Kinderschutzbund: Warum stehen Kinderrechte noch immer nicht im Grundgesetz?

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BERLIN. Für sein Engagement für Kinder hat er das Bundesverdienstkreuz bekommen. Nach 30 Jahren als Präsident des Kinderschutzbundes hört Heinz Hilgers nun auf. Er wünscht sich mehr Chancengerechtigkeit und hofft, dass Kinderrechte irgendwann im Grundgesetz verankert werden.

Drei Viertel der Kinder in Deutschland geht es gut… (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Der scheidende Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, hat kurz vor seinem Abschied aus dem Amt nach 30 Jahren an die Gesellschaft appelliert, für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen. «Jedes Kind in unserem Land hat Talente, gleichgültig, ob mit einer Behinderung, ob Migrationshintergrund, ob Mädchen, Junge oder divers, ob aus armer oder reicher Familie», sagte er. «Mein bester Wunsch wäre, dass wir Lebensbedingungen schaffen, die es jedem Kind ermöglichen, diese Talente zu entfalten.»

Weg hin zur Inklusion kritisch: Kinderschutzbundpräsident Heinz Hilgers. Foto: DKSB Bundesverband e.V.
Tritt ab: Kinderschutzbundpräsident Heinz Hilgers. Foto: DKSB Bundesverband e.V.

Einem Großteil der Kinder in Deutschland gehe es historisch gesehen besser als je zuvor und auch besser als in den meisten anderen Ländern der Erde, sagte Hilgers. Das gelte für zwei Drittel bis drei Viertel der Kinder. «Für die anderen gilt das leider nicht.» Hilgers verwies auf Kinderarmut und warb vor diesem Hintergrund für das Projekt der Kindergrundsicherung.

Der 74-Jährige Hilgers gibt sein Ehrenamt an diesem Freitag ab. Bei einer Abendveranstaltung in Berlin feiert der Kinderschutzbund gleichzeitig sein 70-jähriges Bestehen. Als Rednerinnen eingeladen sind unter anderem Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Nachfolgerin von Hilgers soll die Pädagogik-Professorin und bisherige Vizepräsidentin des Verbandes, Sabine Andresen, werden.

Hilgers selbst hat drei erwachsene Söhne und eine fünfjährige Enkeltochter, über die er sich sehr freue, wie er im Gespräch sagte. Die manchmal geäußerte Aussage, in diese Welt könne man keine Kinder setzen, kann er nicht nachvollziehen. Kinder seien eine emotionale Bereicherung. «Die richtige Idee ist, die Welt versuchen zu verändern, zuerst in seinem eigenen Umfeld, dann im Land und der Politik, damit auch die Kinder eine glückliche und gute Zukunft haben.»

Der scheidende Kinderschutzbund-Präsident zeigte sich insgesamt zufrieden mit dem, was während seiner Präsidentschaft erreicht wurde und verwies beispielsweise auf das vor mehr als 20 Jahren aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch gestrichene «elterliche Züchtigungsrecht», das durch ein Recht der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung ersetzt wurde. «Das hat sicherlich auch Verhalten gegenüber Kindern in der ganzen Gesellschaft verändert.»

«Auch emotionale Gewalt, emotionale Erpressung, psychischer Druck und seelische Verletzungen sind furchtbar»

Wichtige Baustellen in der Kinderpolitik bleiben nach Ansicht von Hilgers aber der Kampf gegen Kinderarmut und eine verstärkte Prävention nicht nur gegen physische Gewalt gegen Kinder. «Auch emotionale Gewalt, emotionale Erpressung, psychischer Druck und seelische Verletzungen» seien furchtbar.

Sehr am Herzen liege ihm, dass Kinderrechte explizit im Grundgesetz verankert werden. «Das Grundgesetz ist mehr als nur eine Ansammlung von Paragrafen. Es ist das Leitbild unserer Nation. Und wenn da die Kinderrechte fehlen, dann stimmt was mit dem Leitbild nicht.» Man müsse verlangen, dass sich Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit dazu bekennen und das Grundgesetz entsprechend ändern.

Hilgers, selbst SPD-Mitglied, unterstützt die von der Ampel-Koalition geplante Kindergrundsicherung, in der verschiedene staatliche Leistungen für Kinder zusammengeführt und durch die Bedürftige besser erreicht werden sollen. Der Kinderschutzbund setzt sich gemeinsam mit anderen Organisationen seit Jahren dafür ein.

Mit Blick auf den Streit in der Ampel über die Finanzierung des Projekts verwies er auf die dreistelligen Milliardenpakete für die Bundeswehr und zur Abmilderung der hohen Energiepreise. «Und da scheitert es jetzt an einem Betrag von 12 Milliarden?» Das sei keine Frage der Finanzen, sondern eine Frage der Haltung.

Was Erwachsene von Kindern lernen können? «Die Ehrlichkeit, Unbekümmertheit und diese wunderbare Art zu entdecken und immer wieder neu zu lernen», sagte Hilgers. News4teachers / mit Material der dpa

Weltkindertag: GEW fordert, Kinderrechte im Grundgesetz festzuschreiben

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2 Kommentare
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Pälzer
11 Monate zuvor

Die meisten Kinderrechte sind (als Menschenrechte) bereits im Grundgesetz.
Ein Recht aber wäre sehr wichtig: „Jedes Kind hat das Recht, seinen Vater und seine Mutter zu kennen und mit ihnen gemeinsam zu leben.“

PaPo
11 Monate zuvor
Antwortet  Pälzer

Ich stimme Ihnen zu, dass spezielle Kinderrechte angesichts der Universalität der Menschenrechte redundant scheinen (oder könnte mir jmd. erläutern, welchen Mehrwert man sich erhofft oder welche Rechte speziell ggü. Kindern fehlen sollen?), aber bei Ihrem selbstformulierten Recht möchte ich Ihnen nicht zustimmen, da dieses m.E. mit den Rechten der (biologischen) Eltern massiv kollidiert. Weshalb sind Sie der Meinung, dies wäre „sehr wichtig“?