Wie pompös darf eine Einschulungsfeier sein? Immer mehr Tamtam um den ersten Schultag – die GEW wehrt sich gegen den Trend

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KIEL. „Einschulungsfeiern sind keine Mega-Events“ – und sollten es auch nicht werden, meint die schleswig-holsteinische GEW-Vorsitzende Astrid Henke. Die Lehrer-Gewerkschaft lehnt eine Verlegung des Termins zu Schuljahresbeginn vom Mittwoch auf einen Samstag ab. Das diskutiert derzeit der Landtag in Kiel, um den Familien das Feiern zu erleichtern. Dabei kommen Grundschulen damit schon jetzt an ihre Belastungsgrenzen, meint die GEW: Das zunehmende Tamtam um den ersten Schultag sorgt für wachsende Probleme.

Ist es sinnvoll, aus der Einschulung eine Art Kindergeburtstag zu machen (Symbolfoto)? Foto: Serena / flickr (CC BY 2.0)
Ist es sinnvoll, aus der Einschulung eine Art Kindergeburtstag zu machen? (Symbolfoto) Foto: Serena / flickr (CC BY 2.0)

Die sechsjährige Lisa kann zwar noch nicht lesen. Ihre Verwandten wünschen ihr aber schon mal in einer Zeitungsannonce viel Glück zum Schulstart. Oder sie reisen zur Einschulung mit Schultüten und anderen Geschenken an. Nach der Begrüßung der Erstklässler in der überfüllten Schul-Aula wird groß gefeiert, zunächst im lange zuvor dafür reservierten Restaurant, später zu Hause. Bei manchen Familien kommt auch ein Clown oder Zauberer zur Belustigung, andere organisieren für den Nachmittag Kutschfahrten und Zoobesuche. Der erste Schultag wird zunehmend zum Event.

Einschulungstermin mitten in der Woche

In Schleswig-Holstein ist aktuell eine Debatte darum entbrannt, die Einschulung grundsätzlich samstags stattfinden zu lassen. Auslöser ist laut Nachrichtenportal shz.de ein Brief einer Mutter an einen SPD-Landtagsabgeordneten, in dem die Frau beklagt, die üblichen Einschulungstermine mitten in der Woche seien familienunfreundlich. Weiter entfernt lebende Verwandte oder Paten könnten deshalb an diesem für die Erstklässler so wichtigen Tag nicht dabei sein. Die Verfasserin regt deshalb an, Schleswig-Holstein solle wie Berlin oder Niedersachsen zu verfahren: den Schulstart auf einen Samstag legen. Dann hätten alle Zeit.

Der Schulausschuss des Landtags thematisierte nun die Idee im Rahmen einer Expertenanhörung. Der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein unterstützt den Vorschlag. „Die Anwesenheit von Verwandten und Freunden der Familie ist ein wichtiges Signal für das Kind und trägt dazu bei, den Tag so zu gestalten, dass er dem Kind in guter Erinnerung bleibt“, meint Vorsitzende Irene Johns dem Bericht zufolge.

Die GEW positioniert sich hingegen entschieden gegen das Ansinnen. Eine Einschulung am Sonnabend würde zu einem weiteren Ausufern der Einschulungsfeiern führen, weil Verwandte in noch größerer Zahl anreisen würden. Die Schulen hätten bei einer Einschulung am Wochenende Schwierigkeiten, Kinder aus den anderen Grundschulklassen für Theater- und Choraufführungen auf der Einschulungsfeier heranziehen zu können. Und: Eine Einschulungsfeier am Sonnabend würde zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung für die schon jetzt stark belasteten Lehrkräfte an den Grundschulen führen.

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„Die Grundschulen platzen aus allen Nähten“

Vor allem der immer stärker anwachsende Gästeandrang stelle die Grundschulen schon jetzt vor kaum lösbare Herausforderungen, so betont Landesvorsitzende Astrid Henke. „Einschulungsfeiern sind schließlich keine Mega-Events. Mehr geht einfach nicht! Die Räumlichkeiten platzen aus allen Nähten. Obwohl der Wunsch von Verwandten, an der Einschulungsfeier teilzunehmen, nachvollziehbar ist, sollten wir nicht vergessen, dass bei diesen Feiern die Kinder im Mittelpunkt stehen sollen“ – und die Schulen: Nur die wenigsten Grundschulen verfügten über Aulen. In der Regel finde die Einschulungsfeier in der Turnhalle statt. Aber auch dort reichten die Sitzplätze häufig nicht aus, weil jedes Kind mehrere Erwachsene sowie Geschwister mitbringe.

