Sabbatjahr ist bei Lehrern zunehmend beliebt – zur Burn-out-Vorbeugung

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POTSDAM. Ein Buch schreiben oder eine Weltreise machen: Das Sabbatjahr im Lehrerberuf ist dafür da, neue Perspektiven zu gewinnen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Eigentlich. Immer öfter aber nutzen Lehrer die Auszeit offenbar, um sich gesundheitlich vom beruflichen Alltag zu erholen und einem Burn-out vorzubeugen. Gleichzeitig scheinen die Schulbehörden zunehmend Druck zu machen, das Recht auf ein Sabbatjahr nicht in Anspruch zu nehmen. Der Grund: Lehrermangel.

Viele Lehrer fühlen sich erschöpft – und nutzen das Sabbatjahr zur Regeneratin. Foto: Shutterstock

In Brandenburg nehmen immer mehr Lehrer eine Auszeit in Form eines Sabbatjahres. So befanden sich zu Beginn des vergangenen Schulhalbjahres 438 Schulbedienstete des Landes in diesem Arbeitszeitmodell, wie das Bildungsministerium mitteilte. «Diese Zahl ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen», sagte sein Sprecher Ralph Kotsch. Vier Jahre zuvor seien es erst 253 Beschäftigte gewesen.

Laut dem Landesbeamtengesetz und Tarifvertrag für Lehrer haben grundsätzlich alle Beschäftigten im Schuldienst die Möglichkeit, eine solche Form der Teilzeitbeschäftigung zu wählen. Die Freistellungsphase darf zwei Jahre nicht überschreiten und dem Ganzen dürfen keine dienstlichen Belange gegenüberstehen.

Neben der Freistellungsphase gibt es noch die Ansparphase; beide zusammen dürfen 14 Jahre nicht überschreiten. «In der Regel erfolgt nach dem Sabbatjahr eine Wiederverwendung an der bisherigen Schule», berichtete der Ministeriumssprecher. Über die gesamte Auszeit hinweg würden entsprechend dem Teilzeitbeschäftigungsumfang 75 Prozent des regulären Entgelts gezahlt. Ähnliche Regelungen gibt es in anderen Bundesländern.

«Während es früher fast ausschließlich im Sabbatical um die Selbstverwirklichung wie zum Beispiel die Doktorarbeit oder Reisen ging, wird es heute oft genutzt, um einem drohenden Burnout zu entgehen», sagte der Präsident des Brandenburgischen Pädagogenverbandes, Hartmut Stäker.

Obwohl der bundesweite Lehrermangel die Belastungssituation für Lehrer verschärft, steigt dadurch womöglich gleichzeit6ig der Druck auf die Kollegen, auf die Auszeit zu verzichten. So nutzen nach Einschätzung des Landesverbands der Bildungsgewerkschaft GEW Lehrer in Sachsen-Anhalt nur noch selten die Möglichkeit eines Sabbaticals. Wegen des Nachwuchsmangels verzichteten viele Pädagogen darauf, um ihre Kollegen nicht zusätzlich zu belasten, sagte GEW-Sprecher Hans-Dieter Klein. «Der Druck ist in den letzten Jahren eindeutig gestiegen, solche Auszeiten nicht in Anspruch zu nehmen.» Konkrete Zahlen über die Nutzung von Sabbaticals hat die Gewerkschaft Klein zufolge aber nicht.

„Erst mal Pause einlegen“

Stress war auch ein Beweggrund für Carola Gnadt, ein Sabbatjahr zu nehmen. «Nach den ganzen Bauarbeiten an der Schule und unserer Arbeit für den Deutschen Schulpreis wollte ich mal eine Pause einlegen», erzählte die Leiterin des Potsdamer Humboldt-Gymnasiums. 2017 bereiste sie mit ihrem Ehemann unter anderem Afrika und Amerika. Neun Monate waren sie unterwegs, haben sich dabei auch in Kapstadt bei einem sozialen Projekt mit Kindern engagiert. Gnadt: «Das Lehrersein ist für mich eben eine Berufung.»

Zwei Jahre vorab hatte das Lehrerehepaar für sein Sabbatjahr (englisch: sabbatical) angespart. Und es hat sich nach Ansicht der Schulleiterin gelohnt. «Man bekommt einen ganz anderen Blick auf die Welt.» Mittlerweile seien weitere Kollegen ihrem Beispiel gefolgt. «Man sollte dabei nicht alles durchtakten, sondern den Schatz der Zeit und Selbstständigkeit nutzen.»

«Beliebt ist das Sabbatical vor allem als selbst angesparter Vorruhestand am Ende des Arbeitslebens», sagte Stäker. Das sei gut für diejenigen, die kurz vor dem Zusammenbrechen seien und wenigstens einigermaßen gesund den Ruhestand erreichen wollten. Der Verbandspräsident empfahl jedoch, mit der Anmeldung nicht bis kurz vor der Rente oder gar dem Bournout zu warten. Denn dann bleibe nicht genug Zeit für die Ansparphase. Frühzeitig geplante Sabbatjahre hingegen hätten eine positive Wirkung auf die Psyche.

Allerdings wirkt sich die Teilzeitbeschäftigung negativ auf die Pensions- und Rentenansprüche aus. «Der Arbeitgeber gibt keinen Cent dazu, man muss sich seine Auszeit also selbst erarbeiten», erläuterte der Verbandspräsident. Problematisch sei der Trend, dass das Sabbatjahr massenhaft als «Vorruhestand» genutzt werde.

Wenn Schulen und Dienststellen vermeiden wollten, dass sich dadurch der Lehrermangel im Land noch ausweitet, müssten sie die Arbeitsbedingungen verbessern, betonte Stäker. «Es muss wieder darauf geachtet werden, dass die Aufgaben, die den Lehrern gestellt werden, auch in einer 40-Stunden-Woche bewältigt werden können.»

Auch in anderen Bundesländern ist das Sabbath-Jahr unter Lehrern zunehmend beliebt – allerdings auf niedrigem Niveau. Beispiel Niedersachsen: Dort entschieden sich nach Angaben des Kultusministeriums im vergangenen Jahr von den insgesamt 68.500 Lehrkräften im Land 150 für das von Behörden sogenannte Freijahr. Im Jahre 2017 wählten 132 Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit eines Sabbaticals, im Jahr davor waren es 125 von damals 68.369 Lehrkräften. dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Studie zum Sabbatjahr für Lehrer: Wem die Auszeit hilft – und wem sie womöglich sogar schaden kann

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