Lehrerverband fordert Gesundheitsfachkräfte für Schulen (weil’s sogar billiger ist)

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Der Thüringer Lehrerverband (tlv) hat seine Forderung nach Gesundheitsfachkräften für Thüringer Schulen bekräftigt. «Dass wir noch keine Schulgesundheitsfachkräfte haben, liegt ausschließlich am mangelnden Willen der Politik», erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Thüringer Lehrerverbands, Frank Fritze, am Samstag.

Gesundheitsfachkräfte leisten an Schulen wertvolle Arbeit – leider gibt es kaum welche in Deutschland. Foto: Shutterstock

„Denn von allen Maßnahmen zur Einrichtung der versprochenen multiprofessionellen Teams ist die Einstellung von Schulgesundheitsfachkräften wohl die kostengünstigste. Wir wissen aus einem Modellversuch in Hessen und Brandenburg, dass sich diese Maßnahme praktisch finanziell selbst trägt“, erklärte Fritze. Er verweist in diesem Zusammenhang auf das von der Technischen Hochschule Mittelhessen erstellte abschließende Gutachten zum Modellversuch, das unter anderem die ökonomischen Vorteile belegt,

Aufgrund des dank der Anwesenheit von Schulgesundheitsfachkräften selteneren Hinzurufens von Rettungswagen konnten demnach landesweit pro Jahr zwischen 102.000 € und 112.000 € an den Grund- und Oberschulen in Brandenburg, zwischen 189.000 und 193.000 € an den hessischen Gymnasien und zwischen 540.000 € und 515.000 € an den hessischen Gesamtschulen eingespart werden.

„Die Anwesenheit von Schulgesundheitsfachkräften leistet auch einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion von Stress bei Lehrern und Erziehern“

„Hinzu kommen die Einsparungen im Bereich der Heilbehandlungen bei schulischen Unfällen“, ergänzt Fritze. „Für Hessen liegen diese bei 2.044.000 € bis 2.236.000 € pro Jahr – das sind 20 Prozent der jährlichen Gesamtkosten für schulische Unfälle. In Anbetracht der extrem hohen Zahl an Unfällen, die sich im Umfeld Schule ereignen – im Jahr 2019 waren es deutschlandweit fast 900.000 – kann die Etablierung von Schulgesundheitsfachkräften allein schon aufgrund des enormen direkten Einsparpotenzials als ökonomisch sinnvoll bezeichnet werden.“

Zudem, so Fritze weiter, ergäben sich auch indirekte Einsparungen: Denn in dem Maße, in dem Schülerinnen und Schüler mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Epilepsie zuverlässig von einer medizinischen Fachkraft in der Schule betreut würden, könnten deren Eltern in größerem Umfang dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Die auf diese Weise gewährleistete aktive Förderung der Teilnahme chronisch kranker Kinder und Jugendlicher am Unterricht erhöhe zudem deren Chancen auf höhere Bildungsabschlüsse und das Ergreifen der entsprechenden Berufe. Hieraus ergäben sich laut dem Gutachten je nach Fall Wertschöpfungssteigerungen im hohen fünf- bis mittleren sechsstelligen Bereich pro betroffener Familie.

Allerdings hätte die flächendeckende Einstellung von Schulgesundheitsfachkräften nicht ausschließlich finanzielle Vorteile, betont Fritze. „Wir führen diese deshalb so detailliert aus, weil sie möglicherweise das stärkste Argument für die Politik liefern, diese Maßnahme endlich umzusetzen. Aber die Anwesenheit von Schulgesundheitsfachkräften leistet auch einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion von Stress bei Lehrern und Erziehern. Zudem wirkt sie inklusionsfördernd: Denn wenn medizinische Hilfe vor Ort ist und die Lehrer sowie die Klasse über bestimmte Erkrankungen und Notfallmaßnahmen aufgeklärt werden, dann können auch Kinder mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Asthma oder Epilepsie regelmäßig an Schulaktivitäten teilnehmen.“

Der Landeshauptvorstand – nach der Landesdelegiertenversammlung das zweithöchste Gremium des tlv – fordert deshalb die flächendeckende Einstellung von Schulgesundheitsfachkräften nach dem Hessischen Modell als erste, aber nicht abschließende Maßnahme zur Umsetzung des Koalitionsversprechens „multiprofessionelle Teams in den Schulen.“ News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zu dem Evaluationsbericht zu Gesundheitsfachkräften.

Mehr Gesundheitsfachkräfte an Schulen geplant – insgesamt 26, immerhin

 

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8 Kommentare
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Sandra
1 Jahr zuvor

Pfui Teufel – Wertschöpfungssteigerung pro betroffener Familie…

Ich weiß, dass unser Auftrag ist, Steuerzahler*innen zu erschaffen – dennoch möchte ich mich lieber der Illusion hingeben, dass wir alle Energien dafür mobilisieren, den Kindern bestmögliche Chancen zur Gestaltung des eigenen Lebens zu bieten…

Mich widert diese Rechnung an als Herzblut-Pädagogin.

Ron
1 Jahr zuvor

Die Gesundheitsfachkraft wird mit Arbeitgeberanteil ca. 60.000 Euro brutto kosten (nicht verdienen). Ich kann mich nicht entsinnen, dass wir an unserer Schule jemals 100 Rettungswageneinsätze pro Jahr hatten. Dann wäre nämlich jeder zehnte Schüler in den Genuss eines Krankenhausaufenthaltes gekommen, also statistisch quasi fast alle Schüler mindestens einmal während ihrer Schulzeit. Woher kommen also Zahlen, dass eine Gesundheitsfachkraft quasi keine Zusatzkosten verursacht? Zudem möchte ich bezweifeln, dass es auch nur im Ansatz genügend freie Fachkräfte auf dem Markt gibt. Die Krankenhäuser und Ärzte suchen doch selbst verzweifelt.

Sissi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Für 60 000 brutto pro Jahr kriegen Sie sogar Oberschwester Hildegard.

potschemutschka
1 Jahr zuvor

Wenn die Modellversuche so gut gelaufen sind, warum wurden sie dann nicht weitergeführt (Schulkrankenschwestern in Brandenburg gibt es nicht mehr). WARUM, wenn es sogar Kosten gespart hat!

Konfutse
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Weil es einfacher und bequemer ist, das schon vorhandene Personal dafür zu rekrutieren.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Eine Gesundheitsfachkraft ist wahrscheinlich billiger als eine Krankenschwester. Andernfalls hätte man die Stelle bestimmt so genannt.

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Egal ob Gesundheitsfachkraft oder Krankenschwester, es wäre eine große Hilfe für alle Schulen und Kitas.

Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor

Irgendetwas stimmt mit den genannten Zahlen nicht.

Wenn eine Gesundheitfachkraft den Mindeslohn von 12Euro erhält, belaufen sich die Kosten auf mindestens 23040Euro+ Sozialbeiträge bei einer 40Stundenwoche. Falls jede Fachkraft tatsächlich sämtliche Notdiensteinsätze verhindern kann, also im Beispiel Hessen die 2,3Mio Euro einsparen, könnte man maximal 100 Fachkräfte stattdessen einsetzen. In Hessen gibt es aktuell 321Schulen, nicht jede Schule erhält eine Vollzeitkraft. Die Fachkräfte müssten demnach zum Großteil in Teilzeit arbeiten, um sämtliche Schulen abzudecken.

Gespart wird wohl nicht an den Kosten, sondern eher an der Einsatzzeit des Notdienstes bzw. der Lehrer.

Last edited 1 Jahr zuvor by Fakten sind Hate