STUTTGART. Trotz der rasant steigenden Corona-Zahlen will Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann Schulen und Hochschulen «so lange wie möglich» offenhalten. Die Lage sei allerdings so dramatisch, dass man nichts ausschließen könne, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. Die Schulbesuchspflicht soll – anders als in Sachsen und in Brandenburg (News4teachers berichtet) – jedoch nicht ausgesetzt werden. Vorerst nicht.
Man habe gesehen, so Kretschmann, dass die Corona-Lockdowns mit Fernunterricht bei vielen Kindern und Jugendlichen vor allem aus bildungsferneren Schichten «erhebliche Schäden» verursacht habe. Deswegen werde man hier epidemiologische und pädagogische Fragen genau miteinander abwägen. «Da gehen wir wirklich ganz zum Schluss erst ran», versprach Kretschmann mit Blick auf die Schulen. Eine erneute Aussetzung der Präsenzpflicht sei anders als etwa in Brandenburg zunächst nicht vorgesehen.
Zur Erinnerung: Zwischen Weihnachten 2020 und Pfingsten 2021 waren vor allem Schülerinnen und Schüler der Unter- und Mittelstufe fast sechs Monate im Lockdown gewesen, während Abschlussklassen teilweise in Präsenz unterrichtet wurden. Das hatte zu massiver Kritik geführt. Im vergangenen Schuljahr war in Baden-Württemberg zudem die Schulbesuchspflicht aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt worden.
8.000 Kinder sitzen in Quarantäne fest – das sei «im Verhältnis planbar und überschaubar», meint der Gesundheitsminister
Sozialminister Manne Lucha (Grüne) hält die Lage an den Schulen derzeit für beherrschbar. Von etwa 65.000 Klassen seien derzeit gut 130 von einer Infektion betroffen. Zwei von den rund 4.500 Schulen seien geschlossen, eine Waldorf- und eine Grundschule. Von den über eine Million Schülerinnen und Schülern befänden sich derzeit 8.000 in Quarantäne. Das sei «im Verhältnis planbar und überschaubar», sagte Lucha. Er sei auch stolz darauf, dass die Zahl der zweimal Geimpften unter den 12- bis 17-Jährigen nun bei 44 Prozent liege.
Schaut man sich die Inzidenzen unter Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg an, sieht das Bild allerdings anders aus: Laut aktuellem Corona-Lagebericht des Landesgesundheitsamts haben sich die Corona-Infektionen unter Kita-Kindern und Schülern praktisch verdoppelt – in nur einer Woche. Die Anzahl der gemeldeten Infizierten bei Schulausbrüchen liegt auf Rekordniveau. Die landesweite Inzidenz unter Sechs- bis 19-Jährigen übertrifft die aller anderen Altersgruppen bei Weitem; sie liegt bei knapp 800 – so hoch wie noch nie in der Pandemie.
Sebastian Mohr, Physiker und Statistiker in einer Wissenschaftler-Gruppe um die Max-Planck-Forscherin Viola Priesemann, sammelt aktuelle Corona-Daten und veröffentlicht sie fortlaufend in einer Übersichtskarte mit Inzidenzen in den Städten und Kreisen in Deutschland, die sich auch nach Alter spezifizieren lässt. Geschätzt ein Viertel aller Städte und Landkreise in Baden-Württemberg weist danach für Fünf- bis 14-Jährige Inzidenzen über 1.000 aus, darunter der Bodenseekreis mit 1.214, die Stadt Heilbronn mit 1.277 und der Ortenaukreis mit 1.312.
«Kitas und Schulen werden schließen müssen, wenn die Regierung Kretschmann weiter so halbherzig handelt»
«Die Regierung Kretschmann behauptet in Sonntagsreden, dass Kitas und Schulen offenbleiben. Das wird nicht funktionieren, wenn sie weiter so halbherzig handelt», sagte GEW-Landeschefin Monika Stein am vergangenen Freitag. Sie fordert schnelle flächendeckende Angebote für Booster-Impfungen von Lehrkräften und Kita-Beschäftigte. «Warum steht nicht jede Woche zumindest in den großen Schulzentren im Land ein mobiles Impfteam?», fragte Stein. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zum aktuellen Corona-Lagebericht des Landesgesundheitsamts Baden-Württemberg.
