Unicef-Fotos 2022: Die Kraft der Bildung inmitten von Krieg und Gewalt

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BERLIN. Das Unicef-Foto des Jahres rückt die Bedeutung von Bildung für Kinder in Kriegs- und Krisengebieten in den Mittelpunkt. Das Siegerbild des argentinischen Fotografen Eduardo Soteras zeigt zwei Kinder, die in der kriegsverwüsteten Bibliothek einer Grundschule in der äthiopischen Region Tigray in Bücher vertieft sind. «Das Lächeln in ihren Gesichtern verrät einen Moment des Glücks. Es ist ein seltener Moment, umgeben von Zerstörung und Gewalt», teilte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen am Donnerstag bei der Preisverleihung in Berlin mit.

Der argentinische Fotograf Eduardo Soteras dokumentiert seit 2020 besonders die Situation der Kinder im Norden Äthiopiens. Dabei fotografiert er solch rare Augenblicke wie jene des Siegerbildes: In der zerstörten Bibliothek einer Grundschule in der äthiopischen Region Tigray vertiefen sich zwei Kinder in Bücher. Das Lächeln in ihren Gesichtern verrät einen Moment des Glücks. Es ist ein seltener Moment umgeben von Zerstörung und Gewalt. Foto: © Eduardo Soteras, Argentinien, AFP (Agence France Press)

Mit dem zweiten Preis wird ein Foto des amerikanischen Fotografen Ron Haviv aus einem Souterrain in Kiew (Ukraine) ausgezeichnet. Eine Gruppe von Kindern, die dort vor den Angriffen Zuflucht gesucht hat, blickt aufmerksam auf ein Kinderbuch, das ihnen gezeigt wird.

Eine Lehrerin liest einer Gruppe von Mädchen und Jungen in einem Souterrain der ukrainischen Hauptstadt Kiew Geschichten vor. Vielleicht ist es ein spannendes Märchen, das sich in den Augen der Kinder spiegelt. Aber ebenso könnten es all die von den Erfahrungen der Kinder ausgelösten Emotionen sein, die sich hier zeigen: von Angst bis Erschrecken bis Fassungslosigkeit. Foto: © Ron Haviv, USA, VII for 1843/Economist

Der deutsche Fotograf Daniel Pilar erhält den dritten Preis. Seine Reportage begleitete Schülerinnen in einer heimlichen Mädchenschule in der afghanischen Hauptstadt Kabul.

„Der Wunsch, Neues zu entdecken und zu lernen, ist bei Kindern oft so groß, dass er sie die Bedrohlichkeit einer Situation vergessen lässt. Das ist die Botschaft des UNICEF-Foto des Jahres 2022“, sagte Unicef-Schirmherrin Elke Büdenbender bei der Preisverleihung in Berlin. „Das Siegerbild fordert uns auf, alles zu tun, damit Kinder auch unter den widrigsten Umständen spielen und lernen können. Denn nur so können sie sich ihre Hoffnung und Zuversicht in Zeiten des Krieges und anderer Krisen erhalten.“

„Der Hunger nach Wissen und Bildung ist das verbindende Element der prämierten Bilder in diesem Jahr“, sagt Peter-Matthias Gaede, Mitglied der Jury und des Deutschen Komitees für Unicef. „Gerade in Konfliktgebieten und Krisenländern sind Schulen und psychosoziale Hilfsangebote Orte der Hoffnung, die die Kinder stabilisieren und ihnen Kraft geben.“

Die Reportage des deutschen Fotografen Daniel Pilar erzählt von einer heimlichen Mädchenschule im afghanischen Kabul. Er hat sie in einem behelfsmäßig hergerichteten Gebäude am Rande der Hauptstadt entdeckt, verborgen in einem Hinterhof. Hier unterrichtet eine junge mutige Lehrerin auch Mädchen der 7. und 8. Klasse. Und hier zeigt sich, dass deren Bildungshunger stärker ist als jedes Verbot. So anonym wie die Lehrerin müssen allerdings auch die Eltern bleiben, die ihre Töchter auf solche Schulen schicken. Foto: © Daniel Pilar, Deutschland, FAZ, Agentur laif

„Die Siegerbilder zeigen das Positive im gegenwärtigen Chaos der Welt“, erklärte Prof. Klaus Honnef, Vorsitzender der Jury. „Die Kinder auf diesen Fotos symbolisieren die Kraft und den Willen durchzuhalten und weiter nach einer besseren Zukunft zu streben.“ News4teachers

Hintergrund

„Es handelte sich um ein sehr kleines Dorf. Mir wurde berichtet, dass dort viele junge Menschen durch den Konflikt ihr Leben verloren hatten. Wir sahen eine Menge zerstörter Gebäude. Vielen Menschen war der Schockzustand anzusehen. Ein Anblick, der sich an diesem und allen weiteren Orten, die wir in der Region besuchten, wiederholte. Es war ungemein schrecklich zu sehen, welchem Leid die Menschen dort ausgesetzt sind“, so berichtet der Argentinische Fotograf Eduardo Soteras von seiner Arbeit in der äthiopischen Region Tigray.

