BERLIN. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gehörte – vor seiner Ernennung zum Bundesgesundheitsminister vor zwei Wochen – zu den scharfen Kritikern eines Durchseuchungskurses bei Kindern und Jugendlichen. Kaum in der Verantwortung, ist davon nichts mehr zu hören: Der Bund-Länder-Gipfel bleibt zum Thema Schulen stumm. Dabei hatte Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, zuvor noch auf eine Verlängerung der Weihnachtsferien und anschließenden Wechselunterricht gedrängt. Lauterbach soll sich auf dem Gipfel empört haben – über Wieler.
Der Mediziner, SPD-Gesundheitsexperte und mittlerweile zum Gesundheitsminister aufgestiegene Prof. Karl Lauterbach zeigte sich noch Mitte Oktober über die hohen Inzidenzen bei Schülerinnen und Schülern besorgt. „Wenn es zu Lockerungen kommt, rechne ich mit noch höheren Inzidenzen bei Kindern“, sagte er seinerzeit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf die in den meisten Bundesländern geplante Streichung der Maskenpflicht im Unterricht – die dann auch kam, etwa in Nordrhein-Westfalen. „Das ist eine Gefahr, denn wir werden große Probleme mit Long Covid bei Kindern bekommen.“
„Wenn Kinder jetzt nicht schnell geimpft werden, droht Durchseuchung. Die Covid-Verharmlosung bei Kindern muss enden“
Gegenüber dem RND nannte Lauterbach das unzureichende Lüften in den Schulen als wichtigsten Grund für die steigenden Inzidenzen bei Kindern. „Draußen sinken die Temperaturen und die Schulen können nicht mehr so lange lüften. Dieses Problem wird uns die nächsten Monate weiter beschäftigen.“ Er forderte: „Kinder sollten geimpft werden, weil die Impfung sicher ist, der Ausgang von Covid für sie aber nicht. Wenn Kinder jetzt nicht schnell geimpft werden, droht Durchseuchung. Die Covid-Verharmlosung bei Kindern muss enden.“
Wann werden Schulen endlich sicher gemacht? Hier sind auf weiter Flur keine #Luftfilter zu sehen. Was ist mit Abstand? Wo sind FFP2-Masken?
So wird das nichts. Grüße aus der Schule – die #Kinderdurchseuchung läuft. Frohe Weihnachten.— Frau Rektorin Ba-Wü (@FrauRektorin) December 21, 2021
Nun ist die Maskenpflicht im Unterricht bundesweit wieder eingeführt worden, ansonsten aber gibt es praktisch keine Schutzmaßnahmen in Schulen. Eine Abstandsregel gibt es nicht. Gelüftet wird im Winter nicht ausreichend. Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es zwar mittlerweile einen Impfstoff, aber keine generelle Impfempfehlung durch die Ständige Impfkommission (Stiko).
Das hat Folgen: Allwöchentlich infizieren sich nach übereinstimmenden Daten von KMK und RKI rund 100.000 Kinder und Jugendliche neu. Zuletzt sanken die Zahlen etwas (wohl wegen der Wiedereinführung der Maskenpflicht); in der vergangenen Woche wurden von der KMK noch 86.000 Corona-Infektionen bei Schülerinnen und Schülern gemeldet (Vorwoche: 96.000). Gleichwohl ist das Niveau des Infektionsgeschehens unter Kindern und Jugendlichen laut RKI nach wie vor extrem hoch: Bei den Fünf- bis Neunjährigen liegt die Inzidenz bei 888, bei den Zehn- bis 14-Jährigen bei 905 – und damit nach wie vor mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller Altersgruppen.
Und nun kommt Omikron. Die Omikron-Variante löse „eine neue Dimension im Pandemiegeschehen aus“, sagt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). „Die 5. Welle wird kommen. Omikron stellt alles in den Schatten, was wir bisher in Pandemie gesehen haben“, meint auch Lauterbach (via Twitter).
Das sieht das Robert-Koch-Institut ebenfalls so. Es empfiehlt wegen der sich bereits aufbauenden Omikron-Welle die sofortige Umsetzung eines umfassenden Maßnahmen-Bündels, ähnlich wie es bereits die Niederlande, Belgien und Dänemark beschlossen haben. Zunächst bis Mitte Januar sollten laut einem RKI-Tweet vom Dienstag gelten: «maximale Kontaktbeschränkungen», maximale Maßnahmen zum Infektionsschutz, maximale Geschwindigkeit beim Impfen und das Verringern von Reisen auf «das unbedingt Notwendige». In einem zugehörigen Strategiepapier empfiehlt das Institut zudem eine Verlängerung der Weihnachtsferien für Kitas und Schulen. Danach sei zu prüfen, ob im Anschluss Präsenzunterricht oder Distanz-, Hybrid-, oder Wechselunterricht stattfinden kann.
Lauterbach kritisiert RKI-Chef Wieler auf dem Gipfel – für dessen Kommunikation
Und was kommt vom Bund-Länder-Gipfel zum Thema Kitas und Schulen? Nichts, jedenfalls keine Ankündigung von zusätzlichen Infektionsschutzmaßnahmen wie der Wiedereinführung der Abstandsregel in den Klassenräumen. Stattdessen: Kritik an der Kommunikation des RKI. Lauterbach (SPD) sagte in der Schalte, es gebe keine wissenschaftliche Zensur, die Veröffentlichung des Strategiepapiers sei aber „nicht abgestimmt“ gewesen, wie die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern erfuhr. Das dürfe nicht passieren. Lauterbach hatte einen Lockdown der Bildungseinrichtungen bereits am Wochenende via „Bild-TV“ praktisch ausgeschlossen. Kitas und Schulen würden wohl geöffnet blieben, meinte er – auch im Januar.
#Lauterbach 2020 – da gab‘s noch nicht mal #Omikron pic.twitter.com/mhusqzpuYc
— Jutta Ditfurth (@jutta_ditfurth) December 22, 2021
Eine Einschränkung: „Wir müssen die Kinder in der Schule dazu anhalten: Es muss Maske getragen werden.“ Es wäre ein Fehler, ohne Maske jetzt zu unterrichten, da dann viele Kinder in Quarantäne müssten und der Unterricht ausfiele. Zu Infektionen unter Kindern, vor denen er selbst noch vor wenigen Wochen gewarnt hatte? Kein Wort. News4teachers / mit Material der dpa
Lauterbach warnt vor Langzeit-Folgen: „Covid-Verharmlosung bei Kindern muss enden“
