Ein Modell-Unterrichtsfach „Digitale Welt“, gesponsert vom SAP-Gründer – reicht das?

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WIESBADEN. Hessen will die Digitalisierung in den Schulen etablieren – mit einem Modellprojekt zu einem neuen Unterrichtsfach namens «Digitale Welt», das sich das Kultusministerium vom Institut des SAP-Gründers Hasso Plattner sponsern lässt. Reicht das? Wirtschaft und Landtagsopposition meinen: Nein. Sie fordern, dass digitale Inhalte flächendeckend den Schulen unterrichtet werden.

Macht es Sinn, die Digitalisierung in einem Unterrichtsfach „Digitale Welt“ abzuhandeln? Foto: Shutterstock

In Hessen wird ein Pilotprojekt für das neue Unterrichtsfach «Digitale Welt» gestartet. Das Projekt soll grundlegende Kompetenzen der Informatik mit der ökonomischen und ökologischen Bildung verbinden, erklärte Kultusminister Alexander Lorz (CDU) am Montag in Wiesbaden. Die Schülerinnen und Schüler lernten im Unterricht, wie digitale Technologien zur Lösung sozialer, ökonomischer und ökologischer Problemstellungen beitragen können.

Das Pilotprojekt «Digitale Welt» wird ab dem neuen Schuljahr im September in zwölf weiterführenden Schulen im Land mit rund 70 Klassen der Jahrgangsstufe fünf gestartet. Zwei freiwillige zusätzliche Schulstunden je Woche sind in den teilnehmenden Schulen vorgesehen. «Mit der Einführung dieses neuen Schulversuchs sind wir bundesweit Vorreiter», betonte der Kultusminister.

«Wir versprechen uns davon, die Informatik für die Schülerinnen und Schüler besonders anschaulich und lebensnah gestalten zu können»

Anhand von konkreten Aufgaben aus den Bereichen Ökonomie und Ökologie sollen Grundlagen wie das Programmieren oder die Funktionsweise von Algorithmen gelehrt werden. Das Fach werde zudem wichtige Themen wie Datenschutz, Cyberkriminalität und Mediennutzung aufgreifen. «Wir versprechen uns davon, die Informatik für die Schülerinnen und Schüler besonders anschaulich und lebensnah gestalten zu können», berichtete Lorz.

«Unser gemeinsames Ziel ist es, Schulen in die Lage zu versetzen, alle Schülerinnen und Schüler an die digitale Welt heranzuführen und sie vollumfänglich auf das Arbeitsleben vorzubereiten», ergänzte Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU). Entscheidend sei, interdisziplinär von verschiedenen Perspektiven auf die Digitalisierung zu schauen.

Das Pilotprojekt wird in Kooperation mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam durchgeführt und von der Goethe-Universität in Frankfurt wissenschaftlich begleitet. Gründer und Namensgeber des HPI ist der SAP-Gründer und Milliardär Hasso Plattner. Einziger Gesellschafter ist die gemeinnützige Brandenburger Stiftung bürgerlichen Rechts „Hasso Plattner Foundation“. Bei den Pilotschulen handelt es sich um allgemeinbildende Schulen verschiedener Schulformen, die im Bereich der digitalen, ökonomischen und ökologischen Bildung bereits sehr aktiv sind. Die teilnehmenden Lehrkräfte werden nach Angaben des Kultusministeriums vor Beginn und während des Pilotprojekts fortgebildet.

Der Unterricht werde nicht benotet und sei vorerst nicht versetzungsrelevant, erklärte der Kultusminister. Nach einer Evaluation werde entschieden, ob und in welcher Form das Fach mittelfristig im Regelunterricht eingeführt werden könnte. «Gerade, weil wir ein solch einmaliges Projekt starten, wollen wir die Inhalte von Anfang an gemeinsam mit den Schulen entwickeln – in dieser Form ist das auch ein Novum.»

