Gesundheitsgefährdender Lärm in der Kita: Vier von fünf Gruppenräumen sind sanierungsbedürftig

9

ROSTOCK. Ist es in der Kita zu laut, kann das Folgen für die geistige Entwicklung der dort betreuten Kinder sowie für die Gesundheit der Kita-Fachkräfte haben. Das für Mecklenburg-Vorpommern zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales sieht Handlungsbedarf in vielen Einrichtungen.

Übermäßiger Lärm macht Kindern und Erwachsenen zu schaffen. Foto: Shutterstock

In vielen Krippen, Kindergärten und Horten im Nordosten ist es nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Soziales zu laut. Rund 80 Prozent aller Gruppenräume in Kindertageseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern sind der Behörde (Lagus) zufolge raum-akustisch sanierungsbedürftig.

Ein zu hoher Geräuschpegel ist ein ernstes Problem. In einem am Freitag vorgestellten Leitfaden für die Akustik in Kitas heißt es, Lärm stresse und erschöpfe Kinder sowie Betreuer. Folgen könnten Nervosität, gesteigerte Aggressivität, Motivationsdefizite und verminderte Hilfsbereitschaft sein. Das Amt empfiehlt, jeden Aufenthaltsraum zu prüfen und wenn nötig akustisch zu sanieren. Zurzeit existiere jedoch keine rechtliche Pflicht dazu.

«Die baulichen Gegebenheiten sind wichtige Voraussetzungen für eine gute Akustik und für eine geringere Lärmbelastung der Nutzer»

Die Akustik-Experten geben in dem Leitfaden, den sie im Internet veröffentlichten, Tipps für die Planung neuer Kita-Räume sowie auch einfach umzusetzende Maßnahmen in bestehenden Räumen. So sollten sich nur so viele Kinder in einem Raum aufhalten, dass jedem mindestens 2,5 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen. Ein Teppichboden schlucke hohe Lärmfrequenzen, geschlossene Schränke aus massiven Platten wirkten hauptsächlich im tieferen Frequenzbereich.

Anzeige

Offene Regale gefüllt mit Spielsachen sorgten für mehr Streuung der Schallwellen und absorbierten im hohen bis mittleren Frequenzbereich. Regale voller Bücher wirken demnach über die meisten Frequenzen hinweg. Stühle mit Textilbezug seien schallschluckend, glatte Holzstühle nicht.

«Die baulichen Gegebenheiten sind wichtige Voraussetzungen für eine gute Akustik und für eine geringere Lärmbelastung der Nutzer», erläuterten die Experten. «Eine qualitativ hochwertige Erziehung und Betreuung kann nur in dafür geeigneten Räumen gelingen.» So verschlechtere sich die Verständlichkeit von Sprache, wenn es zu laut ist oder hallt. Das könne zu Kommunikationsproblemen sowie zur Beeinträchtigung der sprachlichen und kognitiven Entwicklung der Kinder führen.

Hier geht es zum Leitfaden Akustik in Kindertageseinrichtungen.

Arbeit von Erzieherinnen: „Das sind tatsächlich extreme Belastungen“

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

9 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

„Ein Teppichboden schlucke hohe Lärmfrequenzen“ und Manches mehr.

Aber [Spaß beiseite]: Die akustische Prüfung und ggf. darauffolgende Sanierung sämtlicher Klassen-/Kita-Räume ist eine seit Jahrzehnten überfällige Maßnahme. [Spaß wieder zur Seite] komisch, dass das nur mir auffällt, so ganz ohne Lehrstühle und Studien.

Angelika Mauel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Früher haben Erzieherinnen sich noch getraut, breite Stoffsegel zum Schallschutz im Raum aufzuhängen. Dazu jede Menge Deko. Gebastelte Bremer Stadtmusikanten auf nur glattem Papier reduzieren weniger Schall als jede Menge plastische Figuren mit aufgeklebten Haaren aus Wollfäden und Armen und Beinen aus gefalteten Hexentreppen. – Vieles lässt der Brandschutz nicht mehr zu, worüber sich die „Basteltanten“ in eingruppigen, ebenderdigen Kitas früher souverän hinweggesetzt haben. – Sobald die Feuerwehr weg war, wurde das Stoffsegel wieder aufgehängt.

