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Studie: Je mehr außerfamiliäre Betreuung, desto mehr Verhaltensauffälligkeiten

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ZÜRICH. Der Ausbau der Kinderbetreuung gilt gemeinhin als elementarer Bestandteil der Familienförderung. Zürcher Wissenschaftler haben die Auswirkungen der außerfamiliären Betreuung auf die Kinder untersucht.

Die Kita-Kollegien haben alle Hände voll zu tun. Foto: Shutterstock

Von der U3-Betreuung bis zum Rechtsanspruch auf eine Ganztagsplatz, die Kinderbetreuungsangebote in Deutschland sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark ausgebaut worden. Doch der Bedarf ist längst nicht gedeckt. Nach einem Jahr zu Hause zurück in den Beruf, die Kinder nach U3-Betreuung und Kita-Zeit in der Schule ganztägig betreut, das ist für junge Familien heutzutage schon zum Standardmodell geworden. Dabei ist das Thema nach wie vor heftig umstritten.

Doch wie wirkt sich die außerfamiliäre Betreuung auf die Entwicklung vom Kindes- bis ins Jugendalter aus? Wissenschaftler der Universität Zürich haben untersucht, wie die externe Kinderbetreuung die Entwicklung des Kindes bis ins Erwachsenenalter beeinflusst. Für die Studie befragten sie rund 1.300 Zürcher Schulkinder, ihre Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer. Das Ergebnis: Je mehr Zeit in Krippen oder bei Tagesmüttern verbracht wurde, desto eher zeigten sich auffallende Verhaltensweisen, die nach dem Primarschulalter allerdings wieder verschwanden. Die Daten stammen aus einem Zürcher Projekt zur sozialen Entwicklung von der Kindheit ins Erwachsenenalter. Sie umfassen Schulkinder von 7 Jahren bis zum Alter von 20 Jahren.

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Auswirkungen im Grundschulalter

Rund 67 Prozent dieser Kinder wurden vor dem Kindergartenalter fremd betreut. Davon besuchten 32 Prozent eine Kindertagesstätte, 22 Prozent eine Spielgruppe. Weitere 22 Prozent waren zeitweise bei Familienmitgliedern, 3 Prozent bei Bekannten oder Nachbarn, 12 Prozent bei Tagesmüttern. Die Forscher befragten die Kinder wie auch die Eltern und Lehrpersonen zu auffallend extrovertiertem oder introvertiertem Verhalten, zu Straffälligkeit und Drogenkonsum. Dabei zeigte sich, dass sich die im Primarschulalter beobachteten Verhaltensweisen je nach Auskunftgeber und je nach besuchter externer Betreuung unterschieden.

Nach Einschätzung der Eltern zeigten die Grundschülerinnen und Grundschüler mehr Aggressivität, ADHS-Symptome, aber auch Ängstlichkeit und Depressivität, je mehr Zeit sie im Vorschulalter in einer Krippe verbrachte hatten. Die Angaben der Kinder selbst weisen teilweise in dieselbe Richtung.

Laut den Lehrerinnen und Lehrern sind Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeitsprobleme oder aggressives Verhalten eher bei denjenigen Schülerinnen und Schülern zu beobachten, die mehr als zwei Tage pro Woche bei einer Tagesmutter verbracht oder an mindestens drei Tagen pro Woche eine Spielgruppe besucht hatten.

Auffallende Verhaltensweisen verschwinden meist wieder

Wie lassen sich diese Befunde erklären? «Einerseits ist es möglich, dass eine externe Kinderbetreuung zu einer weniger sicheren Bindung und Interaktion zwischen Eltern und Kindern führen kann», sagt Studienautorin Margit Averdijk. Andererseits könnten Kinder in Krippen und Spielgruppen das Problemverhalten von Gleichaltrigen nachahmen und es teilweise auch einsetzen, um von den Betreuerinnen und Betreuern Aufmerksamkeit zu erhalten.

«Obwohl wir nicht direkt prüfen konnten, welche dieser Mechanismen unsere Ergebnisse am wahrscheinlichsten erklären, unterstützen beide unsere Ergebnisse», erklärt die Forscherin. Die gute Nachricht: Die in der Grundschule beobachteten Verhaltensauffälligkeiten nähmen mit der Zeit ab und verschwinden ab dem 13. Lebensjahr weitgehend. Nur die Symptome von ADHS hielten sich etwas hartnäckiger.

Die Forschenden fanden auch keine Hinweise darauf, dass externe Kinderbetreuung generell mit Straffälligkeit und Drogenkonsum im Jugendalter zusammenhängt. Einzig bei Kindern aus prekären Verhältnissen gehe eine häufige Krippenbetreuung im Vorschulalter mit mehr Substanzkonsum im Jugendalter einher. «Es scheint, dass solche Kinder mit zunehmendem Alter auch eher zu Ängsten oder depressiven Symptomen neigen. Diese können sich aufgrund der Abwesenheit ihrer Eltern weiter verstärken», erklärt Averdijk.

«Unsere Studie beleuchtet mögliche ungünstige Zusammenhänge zwischen externer Kinderbetreuung und der kindlichen und späteren Entwicklung», fasst Mitautor Manuel Eisner zusammen. Der Soziologieprofessor warnt jedoch davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Zwar entspräche die Studie höchsten wissenschaftlichen Qualitätsstandards, basiere aber auf Beobachtungs- und Befragungsdaten, mit denen sich Rückschlüsse auf ursächliche Zusammenhänge nicht immer klar ziehen ließen. Auch konnte die Qualität der außerfamiliären Betreuung in der Studie nicht berücksichtigt werden. (pm)

Studie: Margit Averdijk, Denis Ribeaud, and Manuel Eisner. External childcare and socio-behavioral development in Switzerland: Long-term relations from childhood into young adulthood.

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