Prien schließt „Deutschlands schlimmste Schwänzer-Schule“ (laut „Bild“) – zurecht?

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KIEL. Eine kleine Privatschule in Lübeck wird von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU)  wegen einer angeblichen Häufung von Ungereimtheiten geschlossen. Die Bild-Zeitung titelt: «Deutschlands schlimmste Schwänzer-Schule». Die Schulleitung wehrt sich allerdings gegen den Widerruf der Genehmigung – und weist die Vorwürfe zurück. Die FDP fordert nun Rechenschaft von der Landesregierung.

Hat ihr Ministerium vergessen, dass es der freien Schule einen Unterrichtsbetrieb in zwei Schichten genehmigt hat? Karin Prien. Foto: Bildungsministerium Schleswig-Holstein

«Kinder und Lehrer fast nie da!» – behauptet die «Bild»-Zeitung. Sie schreibt: «Diese Schule sehen Kinder und Lehrer außergewöhnlich selten von innen! Das Schulministerium Schleswig-Holstein hat die ‚Freie Dorfschule Lübeck‘ dichtgemacht, weil bei Kontrollen kaum jemand da war.»

Fakt ist: Wegen einer Häufung von angeblichen Ungereimtheiten hat das Bildungsministerium die Freie Dorfschule Lübeck, in der rund 50 Kinder und Jugendliche angemeldet sind, geschlossen. Die sogenannte Ersatzschulgenehmigung sei mit Schreiben vom 19. Mai widerrufen worden, teilte das Ministerium am Montag mit. Dass einer Privatschule die Genehmigung entzogen wird, ist nach Angaben eines Ministeriumssprechers sehr selten. An einen solchen Fall könne er sich derzeit nicht erinnern. Die Freie Dorfschule Lübeck will eigenen Angaben zufolge gerichtlich gegen die Schließung vorgehen.

Auch wenn der Widerruf der Genehmigung mit sofortiger Wirkung gilt und die Schule damit geschlossen ist, gibt es nach Angaben des Ministeriumssprechers eine Wochenfrist, bis der Schulbetrieb komplett eingestellt sein muss. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Schülerinnen und Schüler vor verschlossener Tür stehen.

«Hier drängt sich der Verdacht auf, dass Eltern ihre Kinder an dieser Schule angemeldet haben, um die Schulpflicht zu umgehen»

Das Ministerium hat eigenen Angaben zufolge seit Beginn des Schuljahres 2022/23 immer mehr Hinweise erhalten, dass bei der Schule gravierende Defizite im Schulbetrieb bestehen könnten. Daraufhin habe es von Schul- und Rechtsaufsicht sowie dem zuständigen Schulamt im Februar und März 2023 mehrere unangekündigte örtliche Schulprüfungen gegeben. Dabei wurde demnach festgestellt, dass vor Ort regelmäßig weniger als die Hälfte der angemeldeten Schülerinnen und Schüler anwesend waren. Zudem seien regelmäßig lediglich zwei Lehrkräfte da gewesen, obwohl laut Plan mehr Pädagoginnen und Pädagogen im Dienst gewesen sein müssten.

«Diese Häufung von Ungereimtheiten hat unser Ministerium dazu veranlasst, die Genehmigung der Schule zu widerrufen», sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU). «Unser Schulgesetz erlaubt Privatschulen, aber wir schauen sehr genau hin. Wenn wir Hinweise bekommen, dass es nicht ordentlich läuft, schließen wir eine solche Schule.» Prien sagte, guter Präsenzunterricht sei wichtig für Kinder und Jugendliche. «Hier drängt sich der Verdacht auf, dass Eltern ihre Kinder an dieser Schule angemeldet haben, um die Schulpflicht zu umgehen.»

Die Schule weist die Vorwürfe zurück. Gegen die Schließung werden gerichtliche Schritte vorbereitet, wie Schulleiterin Andrea Buchholz in einer Stellungnahme mitteilte. «Den Widerruf stützt das Ministerium auf falsche Angaben.» Dafür, dass bei den Kontrollterminen nur die Hälfte der Schüler anwesend war, gibt es danach eine einfache Erklärung: Die Freie Dorfschule Lübeck beschule aktuell 48 Kinder in zwei Klassen. «Eine davon am Vormittag, eine am Nachmittag. Das hat das Ministerium 2018 schriftlich genehmigt.»

Die Schule habe zudem digitales Lernen in ihrem genehmigten Konzept seit der Gründung 2015 verankert, erfolgreich in der Pandemie umgesetzt und tue dies bis heute, sagte Buchholz. Nach Angaben der Schulleiterin gebe es viele Anfragen von Familien. «Die Anfragen sind nach der Pandemie noch in die Höhe geschnellt. Wir sind bereits über Jahre ausgebucht.»

«Schon die Besuche der Behörde bei uns zeugten von wenig pädagogischem Feingefühl»

Buchholz kritisierte die kurzfristige Schließung «mitten in der heißen Prüfungsphase» als pädagogisch unverantwortlich. «Schon die Besuche der Behörde bei uns zeugten von wenig pädagogischem Feingefühl.» Bereits im März wurden nach Angaben Buchholz‘ die Zuschüsse für die Schule gestrichen. Dagegen werde in einem gerichtlichen Eilverfahren vorgegangen. Buchholz sagte, alle Kinder erzielten seit Jahren sehr gute Prüfungsergebnisse. Auch dieses Jahr wollten Kinder den Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) und den Mittleren Schulabschluss (MSA) ablegen.

