Integration erledigt? Ukrainische Schüler sollen in Regelklassen, ihre Lehrer müssen gehen

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MAGDEBURG. Mit dem schrittweisen Wechsel geflüchteter ukrainischer Schülerinnen und Schüler aus den Ankunftsklassen in Regelklassen verlieren in Sachsen-Anhalt auch die knapp 200 befristet eingestellten ukrainischen Lehrkräfte ihren Job. Laut Bildungsministerium können sie nun die regulären Anerkennungswege für ihre ukrainischen Abschlüsse nutzen, um dann wieder im deutschen Schuldienst unterzukommen.

Erledigt!? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Knapp ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine besuchen rund 5700 geflüchtete ukrainische Jungen und Mädchen die Schulen in Sachsen-Anhalt. Schrittweise sollen alle in den deutschen Regelklassen und nicht mehr in Ankunftsklassen mit ukrainischen Lehrerinnen unterrichtet werden, wie das Bildungsministerium mitteilte.

Aktuell seien 192 ukrainische Lehrkräfte und 63 Fachkräfte für Deutsch als Zielsprache im Dienst. «Diese Lehrkräfte haben alle einen bis Schuljahresende befristeten Arbeitsvertrag. Sie scheiden nach aktuellem Stand planmäßig spätestens am 31. Juli 2023 aus», erklärte das Ministerium auf Nachfrage.

Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) hatte Ende Januar einen Brief an die Eltern der ukrainischen Kinder geschrieben und die Bedeutung des Erlernens der deutschen Sprache hervorgehoben. «Wesentliche Voraussetzungen für den angestrebten Schulerfolg ist das Erlernen der deutschen Sprache, die Motivation sich in den deutschen Schulalltag einzufügen und diesen Lebensabschnitt als Lernchance zu begreifen.» Eine reguläre Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe sei nur mit den dafür erforderlichen Kenntnissen der deutschen Sprache möglich, heißt es in dem Schreiben weiter.

«Wir sind deshalb sehr darum bemüht, die schulischen Angebote zur Sprachförderung weiter auszubauen, mehr unterschiedliche Angebote zu unterbreiten und bitten Sie, alle zusätzlichen Möglichkeiten zur Unterstützung Ihrer Kinder, die deutsche Sprache zu lernen, zu nutzen.» Regelmäßige Besucher zusätzlicher Schulveranstaltungen, die aktive Beteiligung an Freizeit-, Kultur- und Sportangeboten unterstützten die Integration.

«Ukrainische Kinder und Jugendliche sollen perspektivisch nicht nur wie ihre deutschen Mitschüler benotet werden, sondern vor allem genauso wie alle anderen Kinder und Jugendlichen mit Fluchthintergrund. Eigene Standards sind nicht gewollt»

Die rund 5700 ukrainischen Schülerinnen und Schüler lernen an allen Schulformen: rund 2200 an den Grundschulen, etwa 1600 an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen, knapp 1300 an Gymnasien. An den Förderschulen sind es 55, an den Gesamtschulen und Sportschulen Halle rund 270 Schüler. An den berufsbildenden Schulen lernen rund 320 Ukrainer.

«Innerhalb kürzester Zeit eine so große Anzahl an zusätzlichen Kindern und Jugendlichen in unserem Schulsystem aufzunehmen, hat uns vor große Herausforderungen gestellt», sagte die Bildungsministerin. «Umso erfreulicher ist es, dass dies so gut funktioniert hat. Ich bin allen an Schule Beteiligten ausgesprochen dankbar für die große Solidarität und Offenheit, die den ukrainischen Geflüchteten entgegengebracht wurde und wird.»

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Die Integration der ukrainischen Schülerinnen und Schüler ist aus Sicht der Vorsitzenden des Grundschulverbandes, Thekla Mayerhofer, sehr unterschiedlich vorangeschritten. Als vor einem bis einem dreiviertel Jahr viele ukrainische Kinder und Jugendliche kamen, habe man sie an einigen Schulen in so viele verschiedene Klassen wie möglich aufgeteilt. In anderen habe es die räumlichen Voraussetzungen gegeben, um mit ukrainischen Lehrkräften separaten jahrgangsübergreifenden Unterricht anzubieten – die Ankunftsklassen. Teils habe es auch extra Hortgruppen für ukrainische Kinder gegeben.

Entsprechend unterschiedlich seien die Sprachkenntnisse. Mayerhofer sagte, manche sprächen so toll Deutsch, dass man nicht glauben könne, dass sie erst ein Jahr hier seien. Andere lebten eher eingeigelt. Insgesamt, so sagte Mayerhofer, brächten sich die ukrainischen Familien bei Schulfesten und auch sonst sehr ein. Es sei zu hören, dass viele schon viel länger hier seien, als sie bleiben wollten. Die Perspektive fehle vielfach, angesichts des andauernden Krieges.

