POTSDAM. Was ist los im Brandenburger Bildungsministerium? Obwohl der Minister versichert, entschieden gegen Rechtsextremismus vorgehen zu wollen, wird Lehrkräften, die rechtsextreme Übergriffe an ihrer Schule öffentlich machen, mit Abmahnung gedroht. Eine Lehramts-Kandidatin moderiert beim rechtsextremen Compact-Magazin – das Ministerium weiß davon und unternimmt monatelang nichts. In beiden Fällen wird man erst aktiv, als die Medien sich einschalten. Hat die Schulverwaltung in Brandenburg selbst ein Problem mit Rechtsextremismus?
Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) bekundete Härte. Es gebe bei Beamten eine «Nulltoleranz-Politik» wenn sie nicht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. «Ein klar rechtsextremistisches Verhalten, ob in der Freizeit oder im Dienst, hat bei Beamten nichts zu suchen», sagte der Minister gestern im Potsdamer Landtag. Freiberg bezog sich dabei auf Nachfragen von Abgeordneten auf den Fall einer Lehramtskandidatin an einer Grundschule. Diese soll nach Angaben des Verfassungsschutzes Kontakte zum rechtsextremistischen Compact-Magazin haben.
Freiberg verteidigte im Landtag das Vorgehen seines Ministeriums. Denn das war bereits während der Sommerferien vom Verfassungsschutz auf die mutmaßliche Rechtsextremistin im Schuldienst hingewiesen worden. Die Fachabteilung habe allerdings entschieden, so Freiberg, «wegen des besonderen Status der Lehramtskandidatin keine unmittelbaren dienstrechtlichen Konsequenzen» zu ziehen. «Denn bei Lehramtskandidaten gilt der Maßnahmen-Katalog des Disziplinarrechts nur eingeschränkt», erklärte der Minister. Und weder im Dienst als Lehrerin noch im Seminar habe es Auffälligkeiten der Frau gegeben.
Plötzlich – nach einer Anfrage des Berliner «Tagesspiegels» – ist die Bewertung eine andere: Vergangene Woche habe die Staatssekretärin nach dem Beamtenrecht entschieden, die Frau vorläufig vom Dienst freizustellen, berichtete Freiberg. Wegen der erheblichen Zweifel an ihrer Verfassungstreue würden weitere dienstrechtliche Konsequenzen geprüft, kündigte der Minister an. «Es gibt erhebliche Widersprüche in Aussagen, die aufgeklärt werden müssen.» Die Überprüfung soll bis spätestens 17. Dezember abgeschlossen werden.
«Ich habe ein Schreiben vom Schulamt bekommen, in dem es mir mit einer Abmahnung droht, wenn ich weiter über schulinterne Vorgänge spreche»
Es ist nicht das erste Mal, dass beim Bildungsministerium von Brandenburg Ungereimtheiten im Umgang mit Rechtsextremismus auffallen. «Ich habe ein Schreiben vom Schulamt bekommen, in dem es mir mit einer Abmahnung droht, wenn ich weiter über schulinterne Vorgänge spreche», so erklärte eine der beiden Lehrkräfte, die in einem Brandbrief rechtsradikale Übergriffe an einer Schule im Städtchen Burg öffentlich gemacht und damit eine bundesweite Diskussion ausgelöst hatten (News4teachers berichtete). Mittlerweile haben die beiden Lehrkräfte nach Anfeindungen die Schule verlassen – nicht ohne zuvor Kritik am Ministerium geübt zu haben.
«Ich habe eine klare Haltung vermisst. Niemand hat sich vor uns gestellt und ganz offen gesagt, dass sie uns unterstützen und alles Mögliche dafür tun werden, dass Rechtsextremismus keinen Platz an Schulen hat», erklärte einer der beiden Lehrkräfte im Juli mit Blick auf das Staatliche Schulamt in Cottbus und das Bildungsministerium. «Stattdessen gab es zahlreiche Lippenbekenntnisse. Aber das reicht nicht aus.»
Freiberg wies die Kritik seinerzeit zurück. Das Schulamt sei nach dem anonymen Brandbrief sofort tätig geworden und er habe den beiden Lehrkräften persönlich bei einem Besuch der Schule seine Unterstützung angeboten. Er selbst besuchte die Schule – ohne allerdings mit den beiden betroffenen Lehrkräften gesondert zu sprechen. Das tat er lieber mit der Schulleitung, die offensichtlich lange Zeit die rechtsextremen Umtriebe an der Schule geduldet hatte (die Staatsanwaltschaft ermittelt mittlerweile in 16 Fällen bis hin zu räuberischer Erpressung). Nachdem News4teachers dann Ende Juli fragte: «Hat die Schulleitung das Geschehen bewusst verschwiegen?» – wurde sie dann doch ausgewechselt. «Auf eigenen Wunsch», wie es hieß.
«Herrn K. wurde vom Schulamt seinerzeit das letzte freie Büro zugeteilt, das auch vorher bereits die Durchwahl 88 hatte. Das Schulamt hat die Telefonnummer dann geändert»
Dass es möglicherweise ein Rechtsextremismus-Problem auch in der Brandenburger Schulverwaltung geben könnte – darauf weisen ebenfalls Umstände in einem Fall hin, der die Kündigung eines Lehrers mit rechtsextremen Tattoos betraf. Das Land hatte dem Seiteneinsteiger im Februar 2019 fristlos gekündigt, nachdem öffentlich bekannt geworden war, dass er rechtsextreme Tattoos mit dem Schriftzug «Meine Ehre heißt Treue sowie den Nazi-Symbolen «Wolfsangel» und «Schwarze Sonne» trägt. Der Schriftzug «Meine Ehre heißt Treue» war der Wahlspruch der Schutzstaffel, der SS also. In Deutschland gilt der Spruch als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation und ist damit strafbar. Im Sommer zuvor hatte sich der damals 36-Jährige während des Sommerfests der Schule an einem See zwei Stunden lang mit freiem Oberkörper gezeigt. Dabei waren die Tätowierungen für Schülerinnen und Schüler zu sehen.
Nun wurde die Kündigung wegen eines Formfehlers vom Arbeitsgericht zwischenzeitlich für unwirksam erklärt – und der Mann musste irgendwie beschäftigt werden. Also wurde er ins Staatliche Schulamt versetzt. Dort wurde er dann allen Ernstes zunächst im Bereich «Migration» eingesetzt. Dort war er unter der telefonischen Durchwahlnummer «88» zu erreichen. Die Zahl gilt unter Neonazis als getarnter Hitlergruß. Aus dem Schulamt hieß es laut Medienbericht zur Begründung: «Herrn K. wurde vom Schulamt seinerzeit das letzte freie Büro zugeteilt, das auch vorher bereits die Durchwahl 88 hatte. Das Schulamt hat die Telefonnummer dann geändert.» Dass er mit dem Fachbereich Migration betraut wurde, habe personelle Gründe gehabt: Dort habe es einen Engpass gegeben. News4teachers / mit Material der dpa
