DÜSSELDORF. Im Turbogang möchte die schwarz-gelbe Landesregierung die Schulen in Nordrhein-Westfalen wieder öffnen. Dazu braucht sie möglichst alle der rund 200.000 Lehrkräfte im Land. Grundsätzliche Befreiungen vom Präsenzunterricht soll es für keine Risikogruppe mehr geben. Einen Testballon gibt es dafür bereits: Für die anstehenden mündlichen Prüfungen hat das Ministerium ausdrücklich ältere und vorerkrankte Lehrkräfte sowie Schwangere und stillende Lehrerinnen in die Schulen beordert.
An den nordrhein-westfälischen Schulen sollen vorerkrankte und ältere Lehrkräfte künftig trotz Corona-Pandemie nicht länger grundsätzlich vom Präsenzunterricht ausgenommen werden. Neue Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) sähen keine grundsätzlichen Einsatzbeschränkungen für bestimmte Altersgruppen oder Vorerkrankungen vor, erläuterte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) in Düsseldorf.
Deshalb solle so schnell wie möglich und auf jeden Fall noch vor den Sommerferien im Konsens mit Betroffenen und ihren Interessenvertretern neu definiert werden, wer für Präsenzunterricht einsetzbar sei. Im Zweifel könne jeder, der sich wegen der Pandemie dazu nicht in der Lage sehe, eine arbeitsmedizinische Begutachtung wählen.
Hinweise des Robert-Koch-Instituts zu Risikogruppen unverändert
In den aktuellen Hinweisen des Robert-Koch-Instituts zu Risikogruppen für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf (Stand: 13. Mai) sind allerdings keine Änderungen vermerkt. Nach wie vor heißt es dort: “Das Risiko einer schweren Erkrankung steigt ab 50 bis 60 Jahren stetig mit dem Alter an. Insbesondere ältere Menschen können, bedingt durch das weniger gut reagierende Immunsystem, nach einer Infektion schwerer erkranken (Immunseneszenz).” Weiter wird dort ausgeführt: “Auch verschiedene Grunderkrankungen wie Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Erkrankungen des Atmungssystems, der Leber, der Niere, Krebserkrankungen oder Faktoren wie Adipositas und Rauchen scheinen das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zu erhöhen.”
In einem Rechtsgutachten, das die GEW anlässlich der Coronakrise zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Schulen, erstellen ließ, heißt es: „Besonders gefährdete Risikogruppen müssen gegen die speziell sie bedrohenden Gefahren geschützt werden‘ – so eindeutig ist die unionsrechtliche Vorgabe in Artikel 15 der RL 89/391/EWG, der Rahmenrichtlinie für den Arbeitsschutz, die bis heute als ‚Grundgesetz des betrieblichen Arbeitsschutzes‘ gilt.“ Wer gehört zur Risikogruppe? Der Gutachter, der Jurist Prof. Wolfhard Kohte von der Universität Halle-Wittenberg, verweist auf die Liste des Robert-Koch-Instituts. In der Mehrzahl der Bundesländer sei diese für die Bestimmung der Risikogruppen übernommen worden. Das sei im Grundsatz auch sachgerecht, so befindet der Jurist. (News4teachers stellt das Rechtsgutachten ausführlich vor – hier geht es zu dem Bericht.)
GEW: Das Land hat eine Fürsorgepflicht für seine Lehrer
Die GEW schlussfolgert daraus: „Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht! Jeder Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, Risikogruppen zu schützen und sie über ihre Rechte zu informieren. Dazu gehört auch, Risikogruppen gemeinsam mit den Interessenvertretungen zu definieren.“
Die NRW-Schulministerin ficht das nicht an. «Ziel der Landesregierung bleibt, dass wir so schnell wie möglich in den Regelbetrieb zurückkehren», bekräftigte Gebauer. Dafür sei die Ausschöpfung aller möglichen personellen Ressourcen Voraussetzung.
Wegen der bisherigen Einsatzbeschränkungen für Pädagogen ab 60 Jahren beziehungsweise mit Vorerkrankungen seien derzeit knapp 30 Prozent der insgesamt rund 200.000 Lehrkräfte nicht im Präsenzunterricht, berichtete die Ministerin. Das Schulministerium hatte kürzlich korrigiert, dass auch sie jedoch verpflichtet seien, an mündlichen Prüfungen teilzunehmen (News4teachers berichtete ausführlich auch darüber – hier geht es zu der Story). Danach hatte es Kritik von SPD, Grünen und Lehrergewerkschaften gehagelt. Gerichtliche Verfahren dagegen seien dem Ministerium bislang aber nicht bekannt geworden, sagte Staatssekretär Mathias Richter – offenbar ist das Ermunterung genug, um jetzt jede Rücksicht auf Riskogruppen in der Lehrerschaft fahren zu lassen. News4teachers / mit Material der dpa
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„Schulleitungen und Lehrkräfte sind fassungslos über ihren Dienstherrn, die Landesregierung“
