüßt. «Richtigerweise haben wir bei uns eine strenge Notenpraxis und wünschen uns hier mehr Vergleichbarkeit mit den anderen Bundesländern», sagte die CDU-Politikerin am Montag auf Anfrage. Noten sollten eine möglichst realistische Rückmeldung bieten, sagte Prien. «Es ist niemandem damit geholfen, wenn insbesondere auch Abschlussnoten ein geschöntes Bild zeichnen.»

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien. Foto: Frank Peter / Staatskanzlei Schleswig-Holstein

«Aussagekräftige Noten sind auch Basis einer guten Vorbereitung auf die berufliche Ausbildung und ein erfolgreiches Studium, dies ist uns besonders wichtig», sagte Prien. Schleswig-Holstein sei hier auf einem guten Weg. «Mit unseren neuen Fachanforderungen tragen wir bewusst dazu bei, konkrete Kompetenzanforderungen für jede Jahrgangsstufe in den Kernfächern zu implementieren.»

Im Norden gelte seit diesem Schuljahr auch wieder, dass alle Eltern von Grundschulkindern eine schriftliche Schulartempfehlung erhalten und ein ausführliches verpflichtendes Beratungsgespräch führen müssen, in dem sie eine fundierte Empfehlung für die weitere schulische Laufbahn erhalten. Schüler und deren Eltern bräuchten eine realistische und passgenaue Einschätzung, die den Leistungs- und Entwicklungspotenzialen des einzelnen Kindes, unabhängig von der sozialen Herkunft, wirklich gerecht wird, so Prien. dpa

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