Das musste ich jetzt mal loswerden, weil ich es noch nie mochte, wenn der Nachwuchs im Beruf sich eingebildet hat, so viel besser gewesen zu sein als die verpönten Bastel- und Kaffeetanten. Diese wehleidige Gejammere der Berufsgruppe über das Image als Bastel- oder Kaffeetanten scheint ja nie zu enden. Oder erst, wenn der Spott über die schablonenartige Erfüllung zahlreicher Dokumentationspflichten einsetzt.

Sobald früher vor den Ferien – für das Streichen der Räume – allesabgehängt war, merkte man, wie arg es im Raum ohne die verpönte Deko gehallt hätte.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Angelika Mauel

Kommt der Brandschutz, gehen oftmals Didaktik und Pädagogik in die Knie. Dabei wäre in einer sachlichen, objektiven, gerne auch ehrlichen Gefährdungsbeurteilung doch zu berücksichtigen, dass unter Lärmbelastung alle immerzu leiden, wohingegen Einrichtungen schon eher selten entflammen. Moderne Schallschutzelemente sind aber auch brandschutzkonform zu haben, aber eben nicht – tataaaa – für lau, ja sowas aber auch. Konnt ja keiner ahnen.

Angelika Mauel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Tatsächlich werden Brände während der Öffnungszeit der Kita meist schnell entdeckt und sind vor dem Eintreffen der Feuerwehr schon gelöscht. Problematisch wäre allerdings ein Schwelbrand in einer Zwischendecke, die plötzlich runterkracht.

Abgebrannt sind bereits einige Kitas aus Gründen, die nichts mit Fehlverhalten der Fachkräfte zu tun haben. Vandalismus und Brandsriftung außerhalb der Öffnungszeiten haben schon immense finanzielle Schäden eingerichtet. Neu errichtete Einrichtungen sind abgebrannt.

Ron
1 Jahr zuvor

Ich darf diese Erkenntnis auch gleich mal auf die Schulen übertragen. Auch hier dürfte ein großer Teil der Klassenräume weder akustisch noch lichttechnisch auf dem aktuellen Stand sein. Wer einmal in einem Klassenraum mit Schallschutz unterrichtet hat, der weiß dies zu schätzen. Teilweise ist der Unterschied wie Tag und Nacht, da die Schüler unbewusst auch leiser werden, wenn die Lautstärke der Nachbartische reduziert wirkt.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Ja, offenbar haben die Schulbau-Architekten dieses Problem über 100 Jahre lang gar nicht wahrgenommen. Es ging immer nur um technische DIN-Vorschriften. Aber ist eine schallschluckende Wand viel teurer als eine schallreflektierende Wand? Glaube ich eigentlich nicht.

TaMu
1 Jahr zuvor

Nicht waschbare Textilien wie Teppichböden oder stoffbezogene Stühlchen in der Kindertagespflege sind ein Ekelfaktor mit Rotz, Kotz und Hotzenplotz. Es kann schon sein, dass es dadurch ein bisschen leiser wird. Trotzdem finde ich, man sollte sich nicht komplett von der Hygiene verabschieden, sondern diese in die Planung einbeziehen.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Teppich in der Kita zeigt wieder, dass man echte Fachleute am Werk hatte und deren Ergebnisse gerne weiterreicht, ohne „seine eigenen“ Hygienevorgaben zu kennen. Lärmschutz muss gerade dort an die Wand, Decke, in Vorhänge, Pinnwände usw. … aber ich bin ja kein Fachleut.

Angelika Mauel
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Mein Eindruck ist, dass Krippenerzieherinnen schon richtig gut darauf trainiert sind, ein Kind soeben noch rechtzeitig vor dem Erbrechen hochzuheben )oder hochzureißen!) und auf den glatten Boden erbrechen zu lassen, damit der gute Tretford in der Puppen- oder Bauecke nicht vollgekotzt wird. Und dann gibt es ja auch noch dieses so genannte „Kotzepulver“, mit dem sogar der „leckere“ Geruch drastisch reduziert werden kann.

Da Firmen mit stoffbezogenen Kindermöbeln Geld verdienen können, wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis die neusten Modelle auf der Bildungsmesse didacta ausgestellt werden. – In Zügen und Bussen gibt es schon lange diese pflegeleichten Bezüge für die Sitze.

Wir sollten mal nicht so viel meckern. Es gibt auch Kitas, da wurde die Dachterrasse mit KUNSTRASEN ausgelegt. – Wenn da ein Kind mal auf den täuschend echt aussehenden Kunstrasen kackt…
Die hygienischen Herausforderungen lassen sich noch durch jede Menge „Qualitätsdurchfall“ steigern.