HALLE. Kanzlerin und Ministerpräsidenten wollen in dieser Woche darüber beraten, wie es in der Corona-Krise weitergeht – auch mit den Kitas und Schulen. Für Angela Merkel (CDU) sind nach eigenem Bekunden die Empfehlungen der Leopoldina sehr wichtig für das weitere Vorgehen. Das höchste Wissenschaftlergremium in Deutschland hat jetzt ein weitreichendes Gutachten vorgelegt. Darin heißt es: “Die Wiedereröffnung der Bildungseinrichtungen sollte sobald wie irgendmöglich erfolgen, und zwar schrittweise und nach Jahrgangsstufen differenziert.”
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt in ihrer Stellungnahme mit dem Titel «Die Krise nachhaltig überwinden», so bald wie möglich zuerst Grundschulen und die Sekundarstufe I schrittweise zu öffnen – unter bestimmten Voraussetzungen.
In dem am Montag veröffentlichten Papier der Wissenschaftler, das sich umfassend mit weiteren Schritten in der Corona-Pandemie beschäftigt, heißt es dazu unter anderem, die Infektionen müssten auf niedrigem Niveau stabilisiert und die bekannten Hygieneregeln eingehalten werden. Auch “notwendige klinische Reservekapazitäten” müssten aufgebaut und auch andere Patienten wieder regulär aufgenommen werden. Zudem sprechen sich die Experten für eine Masken-Pflicht in Bussen und Bahnen und in den Schulen aus. Ein Datum nennt die Stellungnahme nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Studie der Leopoldina als «sehr wichtig» für das weitere Vorgehen bezeichnet.
Lernen zu Hause verstärkt die soziale Ungleichheit
Zur Öffnung von Schulen und Kitas heißt es, die Schulen sollten “sobald wie irgend möglich” wieder geöffnet werden. Denn: “Das Lernen zu Hause ist für viele Kinder, Schülerinnenund Schüler weniger effektiv als das Lernen in Schulen. Mit dem ‘Shutdown’ werden drei wesentliche Funktionen der Schule außer Kraft gesetzt: a) die auf das Lernen bezogenen Strukturierung des Alltags, b) der das Lernen unterstützende und die gesellschaftliche Teilhabe einübende soziale Austausch mit Gleichaltrigen und Lehrkräften, c) die professionelle Rückmeldung auf Lernfortschritte. Die Krise führt somit insgesamt zu einem Rückgang der Betreuungs-, Lehr- und Lernleistungen.”
Besonders betroffen sind den Experten zu Hause sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. So verschärfe das Lernen zu Hause die ohnehin bereits stark ausgeprägte soziale Ungleichheit in der Bildung weiter. Weil dies tendenziell stärker für die Grundschulen gelte, wo Lerninhalte in der Klassengemeinschaft vermittelt würden, sollen diese als erste öffnen – und zwar zunächst die oberen Jahrgänge, in denen die Schüler vor dem Übergang zu den weiterführenden Schulen stünden.
Die Kinder müssten dabei “Mund-Nasen-Schutz” tragen, sie sollten zunächst auch erst in den Grundfächern Deutsch und Mathematik in einer “Gruppengröße von maximal 15 Schülerinnen und Schülern” unterrichtet werden. Je nach Lerngruppe sollten sie getrennt in die Pause gehen. “Der Schulhof darf nicht zum Austauschort für Viren werden”, so fordern die Wissenschaftler.
Fokus auf Deutsch, Mathe und die Fremdsprachen
In der weiterführenden Schule sollten neben Deutsch und Mathe vor allem Fremdsprachen unterrichtet werden. Hier solle mit den Stufen begonnen werden, die vor dem Wechsel in den Beruf oder die Oberstufe stehen. In der gymnasialen Oberstufe hingegen solle vermehrt “auf das selbstorganisierte Lernen auf Basis digitaler Medien” gesetzt werden. In Sachen Abschlussprüfungen empfehlen die Forscher, “die Prüfungsmöglichkeiten auf allen Bildungsetappen aufrechtzuerhalten”. Heißt also: Die Abiturprüfungen und die Abschlussprüfungen für den Mittleren Abschluss sollten den Wissenschaftlern zufolge stattfinden.
Zu den Kindertagesstätten rät die Leopoldina: “Da kleinere Kinder sich nicht an die Distanzregeln und Schutzmaßnahmen halten, gleichzeitig aber die Infektion weitergeben können, sollten die Kitas für die jüngeren Jahrgänge bis zu den Sommerferien weiterhin im Notbetrieb bleiben.” Weiter heißt es: “Im Bereich der Kindergärten und Kindertagesstätten sollte dieser Logik entsprechend ein Regelbetrieb mit reduzierten Gruppengrößen (max. 5 Kinder pro Raum) am Übergang zur Grundschule (5 -6 -J ährige) stattfinden. Es sollten alle Anstrengungen – auch in den Sommerferien – unternommen werden, um diese Kinder so gut wie möglich auf den Übergang in die weiterführende Schule vorzubereiten.”
An den Universitäten sollte das Sommersemester “weitgehend als online/home-learning-Semester” zu Ende geführt werden. News4teachers / mit Material der dpa
Hier lässt sich das Gutachten der Lepoldina herunterladen (19 Seiten).
