„Eine Minute vor zwölf“: Grundschulen wenden sich mit Brandbrief an Bildungsministerin

33

In einem Offenen Brief haben Eltern und Lehrer der Ludwigshafener Grundschulen die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) mit Nachdruck zu Reformen aufgefordert. «Die Uhr schlägt eine Minute vor zwölf», heißt es in dem mehrseitigen Schreiben von Schulleitungen und Schulelternbeiräten, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Kritisiert wurden vor allem mangelnde Deutschkenntnisse vieler Kinder – und eine hohe Belastung der Lehrkräfte.

Die Situation in den Ludwigshafener Grundschulen ist nach Ansicht von Lehrkräften und Eltern untragbar. Foto: Shutterstock

Um Missstände an den Grundschulen in Ballungszentren sinnvoll anzugehen, müsse politisch gehandelt werden – insbesondere mit größeren personellen Ressourcen, hieß es. «Wir fordern Sie auf, sich der Probleme unserer Schulen anzunehmen und hoffen auf baldige, konstruktive Lösungsvorschläge aus Ihrem Ministerium.»

Konkret wurde in dem Schreiben etwa genannt: «Bei 8 bis 25 Prozent der Kinder von Stufe 1 und 2 ist die Versetzung gefährdet beziehungsweise wird das Klassenziel nicht erreicht.» Etwa 35 bis 70 Prozent der Kinder in Grundschulen der zweitgrößten Stadt in Rheinland-Pfalz verfügten über kaum oder gar keine Deutschkenntnisse oder mindestens sprachliche Defizite. «Viele Kinder sind in Deutschland geboren, haben zum Teil die Kita besucht und verfügen trotzdem nur über unzureichende Deutschkenntnisse.»

«Daraus resultiert ein hoher Krankenstand und eine Überbelastung der verbleibenden Kolleginnen und Kollegen»

Die Belastung der Lehrkräfte habe extrem zugenommen, hieß es. «Daraus resultiert ein hoher Krankenstand und eine Überbelastung der verbleibenden Kolleginnen und Kollegen.» Das mache die Stadt unattraktiv. «Für Ludwigshafen finden sich keine Lehrkräfte.»

Um ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag gerecht zu werden, benötigten die Grundschulen in Ludwigshafen «dringend massive und intensivierte politische Unterstützung», hieß es in dem Offenen Brief. Genannt werden etwa mehr Personal und kleinere Klassen sowie eine intensivere Sprachförderung für Kinder in Zusammenarbeit mit den Eltern. «Damit sie sich die Welt erschließen und kommunizieren können. Nur so ist Teilhabe in der Schule und am gesellschaftlichen Leben möglich», hoben Schulleitungen und Schulelternbeiräte hervor.

Vertreter des Bildungsministeriums, der Schulaufsicht und der Stadt Ludwigshafen waren sich unlängst bei einem Treffen einig, dass es für Grundschulen in Ludwigshafen künftig zusätzliche Förderangebote geben soll. Zudem prüfe die Schulaufsicht zusätzliche Stundenzuweisungen an die Grundschule Gräfenau in der Stadt am Rhein. Dort müssen möglicherweise 40 der 126 Erstklässler das Schuljahr wiederholen. Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. News4teachers / mit Material der dpa

40 Erstklässler nicht schulreif: Grundschule in Ludwigshafen ist kein Einzelfall

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

33 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Dil Uhlenspiegel
11 Monate zuvor

Eine Minute vor zwölf, dann ist ja gleich Pause.

PS: Wieso „vor“?

Teacher Andi
11 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Pause ist erst viertel nach zwölf, und ich glaube, diese Pause haben wir schon verpasst.

Mariechen
11 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Das habe ich mich auch gefragt. Es signalisiert den Verantwortlichen sie hätten noch Zeit. Haben wir aber nicht mehr.

Canishine
11 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Vor wie vielen Jahren war es denn fünf vor zwölf?

Pälzer
11 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Irgendwann sind solche Metaphern auch ausgeleiert. Können Pädagogen nicht klare Worte wählen? Es ist dramatisch schlimm, und wenn wir nicht genug Lehrer finden … gut möglich, dass es einfach nicht genug ausgebildete Lehrer für diese Kinder gibt!! Dann müsste jemand anders in die Schulen gehen, der wenigstens Liebe und Ausdauer hat und gut Deutsch kann.

