GEW: Verwaltungsaufwand um die Masern-Impfpflicht sorgt für Ärger in den Schulen

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STUTTGART. Es klingt ganz einfach, aber ganz einfach wird es nicht. Kinder und Jugendliche, die Kitas oder Schulen besuchen wollen, müssen künftig gegen Masern geimpft sein. Sonst droht – ja was eigentlich?

Die typischen Symptome der Masern sind neben Hautausschlag auch Fieber, Husten, Schnupfen und Entzündungen der Schleimhäute. Foto: Steffen Bernard / Wikimedia Commons
Die typischen Symptome der Masern sind neben Hautausschlag auch Fieber, Husten, Schnupfen und Entzündungen der Schleimhäute. Foto: Steffen Bernard / Wikimedia Commons

Jetzt wird es ernst: Die Masern-Impfpflicht für Kindergarten- und Schulkinder tritt am 1. März in Kraft. Experten finden das gut, aber die Umsetzung ist ein ziemlicher Kraftakt. «Dieses Bundesgesetz bedeutet eine Menge zusätzliche Arbeit für die Schulleitungen», sagt die baden-württembergische Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz. Der ganze Verwaltungsaufwand werde den ohnehin belasteten Schulleitern aufgebürdet. «Dabei sollen die doch Zeit haben für pädagogische Aufgaben, für Personalentwicklung und so weiter», erklärt sie. «Es gibt einen erheblichen Unmut seitens der Schulen.»

Schulen und Kitas müssen jetzt Impfausweise einsammeln

Kurz vor Weihnachten wurde das Gesetz im Bundesrat gebilligt, nun müssen die Länder zusehen, wie sie mit der Impfpflicht praktisch umgehen. Die Vorgaben sind klar: Wer sich als Schüler, Lehrer, Hausmeister, Erzieher oder Kita-Kind bereits in den entsprechenden Einrichtungen befindet, hat noch Zeit bis 31. Juli 2021, die Impfung nachzuweisen. Wer neu eingestellt wird oder neu in Klassen oder Kita-Gruppen aufgenommen werden will, muss den Impfnachweis ab 1. März 2020 vorlegen. Nicht geimpfte Kindergartenkinder können dann abgewiesen werden – Schüler nicht. Denn der Impfpflicht steht die Schulpflicht gegenüber.

Was Schulen und Kindergärten jetzt tun müssen: Impfausweise einsammeln, kopieren, zu den Akten legen und so lange aufbewahren, wie die Kinder an der Kita beziehungsweise der Schule sind, erklärt Moritz. Der größte Aufwand steht ja noch bevor: Nämlich bis zum kommenden Jahr nicht nur Neuankömmlinge impftechnisch zu erfassen, sondern auch den Impfstatus aller Kinder und Mitarbeiter in den Schulen und Kitas abzuklären und zu dokumentieren.

Michael Hirn, Direktor der Stuttgarter Helene-Fernau-Horn-Schule, einer sonderpädagogischen Ganztagseinrichtung mit rund 210 Schülern, sieht darin einen großen Mehraufwand. «Ich hätte mir gewünscht, dass eine zentrale Stelle dafür zuständig ist und nicht wir das auch noch aufgebürdet bekommen», sagt er.

Bleiben Erziehungsberechtigte als Impfgegner stur oder bringen den Nachweis schlicht aus Nachlässigkeit nicht bei, muss dies dem Gesundheitsamt gemeldet werden, «unverzüglich», wie es im Gesetz heißt. Die Behörde nimmt dann Kontakt mit den Eltern auf.

Bleibt all das ohne Erfolg, droht schlimmstenfalls ein Bußgeld – das können bis zu 2500 Euro sein. Für Schüler hat das aber keine weiteren Konsequenzen. Sie können bis zum Schulabschluss ungeimpft an der Schule bleiben – Impflicht hin oder her. Für Kita-Kinder könnte der Betreuungsvertrag gekündigt werden.

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„Wir sehen einen enormen Aufwand auf die Menschen zukommen“

Ulrich Wagner, Leiter der Abteilung Gesundheitsschutz am Landratsamt Karlsruhe, sieht das zunächst pragmatisch. «Wir haben ja keine Masse von Leuten, die nicht geimpft sind», erläutert er. «Bei überzeugten Impfgegnern wird es auf ordnungsrechtliche Maßnahmen herauslaufen.» Er hofft, mit dem Gesetz diejenigen zu erreichen, die bisher einfach nachlässig, schlampig oder gedankenlos waren. «Ich bin froh, dass wir aus dem reinen Appellcharakter nun herauskommen», sagt er. Aber: «Wir sehen auch einen enormen Aufwand auf die Menschen und die Verwaltung zukommen.»

Während die Schulen in Baden-Württemberg bereits ein Musterschreiben und umfangreiche Vorlagen vom Kultusministerium bekommen haben, wie die Nachweise angefragt und dokumentiert werden müssen, fehlen an den Kitas im Land noch behördliche Informationen dazu. «Wir hoffen, dazu noch was zu bekommen», erzählt Sabine Pfitzenmeier von der pädagogischen Fachberatung beim Trägerverein Schneckenhaus in Bretten (Kreis Karlsruhe). Das Kultusministerium will nach Worten einer Sprecherin Handreichungen zur Umsetzung «in Kürze den Trägerverbänden der Kindertageseinrichtungen als Unterstützung zur Verfügung stellen». Es bleibe aber in der Verantwortung der Träger und Einrichtungen, das Bundesgesetz korrekt umzusetzen.

„Überprüfung durch Schulen und Kitas ist effizienter“

Kultus- und Sozialministerium wiesen zudem darauf hin, dass es in Baden-Württemberg etwa 8900 Kitas sowie 4500 Schulen gebe, aber nur 38 Gesundheitsämter. Die Überprüfung durch die Schulen und Kitas sei daher deutlich effektiver. Zudem würden etwa die 2300 Grundschulen im Land entlastet durch die Gesundheitsämter: Diese überprüfen den Impfstatus bei den Erstklässlern und stellen eine Bescheinigung aus, die den Schulen dann vorgelegt werden kann.

Beim Schneckenhaus werden in acht Einrichtungen in und um Bretten herum rund 300 Kinder betreut. Die Eltern seien über das neue Gesetz bereits informiert, auch der Betreuungsvertrag für die Schützlinge des Schneckenhauses sei entsprechend ergänzt worden. Für den Nachweis der Masernimpfung müssen sich die Kitas künftig das Original vorlegen lassen und davon dann Kopien ziehen, erzählt Pfitzenmeier. Früher reichte es, wenn die Eltern mit ihrer Unterschrift eine Impfberatung zur Kenntnis nahmen.

Masern sind hoch ansteckend, werden laut Bundesgesundheitsministerium häufig unterschätzt und können auch tödlich sein. Nach Angaben des Landesgesundheitsamtes liegt die Impfquote für Schulanfänger im Südwesten bei aktuell 89,8 Prozent. Das ist deutlich weniger als die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen 95 Prozent. Von Anika von Greve-Dierfeld, dpa

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