BERLIN. Ärzte, Wissenschaftler und Aktivisten: Immer mehr Gruppen schließen sich den mittlerweile globalen «Fridays for Future»-Demonstrationen an. An dem Protestmarsch am Freitag in Berlin nahmen laut Polizei 15.000 bis 20.000 Menschen teil, die Veranstalter sprachen von rund 25.000 Teilnehmern. Im Zuge der Bewegung “streiken” Schüler seit Wochen jeden Freitag für mehr Engagement der Politik zum Schutz von Klima und Umwelt. In der Hauptstadt war erkennbar, dass die Unterstützung in der Bevölkerung dafür wächst.
Zu Beginn der Veranstaltung im Invalidenpark überreichte die Gruppe «Scientists for Future» den Schülern eine Stellungnahme, in der sie die Klimabewegung unterstützen. Aus 700 Erstunterzeichnern sind inzwischen 23.000 Ärzte und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz geworden, darunter zwei Nobelpreisträger und tausende Professoren.
Der akademische Direktor am Museum für Naturkunde Berlin, Gregor Hagedorn, ist Teil der Gruppe und zeigte sich vom Engagement der Schüler angetan. «Wir Erwachsenen würden den Mut vermutlich nicht aufbringen, weil wir sonst gefeuert werden», sagte er im Gespräch am Rande der Demonstration. Der Arzt, Wissenschaftsjournalist und Moderator Hirschhausen ist das bekannteste Gesicht der Forscher, die sich demonstrativ hinter die streikenden Jugendlichen stellen und deren Anliegen mit wissenschaftlichen Belegen untermauern. „Die Klimakrise ist eine der größten Gesundheitsgefahren der Zukunft.“ Als Arzt müsse er darauf hinweisen.
Die Wissenschaftler haben auch eine Liste mit 24 Fakten zum Klimaschutz erstellt. Sie erklären zum Beispiel, dass die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 weltweit die heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen waren und, dass der Temperaturanstieg nahezu vollständig auf die von Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen zurückzuführen sei.
Wie auch immer man zu den Streiks steht: Das Thema an sich ist ein wichtiges und die SchülerInnen sollten genau Bescheid wissen, wofür sie auf die Straße gehen. Netzwerk Lernen, das große Portal für Unterrichtsmaterial der Verlage zum Download, hat eine umfassende Materialienliste zu den Themen Klimaschutz und Klimawandel zusammengestellt – geeignet für den sofortigen Einsatz im Unterricht.
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Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) betonte auf Nachfrage erneut, dass für die Jugendlichen die Schulpflicht gelte. Dafür gab es auf der Demonstration wenig Verständnis. Eine Frau, die angab, Referendarin an einer Berliner Schule zu sein und die ihren vollen Namen aus Angst vor Konsequenzen nicht nennen wollte, sagte, dass die Schüler auf der Straße mehr lernen als im Klassenzimmer: «Hier lernen sie direkt, wie politische Bewegungen funktionieren.» Daniela Paul war zusammen mit ihren Kindern bei der Demonstration und sieht in dem verpassten Unterricht kein Problem: «Die haben schon was gelernt in der Schule, und zwar das Denken.»
“Doctors for Future”
Zuspruch erhielten die Schüler bei der Demonstration auch von diversen Ärzten, die mit weißen Kitteln unterwegs waren. Ludwig Brügmann ist Teil der «Doctors for Future», wie sich die Gruppe selbst nennt: «Ich mache das für meine Kinder und Enkelkinder», sagte der ehemalige Chefarzt. Als Ärzte müssten sie auch etwas gegen den Klimawandel tun, da sie mit den Folgen für Menschen umgehen müssen.
Diverse Aktivisten aus der Zivilgesellschaft unterstützen ebenfalls den Schülerstreik in Berlin. Die Gruppe «Berlin-Vegan» will zum Beispiel eine Verbindung zwischen der wachsenden Zahl von Veganern mit der Klimabewegung herstellen. Die gegen fossile Energieträger gerichtete Kampagne «Fossil Free Berlin» will ebenfalls die Schülerstreiks stärken und wünscht sich, dass deutsche Gewerkschaften Stellung zu dem Thema beziehen. «Es ist jetzt Zeit, dass wir das Anliegen der Jugendlichen unterstützen», sagte Mathias von Gemmingen, Sprecher der Kampagne.
Die Streiks gehen auf die 16-jährige schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg zurück. Statt zur Schule zu gehen, demonstriert sie seit August 2018 freitags unter dem Motto «Schulstreik fürs Klima» vor dem Reichstag in Stockholm. Ihr Engagement wurde weltweit bekannt. Für diese Woche waren die bislang umfangreichsten Proteste geplant. Rund um den Globus waren mehr als 2000 Kundgebungen und Schülerstreiks in mehr als 120 Staaten angekündigt, hierzulande rund 200. In Berlin startete die Demo im Invalidenpark und zog dann vor das Bundeskanzleramt. Von dort ging es wieder zurück zum Park. dpa
„Die Anliegen der demonstrierenden jungen Menschen sind berechtigt“ – so lautet die Überschrift einer Stellungnahme von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die unter dem Namen „Scientists For Future“ die seit Wochen demonstrierenden Jugendlichen unterstützen und deren Forderungen nach schnellem Handeln wissenschaftlich bekräftigen.
