Seit der Grundschule auf Youtube – 17-Jähriger will Sportreporter werden

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BAD IBURG. Youtube, Instagram oder TikTok: Kinder und Jugendliche wachsen heute mit diesen Medien auf und sind von ihnen fasziniert. Zum Teil fangen sie schon selber früh an, Inhalte zu produzieren – Jugendschützer sind darüber nicht nur begeistert.

Linus Haverkamp ist erst 17 Jahre alt, hat aber schon seit zehn Jahren seinen eigenen Youtube-Kanal. Der Schüler aus Bad Iburg bei Osnabrück beschäftigt sich auf der Video-Plattform vor allem mit Fußball – rund 16 000 Abonnenten zählt sein Kanal derzeit.

Kinder als Content-Produzenten im Internet, ein heikles Thema. Foto: pixinoo / Shutterstock

Als Siebenjähriger habe er selber begonnen, Youtube zu gucken, erzählt Linus. Vor allem seien das Fußball-Videos gewesen – «womit man in dem Alter ja auch anfängt». Sein Vater Klaus-Martin Meyer – beruflich im Online-Marketing tätig – habe für seine Arbeit mit Youtube experimentiert und ein paar Videos hochgeladen. «Da sagte ich, ok, so etwas möchte ich auch machen», blickt der 17-Jährige zurück. In seinen ersten Videos habe er nur etwas gesungen, und die seien dann auf dem Kanal seines Vaters hochgeladen worden. «Ich hatte daran Spaß und wollte das weiter machen, und dann haben wir meinen eigenen Kanal erstellt.»

Waren es in den ersten Jahren Fußball-Tipps, gibt es inzwischen eher Livestreams zu Fußballspielen. In diesen sieht man ihn vor seinem Rechner sitzen, und er kommentiert die Spiele. «Bei Livestreams ist es einfach cool, mit vielen anderen Leuten das Spiel zu gucken – das kann man vergleichen mit Public Viewing.»

Linus habe gezeigt, dass er den Kanal ernst nehme, sagt sein Vater dazu. Zwischen den Eltern habe es erst einen Disput gegeben, ob das Kind mit einem eigenen Youtube-Kanal eine Karriere in der Öffentlichkeit machen sollte. Er habe darauf bestanden, dass Linus nur mit einem Künstlernamen auftrete, sagt Meyer. Linus‘ Mutter habe die ersten Jahre die Videos überhaupt nicht angeschaut, inzwischen sei das Wohlwollen aber gestiegen.

«Ich habe ihm damals klar gesagt: du wirst in der Schule gemobbt werden, das musst du vorher wissen», erzählt Meyer. «Deine Schulkameraden werden das entdecken und dich damit aufziehen.» Wenn er das nicht wolle, solle Linus vorher Nein sagen. Auch wenn Linus selber sage, er sei nicht gemobbt worden, habe es sicher einige Mitschüler gegeben, die ihn damit aufgezogen hätten. «Das ist sicherlich auch ein Lernprozess. In der Grundschule damals war das nicht immer einfach, aber das hat er ganz gut weggesteckt.»

Medienpädagogin Luise Meergans vom Deutschen Kinderhilfswerk ist zwiegespalten, wenn sie von Kinderkarrieren auf Youtube erfährt. «Ich finde das hervorragend, wenn Kinder sich eine Aufgabe selber suchen, wenn sie etwas entdecken, was ihnen Spaß macht, wenn sie dort kreativ sind». Aber dennoch sei Youtube keine geeignete Plattform für Kinder, um diese Kreativität auszuleben. Siebenjährige hätten als Akteure und Akteurinnen weder etwas auf Youtube, noch auf Facebook oder TikTok zu suchen, sagt sie.

In den meisten Fällen seien es die Eltern, die ihre Kinder auf diesen Plattformen vermarkten, denn es gehe dabei vor allem um wirtschaftliche Ziele. Kinder schon auf Youtube zu zeigen, verstoße gegen zahlreiche Kinderrechte, die in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt seien. So werde das Recht auf Privatsphäre an vielen Stellen verletzt. Entweder gäben die Kinder selber unbewusst viele Informationen über sich preis, die nicht ins Internet gehören, oder die Eltern, indem sie zum Beispiel Kinder in ihrem Kinderzimmer filmen. Meergans sind auch andere Beispiele bekannt: Kinder werden in Krankenhäusern gefilmt, beim Schwimmen oder beim Zähneputzen. «Das sind Momente, die eigentlich nicht nur privat sind, sondern die Intimsphäre der Kinder berühren und extrem verletzen.» Das sei entwicklungspsychologisch fatal.

Auch das Argument vieler Eltern von sehr jungen Influencern, die Arbeit vor der Kamera mache den Kindern Spaß, sehe sie kritisch, sagt Meergans: Kinder hätten eine natürliche Abhängigkeit von den Eltern, und es sei ihnen bewusst, wie wichtig die Videofilmerei für die Eltern sei. «Es ist eine Abhängigkeit, die in gewisser Weise ausgenutzt wird.»

Sie sehe bei Kinder-Influencern auch eine Form der Kinderarbeit im digitalen Raum. In dem Moment, wo Geld verdient wird oder wirtschaftliche Zwecke verfolgt würden, handele es sich um Arbeit. Dazu müsse noch nicht einmal tatsächlich Geld fließen, es reiche, dass darauf spekuliert werde. Kinderarbeit sei in Deutschland grundsätzlich verboten. Im Jugendarbeitsschutzgesetz festgeschriebene Ausnahmeregelungen seien im digitalen Raum nicht umgesetzt. «Das ist heftig zu kritisieren und schnellstens zu ändern», fordert Meergans.

Es gebe unter seinen Videos viele, die er im Nachhinein als komisch empfinde und die er heute nicht mehr machen würde, sagt Linus. Andererseits sei sein bestes Video mit 200 000 Aufrufen eines seiner allerersten gewesen. «Mit dem, was ich da erlebt habe, komme ich schon ganz gut klar.» Es sei «cool», die vergangenen zehn Jahre seines Lebens so ausführlich dokumentiert zu haben.

Nach seinem Abitur in einem Jahr wolle er «das Youtube-Ding» so groß machen, dass er davon leben könne, sagt Linus. Er habe aber auch vor, Sportjournalismus zu studieren. «Es wäre schon cool, wenn ich Reporter wäre am Spielfeldrand.» (Elmar Stephan, dpa)

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