Zur Schließung der Schule beantragte die FDP-Landtagsfraktion für die nächste Sitzung des Bildungsausschusses einen Regierungsbericht. «Eine solche Schulschließung durch das Ministerium ist eine sehr harte und äußerst seltene Maßnahme», kommentierte der Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt. «Dieser Vorgang wirft auch durch seine ungewöhnliche Verkündigung via Boulevardpresse einige Fragen auf, die das Ministerium in der nächsten Sitzung des Bildungsausschusses am 8. Juni beantworten muss.»

Sollten die Vorwürfe des Ministeriums zutreffend sein, stelle sich auch die Frage, warum das Ministerium erst so spät tätig geworden sei, sagte Vogt. «Da die Schulleitung den heftigen Vorwürfen des Ministeriums öffentlich sehr deutlich widerspricht, wollen wir auch ihre Sichtweise im Ausschuss hören.»

Landesweit gibt es nach Angaben des Ministeriums etwa 87 private allgemein bildende Schulen. Sie werden von rund 16.400 Schülerinnen und Schülern besucht. Zu den Privatschulen gehören beispielsweise auch Waldorfschulen, Schulen in kirchlicher Trägerschaft sowie die Schulen der dänischen Minderheit. News4teachers / mit Material der dpa

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Pälzer
11 Monate zuvor

Der zentrale Prüfstein müsste sein, ob die Kinder altersgemäß gut gelernt haben oder nicht. Es irritiert mich, dass man darüber nichts liest außer der Selbstaussage „Buchholz sagte, alle Kinder erzielten seit Jahren sehr gute Prüfungsergebnisse.“
Stimmt das? Falls ja, dann wäre diese Schule wesentlich erfolgreicher als die staatlichen …

Küstenfuchs
10 Monate zuvor
Antwortet  Pälzer

Wenn ALLE Kinder gute Prüfungsergebnisse erzielen, ist doch ein wenig Zweifel angebracht. Umso mehr, dass bei drei unangekündigten Besuchen die Schule komplett zu war.

Küstenfuchs
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

In Ihrem Artikel ist davon nicht die Rede, das stimmt. Allerdings wird in den Beiträgen des focus und auf t-online.de davon berichtet. Letztendlich ist es allerdings in meinen Augen ohnehin irrelevant. Ich kritisiere meine Dienstherrin gerne gut und reichlich, hier jedoch nicht.

FeBel
10 Monate zuvor
Antwortet  Pälzer

Ich kenne die Schule aus dem Artikel nicht und kann nicht beurteilen, wie gut die Kinder dort lernen.
Interessant ist aber, dass als einziges Qualitätsmerkmal seitens der Behörden die Anwesenheit der Kinder herangezogen wird.
Das erklärt wiederum das schlechte Abschneiden der staatlichen Schulen bei sämtlichen Lernstandserhebungen. Anwesend und in irgendeiner Form beaufsichtigt sind die Kinder dort schon, nur Unterricht nach Plan mit eigenem Lehrer für jede Klasse findet halt immer seltener statt.

ulschmitz
10 Monate zuvor
Antwortet  FeBel

Es wäre aber zu klären, wie viele SuS diese Schule besuchen, das Lk:SuS-Verhältnis müsste man kennen – denn wenn dort Klassen mit 10-15 SuS sind, verbietet sich jeder Vergleich mit staatlichen Schulen mit durchschnittlich 22-28 SuS pro Klasse. Außerdem müsste die Zusammensetzung der SuS-Gruppen angeguckt werden. Es gibt übrigens staatliche Schulen, die, auch bei PISA, bestens und besser als Finnland, Süd-Korea abgeschnitten haben.

Bernde
10 Monate zuvor

Ich werde den Eindruck nicht los, dass wieder mal unbequeme Konkurenz durch Behördenwillkühr ausgeschaltet werden soll.

Krissi
10 Monate zuvor
Antwortet  Bernde

ja, man müsste mehr Fakten erfahren.

ulschmitz
10 Monate zuvor
Antwortet  Bernde

Um „Behördenwillkür“ zu vermeiden, schlage ich vor, jegliche staatliche Schulaufsicht einzustellen. Dann kann sich jede Eltern-Gruppe eine eigene Schule basteln, vielleicht dann SuS ab 16 sich eine eigene Schule erfinden. Alles Weitere regeln dann die Univsersitäten, Ausbildungsstätten und schließlich der Arbeitsmarkt.
Bislang ist es doch so, dass die staatlichen Schulen als „back-up“ für alle privaten Schulen fungieren müssen. Diese können also letztlich – es gibt hierfür Beispiele – SuS rauswerfen (auch wenn die Zusammenarbeit mit den anspruchsvollen Eltern nicht mehr so klappt) – und die müssen dann von staatichen Schulen übernommen werden.
Privatschulen, die als GmbH eingetragen sind, haben noch nicht mal eine Schulkonferenz mit Drittelparität – es gibt nur Elternbeiräte mit beratender Stimme im Vorsitz der Schule. Ich habe bei einer Wieterbildung noch nie so tiefenentspannte LuL erlebt – bei denen entfiel praktisch jede Konfrontationsmöglichkeit der Eltern…

Alla
10 Monate zuvor

Interessant ist, dass auf der Website NIRGENDS erwähnt wird, dass nachmittags Unterricht stattfindet. Immer ist von Schulzeiten von 8.00 bis 13.00 Uhr die Rede.
Auch unter dem Titel „Schultag“, auf dem der Stundenplan zu sehen ist, steht: 13 Uhr Schulschluss.
Zum Thema Homeschooling habe ich keinerlei Hinweis finden können.