Dr. Gregor Hagedorn, Initiator der Initiative: „Die rasante Zustimmung, die das Statement in der Wissenschaft erhalten ist überwältigend und zeigt, wie richtig und wichtig der Protest der Schülerinnen und Schüler ist.“
Die Stellungnahme, die von vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Anwesenheit von Luisa Neubauer und Jakob Blasel von Fridays For Future in der Bundespressekonferenz in Berlin präsentiert wurde, fordert von der Politik, die Anliegen der jungen Generation Ernst zu nehmen und Maßnahmen zu ergreifen. Die Politik stehe „in der Verantwortung, zeitnah die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Insbesondere muss klimafreundliches und nachhaltiges Handeln einfach und kostengünstig werden, klimaschädigendes Handeln hingegen unattraktiv und teuer“ heißt es in dem Papier.
Prof. Dr. Maja Göpel, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) unterstützt dies: „Ökonomische Investitionen und technologische Innovationen brauchen angemessene politische Rahmenbedingungen. Dann wird der Umbau zur Nachhaltigkeit unserer Wirtschaft machbar. Das ist eine große politische Herausforderung, die breite gesellschaftliche Unterstützung braucht und den Mut, aus der Zukunft zu denken, um herkömmliche Grabenkämpfe zu überwinden.“ Den Protest der Jugendlichen sieht sie als Aufforderung an die Politik, zu handeln. „Jeden Freitag werden Unterstützung, Mut und Zukunft lauter. Das sollte die EntscheiderInnen dieser Republik motivieren.“
Prof. Dr. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW in Berlin, betont einmal mehr die Notwendigkeit, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, die den weltweiten Temperaturanstieg mit hoher Sicherheit auf 1,5°C zu begrenzen. „Dazu müssen wir in Deutschland möglichst innerhalb der nächsten 20 Jahre klimaneutral werden. Weder das aktuelle Reduktionstempo der Treibhausgasemissionen noch die von der Regierung geplanten Klimaschutzmaßnahmen reichen dafür auch nur ansatzweise aus. Es geht jetzt darum, sofort zu handeln. Erneuerbare Energien sind in der Lage, schnell, sicher und mittlerweile auch zu vertretbaren Kosten unsere gesamte Energieversorgung zu decken.“
Karen Helen Wiltshire, Stellv. Direktorin des Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), weißt darauf hin, dass die Klimawandelfolgen als ersten an den Küsten zu spüren sind: „Der menschliche Lebensraum, insbesondere die Küste, wo in Zukunft immer mehr Menschen leben müssen, ist hochgradig gefährdet durch den Meeresspiegelanstieg. Auch die Belastungen, die zum Beispiel durch Fischerei und Tourismus entstehen, werden den Druck auf die Küsten weiter zunehmen lassen. Wir müssen umgehend handeln, globale Küstenmanagementpläne sind unabdingbar.“
Scientists For Future gehen dabei auch auf die gesundheitlichen Gefahren des Klimawandels ein. Für Dr. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Wissenschaftsjournalist eine notwendige Konsequenz: „Ärzte müssen darauf hinweisen, wenn Leben bedroht ist. Die Klimakrise ist eine der größten Gesundheitsgefahren der Zukunft. Nach internationalem, wissenschaftlichem Konsens drohen Wasser- und Nahrungsmangel, direkte Auswirkung der Überhitzung auf den menschlichen Körper und neue Infektionskrankheiten. Gleichzeitig bieten die notwendigen Veränderungen in Mobilität und Ernährung sehr viele Vorteile, weil sie für Mensch und Planet gesünder sind.“
Hier gibt es die Stellungnahme der Scientists for Future im Wortlaut.
Netzwerk Lernen – aktuell: Materialien zum Thema Klimawandel
Sehr geehrte Damen und Herren,
Vielen Dank, dass Sie diese wichtigen Themen auch thematisieren.
Wenn SchülerInnen protestieren und demonstrieren, ist das erst einmal eine gute Sache, insbesondere wenn es um die Gestaltung ihrer Zukunft geht , da diese nun mal, statistisch gesehen, noch eine zeitlich lange Zukunft vor sich haben und bisher noch keine wirkliche Möglichkeit hatten eine politische Einflussnahme , z. B. durch das Wahlgesetz, besitzen!
Das den SchülerInnen diese Handlung während des vorgesehenen Unterricht streitig gemacht wird ist absurd und zeigt denjenigen die dies fordern, das Unverständnis oder die Ignoranz unserer demokratischen Verfassung!
Das diese Proteste meines Wissens berechtigterweise bisher nur zum Thema Umweltschutz stattgefunden haben ist nachvollziehbar, insbesondere im Hinblick auf die intransparente Politik unserer Bundesregierung.
Der Umweltschutz ist allerdings nicht alleine für das zukünftige Wohlergehen der Menschheit von signifikanter Bedeutung.
Von besonderer Wichtigkeit ist auch, die exorbitante Militarisierung (weltweit!) zu verhindern und zu pazifistisch orientierten Konfliktlösungen bereit zu sein.
Gerade in Deutschland wurde vor Jahrzehnten massiv gegen die friedliche Nutzung der Atomtechnik demonstriert, und was ist mit der militärischen Nutzung….(Atomwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel, in Deutschland, schon gewusst?? )….??