WIESBADEN. Zu Hause alleine lernen, kein Sportverein, kaum Kontakt zu Gleichaltrigen: Dies hat vielen Schülerinnen und Schülern in der Corona-Pandemie auf die Seele gedrückt. Forscher mahnen, nicht nur Bildungslücken in den Blick zu nehmen.
Familienforscher warnen davor, die psychischen Belastungen durch die Corona-Pandemie auf Schülerinnen und Schüler zu unterschätzen. „Die Auswirkungen von Schulschließungen auf die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen sind offensichtlich gravierender als bisher angenommen“, erklärt der stellvertretende Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), Martin Bujard. Speziell seien jugendliche Mädchen und junge Menschen mit Migrationshintergrund betroffen.
„Das Offenhalten der Schulen sollte hohe Priorität haben, damit sich psychische Belastung und Lernrückstände nicht noch weiter verstärken können“, so Bujard. Hochrechnungen hätten ergeben, dass nach dem ersten Lockdown 2020 rund 477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren in einer Selbsteinschätzung Symptome einer Depression gezeigt hätten. Dies entspräche etwa 25 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe – im Vergleich zu zehn Prozent bei einer Befragung im Jahr vor der Pandemie.
Der Blick auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen muss daher nach Einschätzung des Experten ebenso wichtig sein wie das Schließen von Bildungslücken. „Kontakte mit Gleichaltrigen, Lebensfreude und altersgerechte Erlebnisse in Sport, Freizeit oder Reisen sind daher zukünftig zentral, nicht nur Nachhilfeangebote“, heißt es in der BiB-Publikation.
Warnung vor ernsthaften psychischen Erkrankungen
Psychisch gesunde und selbstsichere Kinder könnten mögliche Lernrückstände deutlich schneller und leichter aufholen, erklären die Experten. Hilfreich seien beispielsweise Programme, die Kindern aus wirtschaftlich schwachen Familien die Teilnahme an Ausflügen und Schulfahrten finanzierten.
„Wenn Kinder und Jugendliche wieder Zeit für Aktivitäten mit Gleichaltrigen bekommen und Lebensfreude zurückgewinnen und das schulische Aufholen ohne zu viel Druck und Verunsicherung gestaltet wird, wird sich auch die psychische Belastung der Jugendlichen verringern können“, heißt es in der Studie. Werde aber schulischer Druck ausgeübt und die Schülerinnen und Schüler verunsichert, drohten ernsthafte psychische Erkrankungen.
Nach den Worten von Bujard ist es jedoch nicht gerechtfertigt, pauschal von einer „verlorenen Generation“ zu sprechen. „Rund zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen sind trotz mancher Schwierigkeiten relativ gut durch die bisherigen pandemiebedingten Einschränkungen gekommen.“ dpa
Umfrage unter Gymnasiallehrern: Mehr Schüler psychisch belastet
