Website-Icon News4teachers

Brinkmann: Die Entscheidung, auf Einschnitte wie Schulschließungen zunächst zu verzichten, hat 30.000 Menschen das Leben gekostet

Anzeige

BERLIN. Die Virologin Prof. Melanie Brinkmann hat vorgerechnet, dass die von den Ministerpräsidenten verweigerten Kita- und Schulschließungen sowie die insgesamt unzureichenden Kontaktbeschränkungen im Herbst 30.000 Menschen in Deutschland das Leben gekostet haben. Wertvolle Zeit sei verloren worden – was die Welle hochgetrieben habe. „Die Schulen blieben auf, die Mobilität blieb hoch. Allein diese zwei Wochen Verzögerung bis Anfang November haben uns in den letzten drei Monaten etwa 30.000 Menschenleben gekostet“, so erklärte die renommierte Wissenschaftlerin, die zum Beraterstab der Bundeskanzlerin gehört, gegenüber dem „Spiegel“. Sie warnt: „Jetzt, mit den neuen Varianten, passiert wieder das Gleiche.“

Hochansteckende Corona-Mutationen bereiten den Virologen sorgen. Illustration: Shutterstock

„Es geht weniger darum, immer härtere Maßnahmen einzuführen, als die bestehenden konsequenter anzuwenden. Wir müssen auch besser kontrollieren, dass sich alle daran halten. Quarantäne ist Quarantäne – da kann ich nicht draußen herumspringen. Und kurzfristig müssen wir die Schulen geschlossen halten, sonst kriegen wir sie wegen der ansteckenderen Varianten sehr, sehr lange nicht mehr richtig geöffnet“, sagt Brinkmann.

Zwar haben die Länder einen Lockdown für den Kita- und Schulbetrieb vereinbart. Tatsächlich aber gibt es viele Ausnahmen – von der Notbetreuung bis zu Abschlussklassen –, wodurch Hunderttausende von Kindern und Jugendliche sowie Erzieher und Lehrkräfte tagtäglich in die Bildungseinrichtungen kommen.

Anzeige

“Die Politik wird garantiert nicht lockern können, ohne einen Schub an Neuinfektionen zu riskieren”

Mit Blick auf den nächsten Bund-Länder-Gipfel in der kommenden Woche sagt Brinkmann: „Die Politik wird garantiert nicht lockern können, ohne einen Schub an Neuinfektionen zu riskieren. Bis dahin liegen auch bessere Zahlen auf dem Tisch, wie sehr die Virusvarianten in Deutschland verbreitet sind. Die Kurve steigt stark an. Ob die Englandmutante nun um 30 oder 50 Prozent infektiöser ist, sei mal dahingestellt. Aber selbst bei nur 30 Prozent haben wir eigentlich eine ganz neue Pandemie, draufgesattelt auf die bisherige. Die neue läuft sich sozusagen im Hintergrund gerade warm, ohne dass wir das schon klar erkennen können. Bereits mit den noch geltenden, zum Teil halbherzig befolgten Verboten kommen wir dann nicht mehr klar. Wir geraten wieder in ein exponentielles Wachstum und werden noch rigoroser infektiöse Kontakte verhindern müssen. Die Frage ist nur, ob wir es einmal richtig tun, hart, konsequent. Oder ob wir in eine Dauerschleife von kurzem Öffnen und langem Schließen gehen.“

Brinkmann spricht sich entsprechend für eine „No-Covid“-Strategie aus (nicht nur ein Absenken auf einen Inzidenzwert von 50, wie von den Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel vereinbart). Ansonsten drohe ein starker Anstieg der Zahl der Todesopfer – sowie viele Erkrankungen von Jüngeren, auch Kindern.

„Dazu müssen wir nur in andere Länder blicken, die bei Inzidenzen um die 50 geöffnet haben – und prompt sind die Zahlen wieder hochgegangen. In Irland zum Beispiel nach Weihnachten; daran war nicht nur die neue Variante schuld, die zu der Zeit dort zu zirkulieren begann. Und selbst wenn man es am Ende einigermaßen hinbekäme, die Zahl der Neuinfektionen nicht allzu hoch schießen zu lassen, die Zahl der Toten auch in der jüngeren Bevölkerung wäre viel zu hoch.“ Ihren Schätzungen zufolge würden, wenn die Schutzmaßnahmen plötzlich aufgehoben würden, „180.000 Menschen in Deutschland unter 60 Jahren, die das nächste Frühjahr nicht erleben (..). Auch Kinder würden sterben.“

Zwei Bundesländer haben angekündigt, Schulen im März wieder für alle Jahrgänge zu öffnen

Zwei Bundesländer, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, haben bereits angekündigt, die Schulen im März für alle Jahrgänge öffnen zu wollen – und zwar (fast) unabhängig vom dann herrschenden Infektionsgeschehen. Für eine Öffnung der Schulen in seinem Land müsse die angestrebte Sieben-Tage-Inzidenz von unter 50 noch gar nicht erreicht sein, entscheidend sei ein rückläufiger Trend – sagte Niedersachsens Kultsuminister Grant Hendrik Tonne. In Sachsen-Anhalt soll sogar ein Inzidenzwert von weniger als 200 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern und Woche reichen, um den Schulbetrieb im März wieder hochfahren. Dann soll es für Grundschüler wieder täglichen Unterricht in festen Gruppen geben. Ältere Jahrgänge würden aufgeteilt und sollen abwechselnd in der Schule und zuhause lernen, kündigte Bildungsminister Marco Tullner (CDU) an. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zum vollständigen Interview mit Melanie Brinkmann im “Spiegel”.

„Schulen sind keine Treiber der Pandemie“: Drosten erklärt den Kultusministern, warum der Satz keinen Sinn macht 

Anzeige
Die mobile Version verlassen