Lange Ausfallzeiten: Kindergärten leiden unter Corona-Folgen und Personalmangel

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ERFURT. Betreiber von Kindergärten gehen von vorerst anhaltenden Personalengpässen aus. Auch die Finanzierung von Projekten dürfte auf absehbare Zeit zum Alltag der Einrichtungen gehören, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in Thüringen ergab. «Das größte Problem ist für uns aktuell die extrem hohe Ausfallquote beim pädagogischen Personal», sagte Nils Bloch, Bereichsleiter Kindergärten bei der gemeinnützigen GmbH JUL, die im Freistaat Träger von 13 Kindergärten ist. Im Vergleich zur Zeit vor Corona fielen die Mitarbeitenden länger und häufiger aus.

Kita-Fachkräfte haben ein hohes Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Diese Einschätzung wird auch von anderen Trägern wie der AWO Thüringen oder dem katholischen Sozialverband Caritas geteilt. Der aktuelle Betreuungsschlüssel – also die Zahl der betreuten Kinder je Erzieher – sei vergleichsweise dünn, die Belastungen für das Personal stark gestiegen, hieß es etwa von der Caritas.

In modernen Kindergärten ende die Arbeit nicht beim Kind, vielmehr werde immer stärker das gesamte Familiensystem in den Blick genommen, erläutert die Leiterin des JUL-Kindergartens «Spatzennest am Park» im Norden Erfurts, Silvia Jost. Dort ist die Nachfrage nach Plätzen weiter hoch. Überdurchschnittlich oft gebe es alleinerziehende oder arbeitslose Eltern sowie Familien mit Migrationshintergrund. Im Kindergarten seien aktuell 24 Nationen vertreten. Die Möglichkeit, über die Dolmetscher-Plattform «Lingatel» die Hilfe von professionellen Übersetzern in Anspruch zu nehmen, sei im täglichen Geschäft eine große Hilfe. Größtes Problem sei die angespannte Personalsituation.

Ebenso wichtig sei aber, dass die verschiedenen Projekte, an denen die Einrichtung teilnehme, auch in Zukunft zuverlässig weitergeführt würden. Die positiven Effekte seien vielfältig: So konnte der Kindergarten im 2021 eingeführten Modellprojekt «Vielfalt vor Ort begegnen» eine Sozialarbeiterin einstellen, die eine Ansprechpartnerin für die vielfältigen und zunehmenden Probleme von Familien sei. Die nötigen Mittel, Fachkräften eine ihren Qualifikationen entsprechende Bezahlung zu bieten, müssten zuverlässig vorhanden sein – bisher ist ein Projektende für 2023 vorgesehen.

«So absurd es klingt: Die sinkenden Kinderzahlen in Thüringen können auch eine Chance sein»

In eine ähnliche Richtung geht die «Praxisintegrierte Ausbildung zum Erzieher». Das Projekt bietet eine duale Ausbildung, was vor allem helfe, ältere Bewerber anzusprechen, erklärt Bloch. «Wir haben hier sehr gute Erfahrungen mit Bewerbern im Alter über 30 Jahren gemacht.» So werde der Erzieherberuf deutlich attraktiver gemacht. Es sei immens wichtig, solche Angebote zu verstetigen. Diese und andere Angebote wie das Bundesprogramm «Sprach-Kita» müssten erhalten bleiben, so Nitsche. Dass die Bundesregierung dessen Einstellung zum Jahresende plant, ist auch in der Thüringer Landespolitik auf Kritik gestoßen.

In Thüringen werden dem Statistischen Landesamt zufolge die Geburtenzahlen in den kommenden Jahren vor allem in ländlichen Regionen teils deutlich abnehmen – so wird bis 2040 in manchen Regionen mit etwa 30 Prozent weniger Geburten gerechnet. Im Jahr 2021 wurden rund 15.300 Kinder geboren, nach knapp 16.000 ein Jahr zuvor.

«So absurd es klingt: Die sinkenden Kinderzahlen in Thüringen können auch eine Chance sein», sagte die Sprecherin der AWO Thüringen, Anne Osterland. Bei dann rückläufigen Anmeldezahlen lasse der aktuelle Personalschlüssel mehr Zeit für das einzelne Kind zu. Allerdings drohten nach aktuellem Stand bei sinkenden Kinderzahlen auch Einschnitte beim Personal. Dies wäre aus Sicht der Kindergartenbetreiber ein fataler Fehler. Ganz im Gegenteil müssten die deutlich gestiegenen Ausfallzeiten in Zukunft berücksichtigt und der Personalschlüssel erhöht werden. Zum Stichtag 1. März 2021 waren nach amtlicher Statistik in Thüringen rund 18.500 Beschäftigte in dem Bereich tätig. News4teachers / mit Material der dpa

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Angelika
1 Jahr zuvor

Institutionen sind im Gegensatz zu Lebewesen nicht leidensfähig. Doch die Formulierung „Kindergärten leiden“ lässt Freiheit für jede Menge positive Gedanken und eine systematische Selbsthypnose der Erwachsenen.

Diese Kita ist gut, sonst würde ich nicht dort arbeiten.
Diese Kita ist gut, sonsr würde ich mein Kind nicht dort hinbringen.