Der hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHK) begrüßte das Vorhaben. Die für das Pilotprojekt vorgesehenen Inhalte sollten aber flächendeckend an allen Schulen im laufenden Unterricht, im Fach Informatik oder als eigenes Fach thematisiert werden, betonte HIHK-Präsidentin Kirsten Schoder-Steinmüller. Es sollte insgesamt ein größerer Fokus auf die mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung in den Schulen gelegt werden.

«Wir brauchen keinen weiteren Schulversuch, sondern endlich ein strukturiertes Konzept für die Medienbildung an Schulen»

Auch die Bildungsexperten der Oppositionsfraktionen mahnten eine flächendeckende Vermittlung der Inhalte in Hessen an. Die Bedeutung eines verpflichtenden Informatikunterrichts sollte mittlerweile eine Selbstverständlichkeit sein und müsse nicht weiter pilotiert oder evaluiert werden, kritisierte der FDP-Abgeordnete Moritz Promny. Die FDP fordere seit langem einen flächendeckenden und verpflichtenden Informatik-Unterricht in der Sekundarstufe eins.

«Wir brauchen keinen weiteren Schulversuch, sondern endlich ein strukturiertes Konzept für die Medienbildung an Schulen», erklärte die SPD-Abgeordnete Kerstin Geis. Eine zeitgemäße Bildung benötige mehr als ein experimentelles Unterrichtsfach an gerade einmal zwölf Schulen. «Statt Schnellschüsse zu fabrizieren, braucht es ein Konzept für informative Bildung, das alle Schülerinnen und Schüler erreicht.» Ein Modellversuch sei dafür völlig untauglich. News4teachers / mit Material der dpa

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Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

„Theorie des Essens“ ab jetzt immer freitags in der 7. Stunde. Ein schlanker Ansatz.

Karo
1 Jahr zuvor

Jaja, Moritz Promny,der Jurist in einer Baufirma ist, erklärt uns was über Informatik in den Schulen….Wenigstens hat er schonmal gearbeitet, was in der Politik ja kein Standard mehr ist.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Im Prinzip gibt’s Informatik als Schulfach seit Jahrzehnten, nur scheint man nicht viel Wert darauf zu legen. Da sollte es eigentlich um das Programmieren und um Algorithmen gehen, genau das, was oben auch genannt wird. Und worin soll der entscheidende Unterschied zu einem Fach „Digitalisierung“ oder auch „Digitale Welt“ bestehen?

Carsten60
1 Jahr zuvor

Danke, ist interessant. Nach diesem Rahmenplan soll über Digitalisierung geredet werden, aber ohne Kenntnis, wie das eigentlich funktioniert. Die Worte „kommunizieren“ und „beurteilen“ kommen verdächtig oft vor. Aber oben im Artikel ist doch ausdrücklich von Programmieren und von Algorithmen die Rede. Und es heißt, Noten sollen nicht gegeben werden Das passt beides jetzt nicht so recht zusammen.

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor

Wahlkampfgetöse. Nette Themen setzen und darauf hoffen, dass der Wähler es goutiert.
Inhaltlich ist alleine der formulierte Anspruch für die Jahrgangsstufe 5 absolut fragwürdig, da geht es nur um Verkaufe.
Und: interessant, dass Frau Sinemus jetzt in der CDU ist, die war doch bisher parteilos.

tozitna
1 Jahr zuvor

Nachdem Herr Plattner und Co. schon die Schulcloud in Brandenburgs Schulen durchgedrückt haben (gegen den Widerstand der kommerziellen und oft besseren Anbieter), will er jetzt also an die Rahmenpläne ran. Hat eigentlich mal jemand die Endabnehmer dieser ganzen Vorhaben gefragt, ob sie das auch so wollen? Also uns jedenfalls nicht…

Hoffnung
1 Jahr zuvor

In Hessen gibt es bis zur Klasse 10 das Fach Informatik nicht. Ich verstehe nicht, was daran so schwierig ist, dieses Fach als Regel und Pflicht Fach einzuführen. Wir versetzen uns bildungstechnich immer mehr ins Mittelalter zurück.