Tatsächlich stellen Lehrer auch in anderen Bundesländern fest, dass zu Einschulungsfeiern immer mehr Menschen anrücken. «Wir sehen natürlich mit Freude, dass Eltern so viel Anteil nehmen an der schulischen Laufbahn, die ja mit der Einschulung beginnt», sagte der hessische Landesvorsitzende des VBE, Stefan Wesselmann, in einem News4teachers-Beitrag bereits 2017. Es sei auch wichtig, dass Eltern ihren Kindern zeigten: «Wir begleiten und unterstützen dich.» Dies sollte sich allerdings nicht auf die Übergänge und Abschlüsse beschränken, sondern grundsätzlich gelten, mahnte der Lehrer und Pädagoge.

„Kinder sehen sich zu Schulbeginn großen Erwartungen ausgesetzt“

Denn das Tamtam um den ersten Schultag birgt nach seiner Einschätzung Risiken. Wesselmann warnte Eltern davor, die eigenen Wünsche und Lebensträume zu sehr auf den Nachwuchs zu übertragen. «Schnell sehen sich Kinder schon zu Schulbeginn großen Erwartungen ausgesetzt, die sie dann nicht unbedingt so erfüllen können oder wollen», berichtete der Pädagoge. «Ein guter lebenslanger Lernprozess beginnt mit Erfolgserlebnissen.» Misserfolge ließen sich jedoch nur selten vermeiden und es sei wichtig zu lernen, damit umzugehen. «Wenn Eltern ihre Kinder bestärken, aus Fehlern zu lernen, tragen sie wesentlich zum Aufbau eines gesunden Selbstvertrauens und damit zu einer guten Grundlage einer erfolgreichen selbstbestimmten “Schulkarriere” bei.» Eine allzu pompöse Einschulungsparty erhöht dagegen den Druck auf die Schulanfänger, möglichst schnell durchzustarten.

Cornelia Kelber, Trendforscherin vom Zukunftsinstitut in Frankfurt, stellte schon vor zweieinhalb Jahren fest:  «Feiern, die früher privat waren, sind zum Statussymbol geworden. Man zeigt, wer man ist, und was man kann.» Bei der Einschulung überböten sich viele Mütter gegenseitig. Das Privatleben sei – wie in den sozialen Netzwerken üblich – zum Wettbewerb geworden und immer ein bisschen öffentlich: Denn alles kann gefilmt und im Internet gepostet werden. «Man hat die Facebook-Crowd immer im Hintergrund, bei allem was man tut.» News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Datenschutz: Immer mehr Grundschulen verbieten Eltern, ihr Kind bei der Einschulungsfeier zu fotografieren – aus gutem Grund

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Gümnasiallehrer a.D.
4 Jahre zuvor

Würden Einschulungen plötzlich, von Heute auf Morgen, kommen, so könnte ich das Geschrei verstehen. Da so einer Einschulung aber ein Verwaltungsakt vorausgeht sollte man meinen, dass die Eltern intelligent genug sind, sich einen Tag Urlaub zu nehmen oder sich freistellen zu lassen. Das Argument der Selbstständigkeit zählt in meinen Augen aus dem Grund (lange Vorlaufzeit) nicht und zudem ist es nunmal so, dass Kindererziehung eben auch Unbequemlichkeiten mitbringt.

Ferner scheint diese Feierei daher zu kommen, dass viele Eltern einfach, wie im Artikel geschrieben, einen hohen Selbstdarstellungsdrang haben, rücksichtslos und egoistisch sind und vor allem nur ein Kind haben. Nur so kann dieses Verhalten erklärt werden.

Keks
4 Jahre zuvor

Wir haben jahrelang die Einschulungsfeier samstags gemacht und sie aufgrund von totaler Überfüllung (die Schulanfänger sind in den Massen von Erwachsenen regelrecht untergegangen) der Aula nun auf unter der Woche verlegt. Es ist für die Schulgemeinschaft nun viel schöner, da auch die Kinder aller anderen Klassen die Erstklässler in Empfang nehmen (z.B. Spalier stehen). Und für die Schulanfänger sowieso. Auch gibt es nun keine Probleme mehr mit der Erwartungshaltung mancher Eltern bezüglich des „Caterings“.

Joka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Keks

Sehr gute Lösung, die ich bereits vor 25 Jahren in Schleswig Holstein mit meinem ersten Kind miterleben durfte.
Für die Familie war das zwar ungewöhnlich und mit einem Kurzurlaub verbunden, aber für uns Eltern, war es supergut zu händeln. Das Argument des Empfangs der Erstklässler durch die Schulgemeinschaft kann ich auch nur teilen.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor

Es ist ein Zeichen bon Wertschätzung, wenn Eltern für die Einschulung Urlaub nehmen – vollkommen unabhängig davon, ob das jemand mitbekommt. Die Einschulung sollte den Eltern einen Tag Urlaub wert sein.

Das hat etwas mit Einstellung und Haltung zu tun, auch mit Prioritäten.