„Die Perspektive auf Bildung ist der zentrale Aspekt“: der Fotograf Eduardo Soteras. Foto: privat / UNICEF

In Folge des Konflikts im Norden Äthiopiens braucht die Zivilbevölkerung dringend humanitäre Hilfe. Die Mehrheit der rund 5,2 Millionen Menschen in der Region Tigray hat unter Gewalt und Vertreibung, Unterernährung und Trinkwassermangel gelitten. Viele Gesundheitseinrichtungen und Schulen wurden zerstört. „Die Zustände für Kinder sind furchtbar. Die Lieferungen von Hilfsgütern werden durch den Konflikt enorm erschwert. Meine Eindrücke stammen vom Beginn des Konflikts. Ich gehe davon aus, dass es dort inzwischen um ein Vielfaches schlimmer zugeht“, so sagt Soteras. „Wenn ich über die Konsequenzen für die Bevölkerung nachdenke, befürchte ich das Schlimmste. Wir haben es hier mit einer schrecklichen Situation zu tun, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit Tag für Tag voranschreitet und inzwischen aufgrund des eingeschränkten Zugangs völlig undokumentiert bleibt. Das neue Friedensabkommen führt hoffentlich dazu, dass sich die Situation verbessert.“

Weiter betont er: „Die Perspektive auf Bildung ist der zentrale Aspekt, der wirklich einen Unterschied für die Zukunft dieser Kinder ausmachen kann. Es ist schrecklich, dass so vielen Kindern die Chance auf Bildung verwehrt bleibt. Als Nachkomme einer libanesischen Migrantenfamilie in Argentinien – einem Land das stark von Migration geprägt ist – durfte ich selbst erfahren, wie wichtig Bildung für die freie Gestaltung des Lebens ist. Ich habe die Hoffnung, dass sich die Dinge zum Guten wenden und meine Bilder dieser starken und zuversichtlichen Kinder etwas bewegen. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich meinen Job liebe und dankbar bin, ihn ausüben zu dürfen.“

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Ron
1 Jahr zuvor

Nach World-Press-Foto jetzt auch noch das UNICEF-Foto des Jahres. Wunderschön gestelltes Bild. Sogar die Kette mit Kreuz sitzt perfekt. Nur der Buchtitel „Monkey in the forest“ irritiert mich etwas.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Es geht bei solchen prämierten Bildern IMMER darum, eine „Message“ zu vermitteln, die gerade politisch opportun erscheint. Jetzt ist es eben „Bildung“ als Lösung aller Menschheitsprobleme. Ist ja auch kurzfristig viel billiger, als die wirklichen Probleme wie Kriege, Hunger, Klimaerwärmung und Armut anzugehen. „Bildung“ verlagert die Lösung dieser Probleme ganz bequem in die Zukunft, und wenn die Probleme nicht gelöst werden können, hat halt die „Bildung“ versagt. Ist doch einfach und praktisch. Und man muss am Status Quo erst einmal nichts ändern…

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

@Realist
Wie löst man Probleme wie Krieg, Hunger, Klimaerwärmung und Armut OHNE BILDUNG?

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Es geht doch nicht darum, dass „Bildung“ nichts bringt.

Sie bringt nur denjenigen erst einmal nichts, die JETZT unter Krieg, Hunger, Armut und Klima leiden. Insofern ist das Mantra „Bildung ist die Lösung aller Probleme“ nur eine kostengünstige Verschiebung der Problemlösung in die Zukunft: Wer (nur) nach mehr Bildung ruft, der legt die Hände in den Schoß und trägt nichts dazu dabei, die akuten Probleme zu lösen!

GS in SH
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Bildung ist essentiell.
Wenn wir alle Menschen soweit bilden könnten, dass sie den gebildeten, intelligenten, populistischen Rattenfängern nicht mehr ins Netz gehen würden, wäre die Welt ein schöner Ort.

Indra Rupp
1 Jahr zuvor
Antwortet  GS in SH

Aber die Foristen hier bei N4T sind doch schon gebildet…