Streit um angeordnete Schließung: Geht es Prien um Gängelung von Privatschulen?

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LÜBECK. Die Schließung einer Privatschule in Lübeck schlägt hohe Wellen. Die Schulleiterin wertet sie als politische Entscheidung – und kritisiert Bildungsministerin Karin Prien (CDU).

Macht sich für Präsenzunterricht stark: KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU). Foto: Frank Peter / Land Schleswig-Holstein

Die in die Kritik geratene Freie Dorfschule Lübeck wehrt sich gegen Vorwürfe und die Schließung der Einrichtung durch das Bildungsministeriums. Die Einrichtung habe niemals gegen das 2015 vom Ministerium genehmigte Konzept verstoßen, sagte die Schulleiterin Andrea Buchholz am Dienstag. Den Widerruf der Genehmigung der Freien Dorfschule bewertete sie als politische Entscheidung. «Dagegen gehen wir gerichtlich vor», sagte sie.

«Aus unserer Sicht ist die jetzige Ministeriumsleitung nicht an einer pluralistischen Schulwelt in Schleswig-Holstein interessiert», sagte sie. Das sei unter anderem daran ersichtlich, dass unter der Führung von Ministerin Karin Prien die Gründung von Freien Schulen sehr erschwert bis unmöglich sei, sagte Buchholz.

Zugleich räumte sie auch Fehler ein. Die Schule erkenne an, dass die Dokumentation der unterschiedlichen Lernsettings der Schülerinnen und Schüler für die Behörden nicht verständlich gewesen sei. «Das wollen wir ändern», sagte Buchholz. Zum Konzept der Privatschule gehören unter anderem Digitales Lernen und Lernen an außerschulischen Orten.

Das Ministerium hatte die Ersatzschulgenehmigung der Schule widerrufen, nachdem bei unangekündigten Überprüfungen im Februar und März 2023 erheblich weniger als die angemeldeten 55 Schülerinnen und Schüler anwesend waren. Außerdem seien bei den Überprüfungen lediglich zwei Lehrkräfte anwesend gewesen, obwohl laut Plan mehr Pädagoginnen und Pädagogen im Dienst gewesen sein müssten.

Auch wenn der Widerruf der Genehmigung mit sofortiger Wirkung gilt und die Schule damit geschlossen ist, gibt es nach Angaben des Ministeriumssprechers eine Wochenfrist, bis der Schulbetrieb komplett eingestellt sein muss. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Schülerinnen und Schüler vor verschlossener Tür stehen. News4teachers / mit Material der dpa

Prien schließt „Deutschlands schlimmste Schwänzer-Schule“ (laut „Bild“) – zurecht?

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8 Kommentare
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Melissentee
10 Monate zuvor

Es waren weniger als die angemeldeten SuS da und nur 2 Lehrkräfte da. Hey, dann müsste aktuell fast jede Schule in Deutschland in Deutschland geschlossen werden!

Küstenfuchs
10 Monate zuvor

Ich frage mich ernsthaft, welche andere Möglichkeiten Frau Prien denn gehabt hat, wenn Sie verantwortungsvoll mit der Bildungslaufbahn der Kinder der Schule umgehen will.
Fakt ist doch:

  • Das Ministerium ist oft (in anderen Quellen 14) mal unangekündigt vorbeigekommen. Nie waren auch nur die Hälfte der Kinder anwesend.
  • Die notwendige Anzahl an ausgebildeten Lehrkräften stand nicht bereit (nicht auf dem Lohnzettel der Schule)
  • Laut Focus.de war bei drei der Besuche überhaupt kein Mensch am Schultag da.

Wenn die Schulleiterin nun behauptet, es sei Teil des pädagogischen Konzepts und nur eine Frage der Dokumentation, so ist das doch mehr als fragwürdig.

Meine Kernfrage:
Wieso bitteschön wurde die Dokumentation nach den ersten wenig erfolgreichen Schulbesuchen der Aufsichtsbehörde nicht nachvollziehbar angefertigt? So schwer kann die Führung von Klassenbüchern oder ähnlichem nicht sein, das machen wir jeden Tag. Das wäre mit minimalem Aufwand leistbar gewesen, zumal doch sicher nach jedem Besuch die Frage aufgekommen ist: „Wo sind denn die Kinder?“.

Das Ganze als „Unregelmäßigkeiten“ zu beschreiben ist doch geschönt, ich finde es schlicht kriminell, wie mit der Zukunft und den Lebenschancen der Kinder umgegangen wird bzw. wurde.

Küstenfuchs
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Sie halten es also ernsthaft für denkbar, dass nicht mit der Schulleitung kommuniziert wurde? Dass keine Fragen gestellt wurden? Bei der Anzahl an Besuchen?

Ich halte das – auch durch meine Erfahrungen mit dem Bildungsministerium in Kiel und auch Frau Prien persönlich – für absolut undenkbar (ähnlich wahrscheinlich wie ein 6er im Lotto). Ernsthaft: Ihre Frage, die Sie aufwerfen, kommt gleich nach der Frage, ob denn die Erde tatsächlich um die Sonne kreist.

Und selbst wenn (was sicher nicht gewesen ist): Hätte bei der Anzahl an Besuchen die Schulleitung nicht selbst mal auf die Idee kommen müssen nachzufragen, warum so häufig Besuch der Schulaufsicht kommt?

Küstenfuchs
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ihren Schlüssen in allen Ehren: Warum hat die Schulleitung – wenn denn alles in Ordnung ist – bei der hohen Zahl an Besuchen innerhalb weniger Wochen nicht selbst dafür gesorgt, dass der Unterricht dokumentiert ist?

Da kann es nur zwei Möglichkeiten geben: Völlige und nicht akzeptable Inkompetenz oder die Unmöglichkeit, dies zu tun.
Der Grund für letzteres wird ja vom Ministerium auch gleich mitgeliefert: „Dem widerspricht das Ministerium, es habe nicht nur durch die behördlichen Schulbesuche, sondern auch durch einen Check der Gehaltslisten überprüft, ob die Schule mindestens sieben Lehrkräfte, wie vorgeschrieben, beschäftige. Das sei nicht der Fall.“ (siehe sh:z vom 22.5.)

Bedeutet: Entweder erfüllt die Schule die behördlichen Vorgaben nicht und wird daher zu Recht geschlossen oder das Ministerium lügt. Letzteres ist in diesem Fall unwahrscheinlich, weil die Zahl an Lehrkräften auf der Lohnliste ja leicht objektiv überprüfbar ist (z.B. für Journalisten).

Achin
10 Monate zuvor

Hilfreich wäre es, diesen Fall nicht als Einzelphänomen zu betrachten. Ein Blick auf das pädagogische Konzept jener Einrichtung verdeutlicht die gesellschaftliche Relevanz.

Die „Ergänzungssschule mit Waldorf-Lehrplan“ verknüpft anthroposophische Begriffe mit Versatzstücken aus anderen „alternativen Theorien“, ein Beispiel:

„Das Finden des Einzel-Mensch (sic!) als Selbst (sic!) ist ebenso bedeutsam uns wichtig.“

https://freiedorfschuleluebeck.de/artikel?type=paedagogik

Zu den Hintergründen solcher Entwicklungen, nicht nur für Lehrer*innen:

https://www.suhrkamp.de/buch/gekraenkte-freiheit-t-9783518430712