DerechteNorden
11 Monate zuvor
Antwortet  Pälzer

Das habe ich auch gedacht.
Ich finde es gut, dass die Eltern Alarm schlagen und hier darüber berichtet wird.

Jetzt sollten auch noch sämtliche anderen Eltern in Deutschland Alarm schlagen.

Mariechen
11 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Wird nicht passieren. Wäre allerdings schön, wenn ich mich irre. Ich hatte diese Woche Elternabend 1.Klasse Thema Leseförderung. Niemand, wirklich niemand wusste etwas mit der Iglu Studie und dem desaströsen Abschneiden der deutschen Schüler anzufangen. Ich unterrichte nicht an der Brennpunktschule und die Eltern haben teilweise akademische Abschlüsse.

Georg
11 Monate zuvor

Da Appelle an die Eltern nicht funktionierten, müssen härtere Geschütze aufgefahren werden.

Und ja, in 20 Jahren wird das noch viel schlimmer sein.

Pälzer
11 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Geschütze? Ukrainekrieg? Verunglückte Metapher?

Mariechen
11 Monate zuvor
Antwortet  Pälzer

Legen Sie doch bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Es ist dramatisch schlimm – wie Sie oben geschrieben haben. Genau das drückt Georg aus. Jemand anders, der Liebe und Ausdauer hat soll in die Schule gehen? Soweit sind wir schon?

Martina
11 Monate zuvor

Reformen? Ja bitte, aber nicht von der traumtänzerischen Sorte, die seit Jahrzehnten zwar für tolle Versprechungen sorgt, die Schulbildung in Wahrheit aber ruiniert.

Nordost
11 Monate zuvor

Wenn ein in Deutschland geborenes Kind zum Zeitpunkt seiner Einschulung oder sogar darüber hinaus der deutschen Sprache immer noch nicht mächtig ist, dann liegt ganz eindeutig eine – vom Elternhaus nicht nur geduldete, sondern sogar noch aktiv geförderte – Verweigerungshaltung vor und auch peinliche Versuche, alles nur auf die böse rassistische Gesellschaft zu schieben ziehen irgendwann nicht mehr.

DerechteNorden
11 Monate zuvor
Antwortet  Nordost

„… vom Elternhaus nicht nur geduldete, sondern sogar noch aktiv geförderte – Verweigerungshaltung“ – Nein, oder?

Sie scheinen niemanden zu kennen, auf den das zutrifft. Das ist häufig ganz anders. SO ist es in der Regel eben nicht. Was hätten die Eltern denn davon?

Nordost
11 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Warum maßen Sie sich an zu wissen, wen ich kenne und wen nicht?
Ich vergaß lediglich zu präzisieren, dass die Verweigerungshaltung bei Weitem nicht nur die Sprache betrifft, aber letzten Endes auch nicht vor der Sprache halt macht.
Was die Eltern davon hätten? Na überlegen Sie doch mal. Wozu auch nur geringste Regungen zur Integration vollziehen, wenn mittlerweile – je nach Stadt/Stadtteil – von Einkaufsmöglichkeiten über Ärzte bis hin zu Anwälten sämtliche relevante Infrastruktur in der eigenen Sprache vorhanden ist?

DerechteNorden
11 Monate zuvor
Antwortet  Nordost

Ich habe in meiner multi-kulti Schule noch keine Eltern kennengelernt, die aktiv daran arbeiten, dass ihre Kinder kein Deutsch lernen.
Dass sich in solchen „Ghettos“ für Erwachsene nicht die Notwendigkeit ergibt, die Gastlandsprache gut zu lernen, das ist so. Aber dass diese Erwachsenen nicht wollen, dass ihre Kinder die Sprache nicht sprechen, können Sie nicht ernsthaft glauben.
Ich bleibe dabei, die Eltern hätten nichts davon, denn das hieße doch, dass sie es richtig fänden, dass ihre Kinder in der Schule nichts mitbekämen und dadurch auch keinerlei Abschluss erreichen könnten. Was wären das denn für seltsame Eltern?

Alx
11 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Habe ich schon häufig erlebt, dass Eltern ihre Kinder bewusst nicht in den Kindergarten schicken, dass sie erstmal nur die Muttersprache lernen.
Warum? Keine Ahnung. Ihren Kindern tun sie damit jedenfalls keinen Gefallen.
Der Großteil der Eltern hat aber tatsächlich großes Interesse daran, dass ihre Kinder Deutsch lernen.

