BOZEN. In Klassenzimmern herrscht dicke Luft. Die meiste Zeit wird im Unterricht die empfohlene CO2-Konzentration deutlich überschritten. Das ergab jetzt eine Studie aus Italien, deren Daten zwar noch vor der Corona-Krise erhoben wurden. Aber schon damals halfen Empfehlungen, möglichst häufig zu lüften, nicht. Einem Neustart der Schulen in Pandemie-Zeiten sehen die Forscher deshalb skeptisch entgegen.
Wissenschaftler der Freien Universität Bozen hatten seit Juli 2019 Qualitätsmessungen in Schulgebäuden vorgenommen. Im Rahmen des Projekts wurden 90 Sensoren in fünf Klassenzimmern und 20 Räumen der Oberschule Hack in der Provinz Rom installiert. Diese ermöglichen eine kontinuierliche Messung von Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO2-Konzentration und Beleuchtungsstärke. Die daraus gewonnenen Daten wurden in Beziehung mit dem Verhalten der Schüler gesetzt. Diese führten zusätzlich penibel Buch über alle Handlungen wie das Öffnen und Schließen von Türen und Fenstern, die Benutzung von Computern oder das Ein- und Ausschalten von Lichtern und gaben die jeweiligen Gründe dafür an.
Die empfohlene Zufuhr von Frischluft wird fast nie im Unterricht eingehalten
Das Ergebnis der Messungen zeigt, dass der Grenzwert für die empfohlene CO2-Höchstbelastung – 900 ppm (parts per million, zu Deutsch »Teile von einer Million« oder Millionstel) – in 75 % der Zeit überschritten wird; die minimal empfohlene Zufuhr von Frischluft wurde gar in 95 % der Unterrichtszeit nicht eingehalten.
Zwar liegen insgesamt nur wenige Forschungsarbeiten zum Thema »CO2-Konzentration und Lernverhalten« vor, dennoch kamen Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts im Jahr 2016 auch für Deutschland zu besorgniserregenden Ergebnissen. Die Untersuchung aus 200 Publikationen von 1965 bis 2015 hätte häufig mangelnde Lüftungsraten mit daraus resultierendem zu hohem CO2-Gehalt ergeben. Nicht selten seien CO2-Konzentrationen von über 2000 ppm anzutreffen gewesen.
Neben der Luftqualität erwies sich in Italien auch die Beleuchtung als unzureichend. Sofern kein künstliches Licht verwendet wurde, lag die Beleuchtung der Arbeitsflächen während eines Großteils des Beobachtungszeitraums weit unter dem vorgegebenen Schwellenwert von 500 lx. Sehr oft wurden sogar Werte unter 300 lx gemessen.
Aus der Auswertung ergebe sich klar, so Studienleiter Andrea Gasparella, dass das größte Problem die Luftqualität sei. Alle Bemühungen diese zu verbessern, hätten sich als unzureichend, teilweise sogar als problematisch erwiesen, da sie die Luftfeuchtigkeit, den Lärmpegel oder auch den Energieverbrauch im Gebäude negativ beeinflussten.
Die Ergebnisse hätten außerdem eine besondere Relevanz für den Schulstart im September. „Die Vorbeugung einer Ansteckung erfolgt in der Tat durch die Kontrolle der Konzentration und Verteilung der Viruslast, die sich, wenn auch mit einigen Besonderheiten, nicht wesentlich von der vieler anderer Schadstoffe in Innenräumen unterscheidet”, so Gasparella. „Die richtige Belüftung kann sowohl den CO2-Gehalt begrenzen als auch eine Konzentration der Viruslast in der unmittelbaren Umgebung eindämmen”.
Konzepte für die Belüftung der Klassenzimmer sind nötig
In der aktuellen Vorbereitung des Schul-Neustarts im Herbst sei es deshalb essenziell, die mit den neuen Abstandsanforderungen erreichbaren Luftqualitätsniveaus festzulegen und zu planen, welche Maßnahmen notwendig sind, um sie zu erreichen. „Das können zum Beispiel häufigeres oder längeres Öffnen von Fenstern und Türen sein, kleinere Gruppengrößen oder eine kürzere Belegung der Klassenräume, die Installation von Belüftungs- oder Filtersystemen und das Festlegen von Parametern sein, die es ermöglichen, die Luftqualität im restlichen Schulgebäude ohne große zusätzliche Kosten zu überwachen, indem aufgrund bestimmter Korrelationen und Prognosealgorithmen eine Warnung ausgelöst wird“, so Gasparella. News4teachers
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Stoßlüften im Klassenraum reicht offenbar nicht aus: Drosten warnt vor Aerosolen
