Brennpunktschulen finanziell unterstützen: Verschläft die Bundesregierung ihr Versprechen?

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BERLIN. Etwa jede zehnte Schule in Deutschland will die Ampel über ein sogenanntes Startchancen-Programm zusätzlich fördern. Es geht um Einrichtungen in «besonders schwierigem Umfeld». Doch die Pläne lassen auf sich warten. Die Bildungsgewerkschaft GEW macht Druck.

Bonjour tristesse: Bild aus Duisburg-Marxloh. Foto: Sascha Kohlmann (CC BY-SA 2.0) Wikimedia Commons
Bonjour tristesse: Bild aus Duisburg-Marxloh. Foto: Sascha Kohlmann (CC BY-SA 2.0) Wikimedia Commons

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die Bundesregierung zu konkreten Schritten beim angekündigten «Startchancen»-Programm für Schulen aufgefordert. Dieses sei noch nicht mit finanziellen Ressourcen im Bundeshaushalt hinterlegt. Spätestens für den Haushalt 2024 sollten die notwendigen finanziellen Mittel dafür vorgesehen werden, heißt es in einem Papier, in dem die Gewerkschaft Anforderungen an das geplante Programm formuliert. Es liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Die Ampel hatte das Programm in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Ziel ist es, bundesweit 4.000 Schulen «in besonders schwierigem Umfeld» finanziell zu unterstützen – mit einem sogenannten Chancenbudget zur freien Verfügung und mit Geld für Investitionen in eine «zeitgemäße Lernumgebung». Außerdem ist geplant, dass der Bund an weiteren bis zu 4.000 Schulen zusätzliche Sozialarbeiter mitfinanziert. Schulen sind eigentlich Ländersache. Insgesamt gibt es etwa 40 000 Schulen und Berufsschulen im Land.

Mit den Maßnahmen soll dem Problem begegnet werden, dass Bildungserfolg stark von der sozialen Herkunft abhängt. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollten keine Potenziale junger Menschen verschenkt werden, heißt es unter anderem.

Doch die Details sind weiter unklar. Welche Schulen werden gefördert? Wie werden diese ausgewählt? Was kostet das Ganze und wer bezahlt was davon? Dazu liefen Gespräche zwischen Bund und Ländern, heißt es im Bundesbildungsministerium. Eine Umsetzung vor dem Schuljahr 2024/2025 ist nach derzeitigem Stand eher unwahrscheinlich.

Die GEW fordert für das Programm eine Laufzeit von mindestens zehn Jahren mit mindestens 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Aus Sicht der Gewerkschaft wäre das die «untere Grenze». Die Länder müssten zudem auf eine «eindeutige Zweckbindung der Mittel» verpflichtet werden. Dahinter steckt die Befürchtung, dass die «Startchancen»-Bundesmittel in den Haushalten der Länder verschwinden und für andere Dinge ausgegeben werden.

Nach den Vorstellungen der Bildungsgewerkschaft sollten bei der Auswahl der Schulen verschiedene «Belastungsindikatoren» berücksichtigt werden, zum Beispiel die Arbeitlosenquote im Quartier, wie viele Schüler in Hartz-IV-Haushalten leben, der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund oder die Platzdichte von Kindertageseinrichtungen. Bei der Auswahl der Schulen sollten nach dem Willen der GEW zudem Gewerkschaften, Eltern- und Schülerverbände und Jugendhilfeeinrichtungen «über einen gemeinsamen Beirat» beteiligt werden. News4teachers / mit Material der dpa

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potschemutschka
1 Jahr zuvor

Meine Grundschule im Brennpunktkiez wird gerade saniert und. erhält einen Anbau. Stand bisher: mehr als ein Jahr Bauverzögerung (also schon ein Jahr länger als notwendig Lärm, Raummangel, stark verkleinerter Pausenhof …). eigentlich sollten die sanierten Räume alle neue Möbel erhalten. Jetzt wurde bekannt, dass die alten Möbel (z. T. 30 Jahre alt) in die neuen Räume umziehen sollen, falls der Umbau jemals irgendwann beendet ist.

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

@potschemutschka

Vielleicht ist das gar keine weitere „Ver*****e“, sondern einfach Wertschätzung … diesmal für die Umwelt … Ressourcen schonen und so? 😉

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pit2020

Wenn man es so sieht…Warum bin ich Dummerchen da nicht selbst drauf gekommen 😉

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Nee, die alten Möbel sind Sondermüll und die Entsorgungskosten sind einfach zu hoch:)

Teacher Andi
1 Jahr zuvor

Warum gibt es eigentlich „Brennpunktschulen“? Was ist schief gelaufen, dass es diese Art von Schulen gibt? Haben die Verantwortlichen eigentlich irgendwann mal darüber nachgedacht? Warum hat man nicht angesichts der Entwicklung eine probate Lösung gefunden? Warum bekommen die Bildungsminister immer noch so vile (Steur) Geld, obwohl sie das Dilemma herbeigeführt haben? Warum begeben sich die Damen und Herren Minister nicht mal in diese Brennpunktschulen, um sich fortzubilden? Warum müssen die Lehrer immer wieder die Fehlentscheidungen des Dienstherrn (wo ist da Gendern?) ausbaden? Warum reagiert der „Dienstherr“ nicht, nachdem jetzt der Unmut der Lehrerschaft klar wird?
Fragen über Fragen, auf die wir keine Antwort erhalten werden. Piazolo im Interview: „Wir haben alle Lehrerstellen besetzt, die vorhanden waren.“ Na dann, weiter so. Jetzt werden sicher alle Lehrer werden wollen, zumindest diejenigen, die diese Heuchelei nicht duchschaut haben..