In Deutschlands Kita 2019 dürfen auch schon die Kleinsten mitbestimmen

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BERLIN. Kinder und Eltern dürfen mitbestimmen. Bei der Gestaltung der Außenanlage, dem Alltag in der Kita oder bei Festen haben in der Kindertagesstätte St. Sebastian alle ein Wörtchen mitzureden. Das Konzept zahlt sich nun aus. Dafür gab’s nun den Deutschen Kita-Preis.

Gruppenbild mit Promis: Die Finalisten des Deutschen Kita-Preises mit (v.l.n.r.) Schauspieler Christian Berkel, Schauspielerin Andrea Sawatzki, Heike Kahl (Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung), Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, didacta-Präsident Wassilios E. Fthenakis, First Lady Elke Büdenbender und Moderatorin Barbara Schöneberger. Foto: DKJS / F. Schmitt und A. Wendler

Der quirlige kleine Julius rennt mit einem blauen Baufahrzeug in der Hand durch die Kindergrippe und ruft seine Mama. «Ich habe den blauen Bagger», präsentiert der Zweijährige mit aufgerissenen Augen seiner Mutter das Spielauto bevor er weiter flitzt. «Er liebt Baufahrzeuge», sagt Vanessa Griesling. Sie ist pädagogische Fachkraft in der katholischen Kindertagesstätte St. Sebastian im südhessischen Eppertshausen. Die Kita in der rund 6000-Seelen-Gemeinde hat den Deutschen Kita-Preis 2019 in der Kategorie «Kita des Jahres» und damit auch 25.000 Euro gewonnen. In dem Ganztagskindergarten mit 30 Mitarbeitern wird viel Wert auf die Meinung der Kinder, die Einbeziehung der Eltern und die Qualifizierung der Mitarbeiter gelegt.

Rund 120 Kinder rennen in dem zweigeschossigen Haus mit großem Garten und künftig einem Kletterparcour herum, spielen, turnen oder beschäftigen sich in einem der verschieden Bildungsbereiche. «Die Kinder dürfen mitbestimmen», sagt die stellvertretende Kita-Leiterin Veronique Braun. Es würden Wege gesucht, um die Wünsche der Kinder zu erfüllen. «Sie müssen aber auch lernen, dass es Grenzen gibt.» Eng eingebunden auch in die pädagogische Arbeit sind auch die Eltern.

Inklusion gehört zum Konzept

Das zum Jahresbeginn in Kraft getretene «Gute-Kita-Gesetz» sehen die beiden Pädagoginnen positiv. Die Mittel, die von den 5,5 Milliarden Euro bis 2022 in ihrer Kita ankommen, sollen hauptsächlich in die Fortbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter fließen. Dies auch, weil im Rahmen der Inklusion auch fünf Kinder mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen täglich in den Hort kommen. So gibt es Kooperationen mit Schulen, Institutionen im Ausland und auch mit Ärzten. In diesem Jahr bekommt die Kindertagesstätte pro Kind 100 Euro, im kommenden Jahr 250 Euro pro Kind aus dem Finanztopf.

«Sie müssen aber auch lernen, dass es Grenzen gibt»: Kinder in der Kita St. Sebastian im südhessischen Eppertshausen. Foto: DKJS/Jakob Erlenmeyer, Nikolaus Götz

Gerade die Investition in die Qualität der Mitarbeiter ist wichtig, glaubt auch Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann Stiftung. «Es muss eine gute Ausbildung und es muss genügend Erzieher geben», sagt die Expertin. «Das sind eigentlich Idealisten.» Teils müsse Geld für die vier bis fünf Jahre dauernde Ausbildung gezahlt werden oder es gibt zumindest keine Ausbildungsvergütung. Die Gelder des «Gute-Kita-Gesetzes» könnten genutzt werden, um den Beruf attraktiver zu machen. Nach mehreren Szenarien fehlten in den kommenden Jahren mehrere hunderttausend Erzieher.

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«Die Mittel werden nicht ausreichen», kritisiert Bock-Famulla eine fehlende Zusage des Bundes zur dauerhaften, finanziellen Unterstützung in der frühkindlichen Bildung. Schon jetzt würde die Schere bei der Zahl der Kinder pro Betreuer in den Bundesländern stark auseinandergehen. Und manche Länder wollten die Mittel des «Gute-Kita-Gesetzes» nicht einmal in die Qualität, sondern in die Beitragsfreiheit stecken. «Das kann irgendwann zu Entwicklungsgefährdungen bei den Kindern führen», glaubt Bock-Famulla.

Besonders gut aufgestellte Kitas und Initiativen für frühkindliche Bildung zeichnet das Bundesfamilienministerium zusammen mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung seit vergangenem Jahr aus. Beim Deutschen Kita-Preis werden insgesamt Preisgelder in Höhe von 130 000 Euro in den Kategorien «Kita des Jahres» und «lokales Bündnis für frühe Bildung des Jahres» vergeben. Kriterien sind hierbei unter anderem die Einbindung der Kinder und Eltern, Kooperationen mit anderen Einrichtungen und ein ständiger Prozess, um Lerninhalte weiterzuentwickeln.

Insgesamt gab es in diesem Jahr für beide Kategorien 1600 Bewerber. Als «Kita des Jahres» war 2018 ein Familienzentrum im hessischen Maintal ausgewählt worden. Der nun zweite Preis für die von der Stadt Eppertshausen und der katholischen Gemeinde getragenen Kindertagesstätte St. Sebastian geht auch wieder nach Hessen.

Für den Kita-Preis beworben hat sich die Kindertagesstätte auch, um Öffentlichkeit zu schaffen. Die Kita müsse auch als Bildungsort gesehen werden. Es muss in der Gesellschaft ankommen, dass wir viel mehr leisten, als weithin bekannt», sagt Braun. Es gebe immer noch das Denken, Erzieher würden den ganzen Tag mit den Kindern spielen. «Das ist ein Denken, dass in manchen Köpfen drin ist. Dieses Rollendenken muss durchbrochen werden», sagt Griesling.

Was mit den 25.000 Euro in Eppertshausen finanziert werden soll, will die Kita-Leitung nicht alleine entscheiden. Auch hier würden wieder die Eltern und die Kinder mit ins Boot geholt. «Das haben wir aber noch nicht überlegt», sagt Braun. Julius hat indes seinen blauen Bagger weg gelegt und eilt einem heulenden Spielpartner mit einem Spielzeug-Erste-Hilfe-Kasten zur Seite. Mit der 25.000-Euro-Finanzspritze könnte aber bald auch ein neues Mini-Baufahrzeug für ihn im Regal stehen. Von Oliver Pietschmann, dpa

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