Auch Bildungsministerin Feußner betonte an ihrem Elternbrief: «Es ist uns bewusst, dass Ihre aktuelle Lebenssituation von großer Unsicherheit geprägt ist. Auch das Gefühl, sich emotional und teilweise auch schulisch zwischen zwei Systemen zu befinden, ist sicherlich nur unter großen Anstrengungen möglich.» Es komme jetzt darauf an, dass die Schüler aus der Ukraine ihre Schullaufbahn auch im Schuljahr 2023/24 erfolgreich fortsetzen oder erfolgreich abschließen können.

Laut dem Landesschulamt werden ukrainische Kinder und Jugendliche, die eine Ankunftsklasse besuchen, dort nicht benotet. Der Besuch werde aber vergleichbar mit Zeugnissen dokumentiert. Das Ziel der Ankunftsklassen sei, dass die ukrainischen Kinder und Jugendlichen in die Regelklassen wechseln können. Der individuelle Lernstand werde dazu betrachtet. Und der Wechsel geschehe an vielen Schulen bereits. Eine landesweite Erhebung, wie viele Ankunftsklassen mit wie vielen Schülern es aktuell gibt, liegt laut Ministerium nicht vor.

Aus dem Landesschulamt hieß es weiter: «Lernen ukrainische Kinder und Jugendliche in den Regelklassen, werden sie dort auch regulär benotet.» In begründeten Fällen könne die Benotung aufgrund nicht ausreichender Deutschkenntnisse ausgesetzt werden. Das sei in den ersten beiden Schuljahren möglich. Für Abschlussklassen gelten nochmal eigene Regeln.

Ein Sprecher des Landesschulamts betonte: «Ukrainische Kinder und Jugendliche sollen perspektivisch nicht nur wie ihre deutschen Mitschüler benotet werden, sondern vor allem genauso wie alle anderen Kinder und Jugendlichen mit Fluchthintergrund. Eigene Standards sind nicht gewollt. Das gebietet bei allem nachvollziehbaren Entgegenkommen die Fairness.»

Den befristet eingestellten ukrainischen Pädagoginnen und Pädagogen, die langfristig in Deutschland bleiben wollen, können laut dem Bildungsministerium die regulären Anerkennungswege für ihre ukrainischen Abschlüsse nutzen. Sie müssten ebenfalls die zwingend benötigten deutschen Sprachkenntnisse nachweisen. News4teachers / mit Material der dpa

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16 Kommentare
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447
1 Jahr zuvor

Für mich unverständlich – aber gut, die Politik weiß es ja wieder besser.
In einem Jahr (?) haben Teil traumatisierte Jugendliche aus einem völlig anderen Sprach- und Kulturraum sicher so gut Deutsch gelernt, dass sie Regelunterricht folgen können…ist klar. 🙁

Last edited 1 Jahr zuvor by 447
Tom
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Ich kenne keine Alternative mit wirklicher Perspektive. Nach dem Gleichheitsgrundsatz hat selbstverständlich eine Gleichbehandlung mit geflüchteten Schülern aus anderen Ländern zu erfolgen.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Tom

Na ja, wie war das noch mit der Definition von Wahnsinn?
Das gleiche wiederholen und andere Ergebnisse erwarten.

Ich meine, gut, außer versteckt auf der Metaebenebsteht die Idee dahinter, förmlich allen „gleiche Chancen“ anzubieten, in Wirklichkeit aber genau zu wissen wie das ausgeht und DANN darauf zu hoffen, diese jungen Menschen
a) in Niedriglohnjobs zu pressen
b) die anderen Teilnehmer am Arbeitsmarkt durch diese weiter in der Lohnpresse zu halten.

Das wird (wenn auch aus anderen Gründen) bei den Ukrainerin genauso wenig funktionieren wie bei arabischen Flüchtlingen.

mama51
1 Jahr zuvor

Ich kann es nicht glauben… Heul 🙁

Palim
1 Jahr zuvor

Es ist ja nicht so, dass die ukrainischen Kinder und Jugendlichen alle zum gleichen Zeitpunkt gekommen wären, einige sind länger da, andere nicht.

Gibt es in anderen Bundesländern keinen Notenschutz für Migranten?

KARIN
1 Jahr zuvor

Sie haben nichts aus der letzten Flüchtlingswelle gelernt!
Das damalige Verhalten spiegelt sich noch heute bei den jungen Leuten, welche damals viel zu früh auf Förderunterricht und Begleitung verzichten mussten!
Viele sind noch heute nicht der deutschen Sprache so weit mächtig, dass sie in den Ausbildungsmarkt
integriert werden könnten und jetzt oft mehrere schlecht bezahlte Jobs am Tag/ in der Woche haben.
Die wenigsten werden nicht noch einmal die Schulbank drücken wollen oder können!

KARIN
1 Jahr zuvor
Antwortet  KARIN

Denkfehler: die meisten werden……;-)

Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor

Mit dem Ukrainekrieg lassen sich anscheinend keine politischen Lorbeeren mehr verdienen.
Aber zum Glück gibt es schon die nächste Tragödie, die endlich auch mal eine breitere Bevölkerungsschicht trifft. Wer mag es der Politik verübeln, jetzt das alte Pferd abzusatteln, wo doch ein Einhorn erschienen ist.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

-200, sinkend.