Klara
11 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Eine Plauderei aus dem Nähkästchen…
Ach nee, Lehrerzimmer:
Ca. 2013, ein quereingestiegener IT-ler arbeitete als Lehrer an meiner Grundschule, er Grieche, seine Frau Russin bekamen damals ein Kind. Kolleg*innen freuten sich mit ihm und fragten, welche Sprache das Kind zuerst lernen solle.
„Na Griechisch und Russisch!!!“
Verdutzte Blicke und ebensolche Fragen der Lehrer*innen: „Und Deutsch???“
Verdutzter Blick des griechischen Kollegen und Antwort mit dem Brustton der Überzeugung: „Na das lernt er doch in der Schule!!!“
Schockierte Blicke der Kolleg*innen sowie Widerspruch bis Protest.
Vielleicht keine aktive, aber definitiv unterlassene Sprachförderung.
P. S. Der Kollege wurde nur in Klasse 5 und 6 eingesetzt, da konnten sich die meisten Kinder dann auf deutsch verständigen…

Nordost
11 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Ich verstehe schon.
Mihigru-Familien in Berlin, Hamburg, Bremen, Ruhrgebiet, Frankfurt usw., die nach 3 und teilweise sogar 4 Generationen in Deutschland gänzlich ohne Deutschkenntnisse auskommen, dieses Land und seine Lebensart verachten wo es nur geht und diese Einstellung fleißig an ihre Kinder und Kindeskinder weitergeben habe ich mir nur ausgedacht bzw. gehe nur rechtspopulistischen Märchen auf den Leim.

DerechteNorden
10 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Ich habe eine doppelte Verneinung in meinem Beitrag. Natürlich muss es heißen “ … nicht wollen, dass ihre Kinder die Sprache sprechen, …“

@Nordost: „… dieses Land und seine Lebensart verachten wo es nur geht und diese Einstellung fleißig an ihre Kinder und Kindeskinder weitergeben habe ich mir nur ausgedacht bzw. gehe nur rechtspopulistischen Märchen auf den Leim.“

Ja, und ich maße mir erneut an zu behaupten, dass Sie diese Leute nicht kennen, wenn Sie so etwas schreiben, als träfe das pauschal auf fast alle zu.
Was genau ist denn Ihre Expertise, dass Sie das so meinen sagen zu können?
Zu meiner: Ich unterrichte an einer Schule mit einem Anteil von Kids mit Migrationshintergrund von über 50 %. Die allermeisten Kids aus dieser Gruppe haben einen türkischstämmigen Hintergrund, weil die Stadt damals sehr viele Gastarbeiter*innen aus der Türkei aufgenommen hat. Wir haben auch sehr viele Kids mit syrischen und afghanischen Wuzeln und aus verschiedenen afrikanischen Ländern.

Nordost
10 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

„wenn Sie so etwas schreiben, als träfe das pauschal auf fast alle zu.“ – Habe ich wo genau behauptet?

Ich bin selbst Migrant (seit 29 Jahren in Deutschland) und kenne dieses Milieu von innen. Kein Lehrer, aber etliche davon (auch mit Sozialarbeiter-Erfahrung) im Bekanntenkreis. Den geschilderten Sachverhalt habe ich sowohl selbst beobachtet, als auch von außerhalb bestätigt bekommen. Es mag nicht einfach zu glauben sein, aber wenn sich diese totale Ablehnung tatsächlich über mehrere Generationen hinzieht, kann eigentlich nichts anderes dahinterstecken als pure Absicht. Sie mögen diese Eltern für „komisch“ halten – sie selbst sind da vermutlich anderer Meinung, da sie es seitens ihrer Eltern (wenn nicht schon der Großeltern) offenbar auch nicht anders erlebt haben.

Last edited 10 Monate zuvor by Nordost
DerechteNorden
10 Monate zuvor
Antwortet  Nordost

Was für Leute meinen Sie denn konkret, wenn Sie von „totale(r) Ablehnung“ schreiben? Ich habe ganz konkrete Gruppen genannt, auf die das so pauschal nicht zutrifft. Welche Menschen meinen Sie denn?
Gibt ja auch Deutsche, z.B. Reichsbürgys, die unseren Staat so ablehnen, dass sie sogar Polizist*innen versuchen zu töten. Das sind Leute, bei denen ich von totaler Ablehnung sprechen würde.

Nordost
10 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Lesen Sie sich die Konversation noch einmal durch – dann wissen Sie, was und wer gemeint ist und müssen sich nicht in Whataboutismen und Godwin’s Law flüchten.

