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Stark-Watzinger: Schulschließungen (die Tausende Menschenleben gerettet haben) “waren ein Fehler”

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BERLIN. Die Corona-Zahlen steigen wieder und mit Blick auf den Herbst kommen bei manchem alte Befürchtungen hoch. Gerade an Schulen gestaltet sich die Eindämmung der Pandemie schwierig. Eines darf nach Ansicht von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger (FDP) aber nicht mehr passieren – egal um welchen Preis?

Ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Foto: FDP / Laurence Chaperon

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat vor erneuten breiten Schulschließungen zur Eindämmung des Coronavirus gewarnt. «Im Ergebnis waren die flächendeckenden Schulschließungen ein Fehler, den wir nicht wiederholen dürfen», sagte die FDP-Politikerin im Rückblick auf die vergangenen zwei Pandemie-Jahre. «Es darf keine flächendeckenden Schulschließungen mehr geben.»

Stark-Watzinger verwies auf «gravierende Nebenwirkungen» wie Gewichtszunahme, psychische Auffälligkeiten und Vereinsamung sowie auf deutliche Lernrückstände bei Kindern und Jugendlichen. «Es gibt Studien, die zeigen, dass es etwa im Bereich der Lesekompetenz von Viertklässlern bis zu sechs Monate Rückstand gibt.» Zudem gehe es um Bildungsgerechtigkeit. So seien junge Menschen, die zu Hause Unterstützung bekämen und gut selbstorganisiert lernen könnten, besser durch die Pandemie gekommen als diejenigen ohne diese Voraussetzungen.

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Im Frühjahr 2020 sowie im folgenden Winter und Frühjahr 2021 hatten die Bundesländer zur Eindämmung der Pandemie ihre Schulen monatelang geschlossen oder nur eingeschränkt im Betrieb. Wissenschaftler haben die Schulschließungen als eine der wirksamsten Maßnahmen im Kampf gegen das Virus identifiziert. “Insgesamt zeigt sich in den Übersichtsarbeiten, dass Schulschließungen effektive Instrumente zur Eindämmung der Epidemie sind, allerdings nicht als Einzelmaßnahme”, so heißt es in einer wissenschaftlichen Übersichtsarbeit, die die KMK in Auftrag gegeben hatte, aber erst nach langem Zögern (und öffentlichem Druck hin) im Dezember 2021 veröffentlichte. News4teachers berichtete.

Mehr als 140.000 Menschen in Deutschland sind laut Robert-Koch-Institut bislang im Zusammenhang mit der Pandemie gestorben

Eine aktuelle Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Kiel, über die News4teachers ebenfalls berichtet, kommt zu dem Schluss: Schulschließungen senkten die Reproduktionszahl – den sogenannten R-Wert –, also die Anzahl an Menschen, die eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt, um 0,24 und stellten (nach Informationskampagnen) die effektivste nicht-pharmazeutische Maßnahme zur Eindämmung der Corona-Pandemie dar, wirksamer als Tests, Kontaktnachverfolgungen und die Absage öffentlicher Veranstaltungen.

Erst nach den Schulschließungen konnte die Corona-Welle bis Ostern 2021 eingedämmt werden. Im Klartext: Die Maßnahme, die der Bund seinerzeit per Notbremse gegen die zögerlichen Länder durchgesetzt hatte, rettete Tausende von Menschenleben. Mehr als 140.000 Menschen in Deutschland sind laut Robert-Koch-Institut bislang im Zusammenhang mit der Pandemie gestorben.

Im vergangenen Winter verhinderte dann eine auf starkes Betreiben der FDP beschlossene Änderung des Infektionsschutzgesetzes die Möglichkeit, Schulen erneut flächendeckend zu schließen. In den Klassen kam es aber über Wochen und Monate hinweg zu zahlreichen Ausfällen von Lehrkräften und Schülern wegen vieler Corona-Infektionen und aufgrund der Quarantänevorschriften.

Um die entstandenen Bildungsrückstände abzubauen und die sozialen und psychischen Probleme in Folge der Pandemie abzufedern, legte der Bund ein Corona-«Aufholprogramm» über zwei Milliarden Euro auf für Lernförderprogramme und die Aufstockung sozialer Projekte für Kinder, Jugendliche und Familien. Die Kultusminister der Länder forderten zuletzt, dieses Programm zu verlängern und um weitere 500 Millionen Euro aufzustocken.

«Und da bin ich mir einig mit der Kultusministerkonferenz. Wir müssen allerdings über den richtigen Weg beraten»

Stark-Watzinger sagte dazu: «Der Bund hat den Ländern zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, die noch gar nicht komplett ausgegeben sind. Insofern sollte dieses Geld zunächst eingesetzt werden.» Als Möglichkeit hierfür nannte sie die Aufarbeitung der Corona-Folgen aber auch einen langfristigen Prozess. «Und da bin ich mir einig mit der Kultusministerkonferenz. Wir müssen allerdings über den richtigen Weg beraten.» Die Ministerin sprach sich dafür aus, Schülerinnen und Schüler «sehr gezielt» zu unterstützen und warb für das sogenannte Startchancen-Programm, das die Ampelkoalition plant.

Mit diesem Programm sollen bundesweit 4000 Schulen «in besonders schwierigem Umfeld» unterstützt werden mit mehr Geld, zusätzlichen Sozialarbeitern und besserer Infrastruktur. Welche Schulen das sein werden, nach welchen Kriterien sie ausgewählt werden und um wie viel Geld es sich handeln wird, darüber sei man im intensiven Austausch mit den Bundesländern, sagte Stark-Watzinger. Sie kündigte ein Konzept bis zum Herbst an. Dann kenne man auch die Größenordnungen. «Wir werden jetzt also in die konkrete Planung gehen und die Länder dabei einbinden.» News4teachers / mit Material der dpa

Stark-Watzinger meint: „Maskenpflicht in Schulen ist kein Allheilmittel“ – sie will (warum erst jetzt?) die Wirkung prüfen lassen

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