BERLIN. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Prof. Lothar Wieler, hat bestätigt, dass es mittlerweile Corona-Ausbrüche an Schulen gibt. „Zurzeit scheint noch alles unter Kontrolle“, sagt er. „Aber die Lage kann sich jederzeit ändern.“ Damit gibt es erstmals ein behördliches Eingeständnis, dass sich Lehrer und Schüler in der Schule mit dem Coronavirus infiziert haben. Von den Kultusministerin war dazu bislang nichts zu hören.
„Es kann eine bestimmte Dynamik entstehen, dann kann die Fallzahl wieder exponentiell steigen“, so Wieler in einem Interview mit der „Welt“. „Und Sie sehen es ja, es geschieht ja. In Israel, in Spanien, in Frankreich. Dieses Virus ist in der Bevölkerung. Und wenn wir dem Virus die Chance geben, zu viele Menschen zu infizieren, dann wird das Geschehen wieder dynamischer. Dann wird die Infektionsdynamik zunehmen, und damit werden automatisch die anderen Kapazitäten ausgelastet.“ Zwar spiele im Infektionsgeschehen in Deutschland der private Bereich derzeit „die große Rolle“. Aber: „Bei den Schulen gibt es inzwischen einige Ausbrüche, das müssen wir gut analysieren.“
Drosten sagt Probleme mit dem Schulbetrieb ohne AHA-Regeln voraus
Wieler bestätigt damit eine Aussage des Charité-Virologen Prof. Christian Drosten, der in der vergangenen Woche in einem Interview erklärt hatte, dass es erste belegte Corona-Ausbrüche an Schulen in Deutschland gebe – und das mit harscher Kritik an den Kultusministern verband. „Mai, Juni, Juli, August – vier Monate hätte man Zeit gehabt“, so Drosten mit Blick auf die Zeit seit den Schulschließungen im Frühjahr. „Jetzt sind wir fast wieder in einer ähnlichen Situation wie damals. Wir werden Probleme kriegen mit der unbeschränkten Schulöffnung, wie sie inzwischen stattgefunden hat.“
Und weiter: „Auch in Deutschland gibt es inzwischen belegte Ausbrüche an Schulen. Da werden wieder einige sagen: Aber es ist doch noch nichts passiert. Klar, weil die Gesundheitsämter darauf achten. Noch haben die Behörden die Kraft, früh zu reagieren. Es gibt Schulklassenquarantänen im Moment, landesweit.“
Am Wochenende legte Drosten im heute-Journal nach. „Über den Sommer haben sich viele junge Leute infiziert“, berichtete er im ZDF-Interview. „Und wir sehen auch jetzt bereits, wie das in andere Altersgruppen diffundiert. Wir sehen jetzt, es geht in die Schüler-Altersgruppen, das kommt wahrscheinlich von der Schulöffnung. Und wir sehen, es geht in die älteren Altersgruppen. Das bedeutet, dass die Sterblichkeit auch wieder steigen wird“, erklärte Deutschlands renommiertester Virologe.
Und die Kultusminister? Schweigen sich zu den Ausbrüchen aus
Von den Kultusministern war zu Corona-Ausbrüchen in Schulen bislang nichts zu hören. Kurz nach Schuljahresbeginn hatte es allerdings bereits Entwarnungen gegeben. „Fast zwei Wochen nach Schuljahresstart können wir erkennen, dass die Schulen selbst kein Hotspot sind“, so erklärte Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) Ende August. Ähnlich äußerte sich der hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU) wenige Tage später: Nach zwei Wochen Unterricht könne festgestellt werden, „dass sich Schulen bislang nicht als Hotspots erwiesen haben“. Gleichlautend NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) zu diesem Zeitpunkt: „Bislang hat es in NRW an keiner Schule einen unkontrollierten Corona-Ausbruch oder gar einen «Hotspot» gegeben.“ „Nach allem was wir wissen, sind unsere Schulen keine Corona-Hotspots“, sagte Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) noch am 10. September. Zuvor hatte er erklärt: „Keiner muss Angst haben, zur Schule zu gehen.“
Mittlerweile aber ist offensichtlich, dass sich Schüler und Lehrer in Schulen mit dem Coronavirus infiziert haben – es also keineswegs nur so ist, dass einzelne Schüler oder Lehrer sich außerhalb der Schule infizieren. Das einzugestehen, fällt Kultusministern aber erkennbar schwer. Bezeichnend der verbale Eiertanz, den Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) nach dem größten bislang in Deutschland bekannt gewordenen Schul-Ausbruch vollzog. Mit Blick auf das Geschehen an einer Schule im Stadtteil Winterhude erklärte Rabe, mindestens zwei Schüler „könnten“ sich in der Schule angesteckt haben. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 29 Infektionen unter Schülern und Lehrern bekannt. Am Tag zuvor hatte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) noch von „möglichen Zufällen“ gesprochen. Am Ende wurden offiziell 36 Infektionen an der Schule gezählt, obwohl lediglich ein Drittel der Schülerschaft getestet wurde. News4teachers
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