Wenn so ein Brimborium um den Tag der Einschulung gemacht wird, wie wird dann der Übergang in die zweite Klasse gefeiert?

Für die erste Klasse – keine Leistung erforderlich.
Für die zweite Klasse ist Leistung dann scheinbar egal.

Die Einschulungsparty soll dem Kind in Erinnerung bleiben …. Daran „misst“ es aber unbewusst seine Wichtigkeit.

Die Selbstwirksamkeitsregel hier lautet dann doch – du tust nichts – PARTY! Du lernst gut und kommst in die zweite Klasse – NICHTS! Klar, das Kind versteht das, oder auch nicht.

Und wenn dann nichts mehr kommt … Was soll das Kind davon halten?

Mir scheint es oft so, als würden die Eltern zeigen, was sie alles können und tun und dann die Lust verlieren, ihr Kind durch das ganze Schulleben zu begleiten. Sie haben doch schon die Party… damals …

Vermutlich wird unsere lustige

„Der Schulausschuss des Landtags thematisierte nun die Idee im Rahmen einer Expertenanhörung.“

Ob zu den Experten such Lehrkräfte gehören? Vermutlich nicht. Welcher faule Sack …

„Der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein unterstützt den Vorschlag.“

Der Kinderschutzbund, soso. Hier sollte man sich mal ernsthaft Gedanken um Folgen und Auswirkungen machen. Erwachsene sollten in der Lage sein, diese ab- und einzuschätzen. Die Erwartungshaltung ist nämlich nicht nur auf Seiten der Eltern überhöht.

„Die Anwesenheit von Verwandten und Freunden der Familie ist ein wichtiges Signal für das Kind und trägt dazu bei, den Tag so zu gestalten, dass er dem Kind in guter Erinnerung bleibt“, meint Vorsitzende Irene Johns dem Bericht zufolge.“

Das ist auch bei einem Geburtstag der Fall.

Und daaa geht es dann auch tatsächlich (hoffentlich!) um das Geburtstagskind und nicht um das Prestige der Eltern –

die übrigens prima vormachen, wie man die Spaltung zwischen Arm und Reich ganz toll deutlich machen kann und so schon megagut dem Standesdünkel dienen und die Bildung einer Klassengemeinschaft richtig schön erschweren.

Alla
1 Jahr zuvor

Wir schulen jedes Jahr zwischen 75 und 80 SuS an unserer GS in SH ein.
Der größte Raum, die Turnhalle, wird dafür genutzt.

Die ca. 75 SuS der ehemaligen 1. Klassen begrüßen die Neuen immer mit einem kleinen „Musical“.

Jeder Erstklässler wird an dem Mittwoch morgen von durchschnittlich 5 Personen begleitet ( Eltern, Großeltern, Geschwister).
Die 150 Kinder (neue Erstklässler und die aufführenden Zweitklässler) sitzen vor der aufgebauten Bühne auf Turnhallenbänken. Außerdem brauchen wir vor der Bühne etwas Platz für Instrumente, Chor, Klvier, Scheinwerfer, Lautsprecheranlage usw.

Hinter den Bänken können noch 350 Stühle aufgebaut werden. Wie jeder unschwer errechnen kann, gibt es dann schon nicht mehr für jeden Teilnehmenden einen Sitzplatz. Die übrigen ca 35 Personen, also 3 neue Klassenlehrer, 3 Klassenlehrer der 2. Klassen, Musiklehrer, Schulleiter, Elternpflegschaftvorsitzende, Vorsitzende des SV und 25 Begleitpersonen müssen sich irgenwie an die Wände quetschen.

Aus Brandschutzgründen dürften sich eigentlich nicht mehr als 350 Personen gleichzeitig in der Turnhalle aufhalten, da es nur einen kleinen 1m breiten Notausgang neben der Bühne ins Freie gibt. Den nutzen die Zweitklässler und die neuen Erstklässler und ihre Lehrer dann auch, um die überfüllte Turnhalle nach der Aufführung überhaupt verlassen zu können und über den Schulhof in ihre (neuen) Klassen gehen zu können. Die 3. und 4. Klassen bilden dabei ein Spalier, auch damit kein Kind auf dem Weg verloren geht. Währenddessen müssen die Begleitpersonen noch in der Turnhalle bleiben, während die Elternpflegschaftvorsitzende und die SV Vorsitzende ihre Reden halten.

Die Eltern der Zweitklässler, die die Aufführung ihrer Kinder natürlich auch gerne sehen wollen, werden am Dienstagabend eingeladen.

Wird die Einschulung auf den darauf folgenden Samstag verlegt, gehen den Erstklässlern nicht nur 2 Unterrichtstage verloren, wir werden uns auch überlegen, nur noch 2 Begleitpersonen pro Kind zur Einschulungsfeier zuzulassen.