BERLIN. Zum ersten Mal in der Corona-Krise sind in dieser Woche das KMK-Präsidium sowie die Spitzen der Verbände von Lehrern, Eltern und Schülern zusammengekommen. Wer von dem Treffen konkrete Ergebnisse oder zumindest fliegende Fetzen erwartet hatte, wurde enttäuscht. Im Anschluss bedankten sich alle Teilnehmer in einer gemeinsamen (sic!) Presseerklärung artig für die „konstruktiven gemeinsamen Gespräche“, die dann irgendwann mal fortgesetzt werden sollen – und das war’s. KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD) sprach sogar von einem „Schulterschluss“.
„In der aktuellen Situation habe ich ein verantwortungsvolleres Handeln der Arbeitgeber erwartet. Die Gewerkschaften werden auf die Blockadehaltung mit Warnstreiks antworten müssen“, sagte Marlis Tepe, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) – das war am 20. September. Der Anlass: Bund und Kommunen hatten in den seinerzeit laufenden Tarifverhandlungen für ihre Beschäftigten, darunter auch Erzieher und Sozialarbeiter, kein konkretes Angebot für eine Lohnerhöhung vorgelegt.
Am vergangenen Mittwoch nun gab es Gespräche des Präsidiums der Kultusministerkonferenz mit Lehrer-, Eltern- und Schülervertretern über den aus Sicht der Gewerkschaften völlig unzureichenden Gesundheitsschutz in Schulen – nach mittlerweile neun Monaten Pandemie das erste Treffen mit Vertretern der Betroffenen, über deren Köpfe hinweg bislang alle Entscheidungen getroffen wurden. Ergebnis: Keins. Angebote der Kultusminister: Keins. Entsprechend groß müsste die Wut der Lehrerorganisationen sein.
Lässt sich so erreichen, was vielen Lehrkräften auf den Nägeln brennt – und was die GEW selbst fordert?
Und was sagt GEW-Chefin Tepe jetzt dazu? „Es ist gut, dass die KMK endlich alle an Schule und Kita Beteiligten zu einem gemeinsamen Austausch eingeladen hat und dieser künftig fortgesetzt werden soll. Die teils kontroverse Debatte war notwendig. Entscheidend ist, dass alle Organisationen dazu beitragen wollen, die Quadratur des Kreises zwischen dem Recht auf Bildung und dem Recht auf Gesundheitsschutz für alle in Kita, Schule und der gesamten Gesellschaft zu bewältigen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten.“ Die Gewerkschaft auf Schmusekurs.
Lässt sich so erreichen, was vielen Lehrkräften auf den Nägeln brennt – und was die GEW selbst und andere Lehrerverbände ja auch seit Monaten fordern?
Wütend zeigt sich beispielsweise die baden-württembergische GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz. „Es kann nicht sein, dass die Maskenpflicht an den weiterführenden und beruflichen Schulen alles ist, was das Kultusministerium für den Schutz der Lehrkräfte, des anderen Personals und der Schüler*innen zu bieten hat. Die Maskenpflicht schützt nur begrenzt. An den Grundschulen gibt es die Hygieneregeln – sonst nichts“, so schimpft sie.