Last edited 1 Jahr zuvor by Dil Uhlenspiegel
Andre Hog
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Kann es sein, dass ich bereits die Nieten abplatzen höre, die das Boot zusammenhalten, Herr Kaleun?

Hamburgerin
1 Jahr zuvor

Bravo! Es gibt hier so viele ausländische Lehrer, die keine Möglichkeiten haben, in Schulen zu arbeiten.Man muss noch ein Fach studieren, C2 Deutsch Zertifikat haben.Ukrainer sind nichts besonders auf diese Welt.Gleiche Rechte für alle!

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hamburgerin

Nur zufällig sprechen ukrainische LuL und ukrainische SuS die gleiche Sprache, was mir gegenwärtig nicht so unpassend erscheint.

Studienrat
1 Jahr zuvor

Bei uns war das von Anfang an so (NRW). Unsere Schuldezernentin verwies darauf, dass Willkommensklassen nicht erwünscht seien. Nach einem Jahr sind die ukrainischen Kinder nun selbstverständlich immer noch nicht integriert; sie sprechen nur ganz wenig Deutsch.

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor

Das Problem ist ja, dass anders als bei anderen Flüchtlingskindern in der Vergangenheit und auch heute, man davon ausging, dass die überwiegende Mehrheit der ukrainischen Kinder recht schnell wieder in ihre Heimat zurückkehren würde. Da machte es durchaus Sinn sie mit ukrainischen Lehrern zu versorgen. Nun wird langsam klar, dass dem vielleicht nicht so ist und diese Kinder müssen nun so langsam in das regelschulsystem überführt werden. Dazu gibt es für jedes Bundesland ganz klare Vorgaben. In NRW ist das so, dass Kinder maximal 48 Monate außerhalb des Regelschulsystem – also in der Erstförderung – beschult werden können. Danach greift das Regelsystem und der Anspruch auf sprachliche Erstförderung und Alphabetisierung ist passé. Für diese Erstförderung stehen unterschiedliche Modelle zur Verfügung. Ein Modell sind die internationalen Klassen, in die die Kinder separiert vor allem in Deutsch und Mathe unterrichtet werden. Nach einiger Zeit wechseln sie dann in Regelklassen. Ein anderes Modell ist, dass die Kinder sofort in Regelklassen integriert werden und einige Stunden am Tag in Deutsch unterrichtet werden.
Keines der beiden Modelle sieht jedoch einen Unterricht des Herkunftlandes vor. Bei den ukrainischen Kindern wurde aber aus oben genanntem Grund dies anders gemacht und ukrainische Lehrer unterrichteten die Kinder im ukrainischem Lehrplan. Nun hat man den Effekt, dass die ukrainischen Kinder eine Sonderstellung einnehmen und das versucht man offenbar wieder einzufangen. Was ja auch aus Gründen der Gerechtigkeit anderen Nationen gegenüber eigentlich richtig ist.
Was dann leider aber auch den Effekt hat, dass die ukrainischen Lehrer hier ihre Anstellung verlieren.

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor

Es sind 24 Monate….

TaMu
1 Jahr zuvor

Das ist so schade, auch die Einstellung, alle Kinder und Jugendlichen nun gleich schlecht behandeln zu wollen. Es sind hauptsächlich Frauen mit ihren Kindern aus der Ukraine geflohen, folglich gibt es darunter einige Lehrerinnen, die sogar Deutsch sprechen und die Willkommensklassen leiten konnten.
Es gibt mittlerweile so viele geflüchtete Menschen in Deutschland, dass es möglich sein müsste, Willkommensklassen in den jeweiligen Landessprachen einzurichten. So könnten alle geflüchteten jungen Menschen verständnisvoll aufgefangen werden und die deutsche Sprache lernen, mit der sie dann am Regelunterricht teilnehmen könnten.
Es sollte in den Willkommensklassen auch hauptsächlich Sprache und die deutsche Art zu leben vermittelt werden und keine Lehrpläne aus anderen Ländern. Aber so könnten mehr zugewanderte Kinder geschützt Deutsch lernen und durch eine erwachsene Person, die ihre Probleme aus eigener Erfahrung kennt, lernen, wie man sich hier gut integrieren kann. Ich glaube, Kinder lernen das zwar auch beim Zuschauen in deutschen Regelklassen, können aber ihre Fragen dazu nicht stellen und ihrer Verwirrung keinen Ausdruck geben, was vermutlich verunsichernd auf diese Kinder wirkt. Das könnte ein „erfahrener Geflüchteter“ viel besser lösen als der praktizierte Schubs ins kalte Wasser des Lernens durch Dabeisein. Ein Lernbegleiter mit demselben Hintergrund im ersten Jahr würde auch seelische und anderweitige Störungen schneller erkennen als Lehrkräfte in Regelklassen, weil er mit dem Kind in der Landessprache über Schwierigkeiten sprechen könnte. Es wäre also besser, Willkommensklassen auf alle Flüchtlingskinder auszuweiten, statt sie nun auch für die Ukrainer im Sinne der Gleichbehandlung aufzugeben.