Website-Icon News4teachers

Große Mehrheit der Bürger will Schüler sofort in den Präsenzunterricht zurückschicken

Anzeige

BERLIN. Sollen Schülerinnen und Schüler noch in Wechselunterricht oder mit Homeschooling beschult werden? Die meisten Bundesbürger haben eine klare Meinung. Die Politik diskutiert, wie mit Impfungen wohl ein geordneter Schuljahresbeginn hinbekommen werden kann. Der VBE fordert, die Klassenräume endlich mit Luftfiltern auszustatten.

Sitzt die Maske? Foto: Shuterstock

Knapp zwei Drittel der Bundesbürger sind unter Einhaltung von Test- und Hygienekonzepten für eine sofortige Rückkehr der Schulen zum Präsenzunterricht. 65,2 Prozent sind einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Civey im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion auf jeden Fall oder eher dafür. 24,7 Prozent sind auf jeden Fall oder eher dagegen. Jeder Zehnte ist unentschieden. Die Mehrheit für die sofortige Rückkehr zum Präsenzunterricht reicht von 78,3 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern bis 55 Prozent in Bremen.

Die Frage, die den Bürgern vorgelegt worden war, lautete: «Sollen bundesweit alle Schulen unter Einhaltung von Test- und Hygienekonzepten sofort zum Präsenzunterricht zurückkehren?» Welche «Hygienekonzepte» gemeint sind (Abstandsregel?), wurde den Befragten nicht erklärt.

Anzeige

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding sagte, jede Verzögerung einer Rückkehr zum Präsenzunterricht sei ein Bruch des Versprechens, die Schulen bei sinkenden Fallzahlen als erstes wieder zu öffnen. «Luftfilter, Schnelltests, Impfungen für Lehrkräfte ermöglichen sicheren Präsenzunterricht», sagte Suding. «Es gibt längst keinen Grund mehr, Kindern ihr Recht auf Bildung auch nur einen Tag länger zu verwehren.» Gibt es doch: Luftfilter sind in Klassenräumen praktisch nicht existent, längst nicht alle Lehrkräfte sind geimpft – die Schüler und ihre Familien schon gar nicht. Die Schnelltests erkennen Infektionen nicht zuverlässig. Die Folge: Die Inzidenzen unter Kindern und Jugendlichen sind immer noch deutlich höher als im Bevölkerungsdurchschnitt, wie News4teachers berichtete.

«Solange die Inzidenzen niedrig sind, werden wir wahrscheinlich öffnen, öffnen, öffnen»

Befürchtet wird zudem ein Jojo-Effekt: «Solange die Inzidenzen niedrig sind, werden wir wahrscheinlich öffnen, öffnen, öffnen. Wir fangen bei Schulen, Restaurants und Geschäften an, dann kommen Tourismus, Veranstaltungen und Feiern mit immer größeren Gruppen. Wir werden so lange lockern, bis wir wieder an einen effektiven R-Wert von 1 herankommen, ab dann werden die Inzidenzen wieder steigen», so erkärte die Physikerin Viola Priesemann vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation unlängst im “Spiegel”.

«Aber der Anstieg wird – wie auch im vergangenen Jahr – wahrscheinlich zunächst nicht ernst genommen werden, weil ja ein guter Teil der Bevölkerung geimpft ist», sagte sie und rechnete vor: «Bisher dürften sich etwa zehn Prozent der Bevölkerung mit dem Coronavirus infiziert haben. Schon das hat gereicht, um Krankenhäuser über Wochen an die Belastungsgrenze zu bringen. Im Herbst hätten wir mit 30 Prozent ungeimpften Personen noch dreimal so viele Menschen, die potenziell krank werden könnten.»

In den Ländern wird die Frage teils kontrovers diskutiert. So sollen in Nordrhein-Westfalen alle 2,5 Millionen Schüler ab dem 31. Mai wieder Präsenzunterricht erhalten – bei einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern. Die Landeselternkonferenz kritisierte dort, die Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI), erst bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von weniger als 50 zu öffnen, werde ignoriert.