Auch die niedersächsische GEW-Chefin Laura Pooth kritisiert die Schulpolitik scharf – und verlangt konkrete Schritte zur Verbesserung, darunter: „Die GEW fordert das Land auf, unverzüglich eine Million FFP2-Masken anzuschaffen und kostenlos in 2020 zu verteilen. Aufgrund der steigenden Infektionszahlen darf das Kultusministerium nun keine Minute mehr zögern.“ Sie betont: „Die rund 100.000 niedersächsischen Schulbeschäftigten haben ein Anrecht auf den Schutz ihrer Gesundheit.“
In die gleiche Kerbe schlägt Maike Finnern, Landeschefin der GEW in Nordrhein-Westfalen. „Die Lage ist riskant. Wenn die Schulen geöffnet bleiben sollen, müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Die Beschäftigten setzen jeden Tag ihre Gesundheit aus Spiel“, sagt sie – und fordert, „endlich dem Rat des Robert Koch-Instituts (RKI) zu folgen und in der Schule in kleineren Gruppen zu unterrichten, damit der Abstand eingehalten werden kann“. Räume, in denen Lüften nur eingeschränkt möglich ist, müssten umgehend mit wirksamen Luftfiltern ausgestattet werden. „Wir brauchen Gefährdungsbeurteilungen, bessere Hygienemaßnahmen und einen besseren Gesundheitsschutz. Nur so kann die Schließung von Schulen verhindert werden“, betont die Gewerkschafterin.
Kein Bundesland hält sich an die RKI-Empfehlungen für Schulen – GEW-Chefin Tepe „schlägt vor“, das doch zu tun
Tatsächlich hält sich kein Bundesland an die Empfehlungen des RKI zum Schulbetrieb in Risikogebieten, die unter anderem kleinere Lerngruppen vorsehen, um die Abstandsregel in den Klassenräumen wieder einführen zu können. Auch die Arbeitsschutzregeln, die das Bundesarbeitsministerium für Beschäftigte während der Corona-Pandemie erlassen hat, gelten in Schulen nicht, wie News4teachers herausgearbeitet und öffentlich gemacht hat. (“Abstand, Abtrennungen, Masken: Arbeitsministerium erlässt neue Richtlinien für den Arbeitsschutz – die in Schulen allesamt nicht gelten”).
Bemerkenswert: Während die GEW-Landesverbände seit Monaten mit sehr scharfer Kritik auf diese Zustände reagieren, kommt von der Zentrale in Frankfurt/Main wenig. In einer der seltenen Pressemitteilungen zum Thema vom 28. Oktober erklärt Tepe: „Die GEW schlägt vor, dem Rat des Robert Koch-Instituts zu folgen und in der Schule in kleineren Gruppen zu unterrichten.“ Sie schlägt vor? Bei Tarifverhandlungen ließe sich mit bloßen „Vorschlägen“ wohl kein Blumentopf gewinnen.
Kein Wunder also, dass auch KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD), die seit Monaten einen harten und kompromisslosen Schulöffnungskurs verfolgt, voll des Lobes über das Treffen in dieser Woche war. Sie befand: „Das Gespräch war ein wichtiger Austausch mit den Lehrerorganisationen, dem Bundeselternrat und der Bundesschülerkonferenz. Ich möchte mich für die konstruktive Diskussion bei allen Beteiligten bedanken und ich danke sehr herzlich dafür, dass wir in einem gemeinsamen Schulterschluss dafür sorgen wollen, dass wir gemeinsam gut durch diese Krise kommen.“
Wenigstens einer der Teilnehmer machte danach den Mund auf. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, kritisierte den Kurs der Kultusminister in einem Interview mit der „Frankenpost“ heftig: „Nichts zu tun und die Schulen auf Teufel komm raus offen zu halten, das versteht keiner mehr.“
Lehrer zeigen sich empört: Hoffentlich gab’s wenigstens Kaffee und Kuchen…
Die GEW muss sich unterdessen gegenüber empörten Mitgliedern rechtfertigen. “Wir haben eure Kritik und eure und unsere Forderungen dort eingebracht! Viel wichtiger: Die KMK hat eingesehen, dass es weitere Gespräche geben muss und dass wir beteiligt werden müssen! Bei weiteren Treffen werden wir darauf drängen, über ganz konkrete Maßnahmen zur Umsetzung unserer Forderungen zu reden. Ganz sicher: Wir bleiben euer Sprachrohr!“, so heißt es auf Twitter. Ein Leser kommentiert: “Hoffentlich gab’s wenigstens Kaffee und Kuchen…” News4teachers
