BERLIN. Die Situation in den Schulen – ist vielerorts immer noch im Krisenmodus. Die absehbare Lage für die Bildungseinrichtungen im Herbst und im Winter – ist laut Experten kritisch. Dass Kultusminister und der Bund-Länder-Gipfel zwar Schulschließungen kategorisch ausgeschlossen, aber bislang keinerlei Schutzmaßnahmen für Lehrkräfte und Schüler in Aussicht gestellt haben, sorgt für viel Diskussionsstoff auf News4teachers. Lehrkraft „Schattenläufer“ bringt in zwei Kommentaren die Stimmung auf den Punkt. Wir veröffentlichen die beiden überaus lesenswerten Posts an dieser Stelle noch einmal prominent.
Bezogen auf den Beitrag „’Chronische Überlastung’: Lehrkräfte sehen sich am Limit – ihre Schüler auch (Verhaltens-Auffälligkeiten nehmen zu)“ kommentiert Schattenläufer:
„Das kann ich nur bestätigen. Woran liegt das? Ganz einfach. Die Bildungsministerien haben in den nunmehr fast drei Jahren der Pandemie nicht nur den Gesundheitsschutz sträflich vernachlässigt, sie haben die Anforderungen, trotz der Mehrbelastung, um keinen Deut reduziert. Eher im Gegenteil!
Statt Stundenzahlen der Klassen auf ein Notprogramm zu schalten, wurden an Schulen mit 30-40% erkrankten Kollegen die Fehlstunden durch Vertretungen und Mitbetreuungen aufgefangen. Zusätzliche Belastungen durch Masken, Händewaschen, Testungen und Wechselunterricht fanden keinen Niederschlag in einer Reduzierung der Inhalte. Die fehlende Zeit musste einfach aufgefangen werden.
“Ich kann schon jetzt voraussagen, dass das nicht gut gehen wird. Weder in den Krankenhäusern noch an den Schulen”
Die Arbeitsbedingungen haben, speziell im Winter, einen neuen Tiefpunkt erreicht, bei den Temperaturen ist dies sogar wörtlich zu nehmen. Sinnlose Reformen wurden nicht aufgeschoben, sondern so durchgezogen, als gäbe es Corona nicht. Distanzunterricht machte es erforderlich, dass die Digitalisierungsmöglichkeiten der Schulen kurzfristig ausgebaut wurden. Natürlich durch die Lehrer. Alle Konferenzen fanden statt. Sogar Qualitätsaudits wurden 1 zu 1 durchgeführt.
Den Schulen geht es wie den Krankenhäusern. Man hat die Belastung stark erhöht, um einer akuten Notsituation zu begegnen. Ist ja nur für kurze Zeit, da müssen wir durch. Wir vertrauen auf ihre Mitarbeit. Den Schülern zuliebe…
Jetzt zeigt sich, dass diese Notsituation zur neuen Normalität werden könnte. Gefragt wären also ein personeller Ausbau oder neue Konzepte. Ich habe aber den Eindruck, dass nichts davon in Sicht ist. Vielmehr wird die hohe Belastung der Mitarbeiter an Schulen und Krankenhäusern auch zur neuen Realität werden. So stellen sich das aus meiner Sicht jedenfalls die Ministerien vor. Geht doch auch so. Haben wir ja jetzt gesehen.
Ich kann schon jetzt voraussagen, dass das nicht gut gehen wird. Weder in den Krankenhäusern noch an den Schulen. Auf Dauer wird diese Überbelastung zu einem Teufelskreis aus Berufsausstiegen, Frühpensionen, Burnouts und Resignation führen. Dadurch wird die Personal-Not noch größer, was wir dann durch Mehrarbeit der letzten Überlebenden wieder zusätzlich auffangen sollen. „Last men standing“ heißt das Spiel.
Zum Artikel „Selbst Test- und Maskenpflicht wackeln: Bleibt der Corona-Schutz für Kitas und Schulen in diesem Winter komplett auf der Strecke?“ schreibt Schattenläufer:
“Der Schutz an Schulen wird wohl weitestgehend auf der Strecke bleiben, dafür sprechen viele Gründe.