In Niedersachsen wechseln Schulen und Kindergärten vom 31. Mai an in den Präsenz- und Regelbetrieb, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in den jeweiligen Kreisen und Großstädten stabil unter 50 liegt. Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hatte in einem Interview gesagt, sie hoffe auf «ein bisschen Normalität» an den Schulen nach den Pfingstferien. Die Brandenburger Landesregierung wollte an diesem Dienstag über die Wiederaufnahme des vollen Präsenzunterrichts an Grundschulen beraten.

Laut dem jüngsten Tagesbericht des RKI sank in den vergangenen Wochen der Sieben-Tage-Wert der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in allen Altersgruppen. Covid-19-Ausbrüche beträfen vor allem private Haushalte, aber auch das berufliche Umfeld sowie Kitas und Schulen. Mehr als 112.000 Fälle sind aus Kitas, Horten und Schulen gemeldet. 46.000 Mal waren dort Beschäftigte wie etwa Lehrkräfte betroffen.

Die Politik denkt inzwischen verstärkt über den künftigen Schulbetrieb nach, für den die Bundesländer zuständig sind. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hatte am Wochenende von allen Ländern einen Fahrplan für Impfungen von Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren gefordert, möglichst bis zum Beginn des kommenden Schuljahres, damit «nach den Sommerferien überall der Schulbetrieb wieder relativ normal beginnen kann», wie die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte. Nach dem Willen der Ministerin soll sich der Impfgipfel von Bund und Ländern am Donnerstag mit dem Thema befassen.

«Das erklärte Ziel ist, dass die Länder den minderjährigen Schülern bis Ende August ein Impfangebot machen»

Bis zum Schulbeginn wird das für alle allerdings kaum zu schaffen sein. Denn die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) will zwar möglichst noch in diesem Monat über die Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer für ältere Kinder entscheiden. Aber die Ständige Impfkommission behält sich vor einer Empfehlung noch eine Prüfung vor. Und die Sommerferien enden für die ersten Länder bereits Ende Juli. Wenn die älteren Kinder also bis dahin durchgeimpft sein sollen, die Zweitimpfung ihre volle Wirkung entfaltet haben soll und das Impfintervall analog zu Erwachsenen sechs Wochen betragen würde, müssten die ersten Kinder bereits Anfang/Mitte Juni ihre erste Spritze erhalten.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuvor einen späteren Zeitpunkt als möglichen Beginn von Corona-Impfungen für Schüler genannt. «Das erklärte Ziel ist, dass die Länder den minderjährigen Schülerinnen und Schülern bis Ende August ein Impfangebot machen», sagte der CDU-Politiker der «Bild am Sonntag». Dazu müssten Impfdosen von Biontech/Pfizer reserviert werden.

Der US-Pharmahersteller Moderna will nach Interviewangaben seines Vorstandschefs Anfang kommenden Monats ebenfalls eine europäische Impfstoffzulassung für Kinder und Jugendliche von 12 bis 17 Jahren beantragen.

Der Städte- und Gemeindebund und die Bildungsgewerkschaft VBE forderten bereits, den Corona-Infektionsschutz an Schulen für das kommende Schuljahr zu verbessern. «Es ist geradezu fahrlässig, weiterhin nicht alle technischen Möglichkeiten zu nutzen, um ein möglichst sicheres Schulumfeld zu etablieren», sagte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann am Montag. «Mit dem nahenden Sommer vor der Tür muss daher dringend die Nachrüstung der Lernräume mit mobilen oder stationären Lüftungssystemen angegangen werden. Es wurde schon viel Zeit vertan.» Mehr als ein Jahr, um genau zu sein. News4teachers / mit Material der dpa

Sorge vor Jojo-Effekt: Bei Kindern und Jugendlichen sinken die Infektionszahlen – gehen die mit den Schulöffnungen wieder rauf?

Anzeige
Die mobile Version verlassen