Tigrib
10 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Sie arbeiten oft aber auch nicht aktiv daran, dass ihr Kind Deutsch lernt!

Steven
11 Monate zuvor
Antwortet  Nordost

Da stimme ich zu, bin selbst GS Lehrer- zwar nicht im Brennpunkt – und nehme migrantische Eltern war, die nach Jahren in Deutschland so gut wie kein Deutsch sprechen. Vor allem die Frauen scheinen hier völlig abgehängt. Führt dann dazu, dass diese Zuhause mit den Kindern bleiben und in ihrer Bubble sind.
Eine Bekannte von uns ist Georgierin und arbeitet im sozialen Bereich (Frauenhaus, Flüchtlingshilfe) und ist immer wieder völlig frustriert darüber, dass Deutschland es als eine der wenigen Länder immer noch nicht schafft verbindliche Sprachkurse durchzusetzen bzw. Anreize zu schaffen sich besser zu integrieren.
Wenn dann vor Eintritt i d GS nur Kontakt zur Muttersprache da ist obwohl die Kinder hier geboren sind (also 6 bis 7 Jahre lang!), muss man die Kinder erst an den deutschen Wortschatz heranführen. Das ist unfassbar kräftezehrend in Klassen die dann auch noch Inklusion leisten sollen. Und jede GS Lehrkraft mit Klassenleitung soll dann noch individuelles Material f d Kinder mit Förderschwerpunkten bereit stellen.
Es ist wie Glücksrad, entweder man bekommt 3,4,5 Kinder mit Förderbedarf usw in seine Klasse, dann hat man extrem viel Arbeit ( Klassenarbeiten anpassen, Förderplangespräche, individuelle Dokumentation und und und…) oder halt nicht. Dann hat man immer noch viel Arbeit aber ist nicht dauerhaft am Limit.
Es gibt auch Nachteilsausgleiche (Sprache zB), die müssen aber auch wieder individuell besprochen werden.
Natürlich sind nicht alle migrantischen Eltern so aber leider häufig. Wenn dann in Stadtvierteln mit hohen migrantischen Anteilen eine GS nur noch 30% deutsche Muttersprachler in der ersten Klasse bekommt wird es halt schwierig.
Aber selbst 5 Kindern i d ersten Klasse parallel noch Deutsch beibringen ist schon fast unmöglich ohne die anderen Kinder zu benachteiligen.

DerechteNorden
11 Monate zuvor
Antwortet  Steven

Und würden Sie das als „aktiv geförderte Verweigerungshaltung“ bezeichnen? Was hieße, dass die gar nicht wollen, dass ihre Kinder Deutsch lernen.
Oder ist es nicht viel mehr so, dass vielen dieser Familien schlicht und einfach das Verständnis fehlt, wie wichtig Bildung und damit auch der Spracherwerb ist?

Lera
11 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Für solch ein fehlendes Verständnis fehlt mir das Verständnis.

DerechteNorden
10 Monate zuvor
Antwortet  Lera

Ja, das ist sogar sehr ärgerlich, aber nicht aktiv verachtend, wie Nordost meint.

Last edited 10 Monate zuvor by DerechteNorden
A.J. Wiedenhammer
11 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Ernsthaft? Das Verständnis dafür, dass es von Vorteil wäre, die Sprache des Landes zu können, in dem man lebt?

DerechteNorden
10 Monate zuvor

Ja. Wieso verwundert es Sie so sehr? Weil Sie auch meinen, dass die alle die Sprache des Gastlandes und das Gastland selbst verachten, wo es nur geht, wie es der Forist, auf den ich reagiert habe, schrieb?

Mariechen
10 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Nur wollen reicht nicht. Man muss es tun.

DerechteNorden
10 Monate zuvor
Antwortet  Mariechen

Ja. Der Forist meint aber, dass die nicht wollen.

Tigrib
10 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Also das sagt einem doch allein der gesunde Menschenverstand. Ich kann nur in einem fremden Land gut zurecht kommen, wenn ich die fremde Sprache beherrsche.

Alx
11 Monate zuvor

Als ich vor vielen Jahren in Ludwigshafen gearbeitet habe, hat es sich schon nach 15:32 Uhr angefühlt.

Aber die gute Nachricht: nach 12 ist wieder vor 12. Daran ändert auch ein Brandbrief nichts.

Last edited 11 Monate zuvor by Alx