Die Verwahrung der Schüler zum Wohle der Wirtschaft, die die Eltern uneingeschränkt als Arbeitskräfte braucht, ist inzwischen als staatstragend durchgesetzt. Schulschließungen und Distanzunterricht sind als Mittel also so weit in den Hintergrund gerückt , dass es schon zu einer echten Katastrophe kommen muss; um dies in Betracht zu ziehen.
Schutz durch Luftfilter, Masken und Tests kostet Geld. Es hat aber Tradition für Schulen, kein Geld auszugeben. Quarantänen sind ebenfalls unangenehm für die Wirtschaft, da sie teilweise den Einsatz von Eltern begrenzen. Daher wurde auch dieses Mittel bis zur bis zur Wirkungslosigkeit ausgehöhlt.
Kleinere Klassen, gekürzte Lehrpläne und angepasste Konzepte wie Wechselunterricht machen organisatorisch Arbeit und jemand muss das verantworten. Das werden die Bildungsministerien nicht auf sich nehmen.
Wie könnte also das optimale Konzept für Wirtschaft und Politik aussehen? Vollzeitschule in Präsenz für die Wirtschaft. Ablaufe, Lerninhalte und Klassengrößen, als ob es kein Corona gibt – zur Schonung der Verantwortlichen in den Ministerien. Keine baulichen Maßnahmen, Verbesserungen der Technik oder Aufstockungen des Personals zur Vermeidung von Ausgaben.
“Die restliche Bevölkerung interessiert sich nur insofern für Schule, als es wünschenswert ist die nervigen Kinder morgens los zu sein”
Geplant ist als wohl ein Unterricht ohne Tests und Quarantänen. Damit kann man schon mal hoffen, dass ein Teil der Herbstwelle gar nicht auffällt. Krankheitsbedingte Ausfälle werden durch Vertretungen voll kompensiert. Die Lehrer haben ja gezeigt, dass es geht.
Jetzt muss man nur noch das regierte Volk beruhigen. Die SuS sind zunächst mal egal. Die dürfen noch nicht wählen. Die Lehrer setzt man unter Druck und appelliert gleichzeitig an ihr Gewissen (den Schülern zuliebe, Ausnahmesituation…) Wer dann noch aufmuckt, wird eben als fauler, unfähiger Nörgler diffamiert.
Die restliche Bevölkerung interessiert sich nur insofern für Schule, als es wünschenswert ist die nervigen Kinder morgens los zu sein. Das ist also kein Problem.
Zunächst appelliert man an den Egoismus. Corona ist für Kinder nur ein Schnupfen, wer will dafür schon die unangenehmen Masken tragen, das kitzelnde Stäbchen aushalten oder sich gar selbst um die Kinder kümmern. Dieses Ungemach kann man vermeiden, wenn man einfach fest an die sicheren Schulen glaubt.
Der etwas kritischere Rest wird vertröstet. Wir beabsichtigen natürlich schon Schutzmaßnahmen. Wir wollen aber die Wirksamkeit zunächst evaluieren, um die Verhältnismäßigkeit sicher zu stellen. Das dauert zunächst mal. Das ist gut für die Politik.
Wenn dann Studien herauskommen, die besagen, dass Masken, Tests oder Distanzunterricht schützen, dann zieht man eben eine andere Evaluation mit gegenteiligem Inhalt aus der Schublade. So was findet man immer bei Tauben-Stöhr, den Kinderärzten oder dem Verband der Schul-Hausmeister. Gleichzeitig beginnt man, um die Methoden der Studien und einzelne Begriffe zu streiten. Das kann man mit etwas Geschick sehr in die Länge ziehen. Erstaunlich, wie schnell es immer wieder Herbst wird. Dumm gelaufen, ist dann halt zu spät für echten Schutz. Na ja, vielleicht klappt es ja bis zum nächsten Herbst.
Als Trost an die Lehrer, eine Schutzmaßnahme passt ja ins Konzept und wird uns sicher erhalten bleiben: Fenster auf – kostet nichts und lässt sich pressewirksam verkaufen. Zur Not kann man sich als Politiker/in sogar in offene Fenster und Türen hängen.“
Hintergrund: Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hatte erklärt, sie wolle sich notfalls „in die Tür hängen“, um Schulschließungen zu verhindern. News4teachers
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„Reicht nicht, Flüchtlingskinder in Regelklassen zu stopfen“ – eine Lehrerin berichtet
