BERLIN. Prof. Christian Drosten, Direktor am Institut für Virologie der Charité Berlin, hat sich „als Privatperson und nicht als Virologe“ für weitere Öffnungen von Kitas und Schulen ausgesprochen – unter der Voraussetzung, dass die Hygienerichtlinien nach neuen Erkenntnissen überarbeitet werden. Ein wesentlicher Punkt dabei, wie er darlegte: „Es mehrt sich hier der Eindruck, dass wir zusätzlich zur Tröpfcheninfektion auch eine deutliche Komponente von Aerosol-Infektionen haben.“ Heißt: Das Coronavirus wird offenbar häufiger als zunächst angenommen über Kleinstpartikel übertragen, die minutenlang in der Luft schweben.
„Besonders wichtig ist das regelmäßige und richtige Lüften, da dadurch die Innenraumluft ausgetauscht wird. Mehrmals täglich, mindestens alle 45 Minuten, in jeder Pause und vor jeder Schulstunde, ist eine Stoßlüftung bzw. Querlüftung durch vollständig geöffnete Fenster über mehrere Minuten vorzunehmen“, so heißt es beispielsweise im niedersächsischen „Rahmen-Hygieneplan Corona Schule“.
„Eine Kipplüftung ist weitgehend wirkungslos, da durch sie kaum Luft ausgetauscht wird. Aus Sicherheitsgründen verschlossene Fenster müssen daher für die Lüftung unter Aufsicht einer Lehrkraft geöffnet werden. Können aufgrund baulicher Maßnahmen Fenster in einem Raum dauerhaft nicht geöffnet werden, ist er für den Unterricht nicht geeignet, es sei denn, es ist eine effektive raumlufttechnische Anlage (Lüftungsanlage) vorhanden.“ Räume, die über eine solche Anlage be- und entlüftet werden, seien dann nutzbar, wenn sichergestellt werde, dass die Lüftungsanlage nicht als potenzielle Quelle der Virusweiterverbreitung dienen könne.
Diese Vorschrift taucht mit nahezu identischen Formulierungen auch in den Hygiene-Richtlinien der anderen Bundesländer auf. Allerdings werden jetzt Zweifel laut: Reicht eine Stoßlüftung alle 45 Minuten in einem Klassenraum mit zehn, zwölf Personen wirklich aus, um eine Corona-Belastung in der Luft zu beseitigen? Der Virologe Prof. Christian Drosten sät daran Zweifel angesichts neuer Erkenntnisse über die Bedeutung von Aerosol-Infektionen.
“Dann muss diese Raumluft bewegt und herausbefördert werden”
„Wir brauchen viel mehr noch mal bessere Richtlinienwerke für bestimmte ganz wichtige gesellschaftliche Bereiche wie zum Beispiel jetzt die Schulen und die Kindertagesstätten, Kindergärten. Da muss etwas geschehen“, sagte Drosten im Interview mit dem Deutschlandfunk. „Ganz einfach gesprochen: Wenn es denn so ist, dass ein Virus in der Raumluft steht, dann muss diese Raumluft bewegt und herausbefördert werden. Das heißt, man macht das Fenster auf, setzt da einen großen Ventilator rein, der die Luft nach draußen bläst, und macht die Tür einen Spalt auf. So kann man einen Raum entlüften und sicherlich auch eine Aerosolkomponente verringern.“
Die Behauptung, Kinder seien von Corona-Infektionen weniger betroffen – zuletzt etwa von vier Ärzte-Organisationen öffentlich vertreten, um damit ihre Forderung nach Grundschul- und Kitaöffnungen zu untermauern – sei wissenschaftlich nicht belegt, erklärte Drosten noch einmal (News4teachers berichtet ausführlich über die Kontroverse – und zwar hier). Im Gegenteil: „Das sieht für mich überhaupt nicht so aus anhand der vorhandenen wissenschaftlichen Daten.“ Gleichwohl sehe er „als Privatperson und nicht als Virologe“ durchaus die Notwendigkeit, den „gesellschaftlich extrem wichtigen Bereich der Kinderbetreuung und Erziehung“ wiederzubeleben. „Und da muss man dann überlegen, wie kann man das vorhandene epidemiologische und wissenschaftliche Wissen nehmen, um mit dieser Situation umzugehen.“
“Jeder symptomatische Lehrer muss sofort getestet werden”
Neben der Forderung, die Aeroso-Infektionen stärker in den Blick zu nehmen („Im Alltag sollte man sich eher vielleicht aufs Lüften konzentrieren und weniger auf das ständige Wischen und Desinfizieren“), nennt Drosten als weitere Konsequenz: das regelmäßige Testen von Erziehern und Lehrern. „Wir haben hier bei den Erziehungskräften auch sehr, ich will mal sagen, gut informierte Personen, die auch häufig besorgt sind um die eigene Gesundheit, um die Gesundheit der Angehörigen. Wir sollten hier Diagnostik anbieten. (…) Jeder symptomatische Lehrer muss sofort getestet werden und jeder besorgte Lehrer, der auch vielleicht keine Symptome hat, darf einmal pro Woche getestet werden – als Beruhigungs- oder auch Service-Funktion für dieses sehr wichtige Personal.“
Weiter erklärte er: „Ich glaube, mit dieser Kombination, bei Symptomen muss, ohne Symptome kann man getestet werden, und zwar niedrigschwellig, real, wirklich verfügbar, verlässlich, vielleicht einmal in der Woche für jeden Lehrer, jede Kita-Erzieherkraft, ich glaube, damit wären wir ein ganz wichtiges Stück weiter, wenn wir das bis zu den Sommerferien einüben. (…) Dann kommen wir, glaube ich, gut in den Herbst rein und da müssen wir ja noch mal besonders aufmerksam sein wegen des Temperatureffekts, den es vielleicht gibt.“ Heißt wohl: Im Herbst dürfte die Gefahr einer zweiten Corona-Welle steigen. News4teachers
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