Deutscher Schulpreis – Bundespräsident: “Wir brauchen mehr gute Schulen”

14

BERLIN. Seit 2006 wird der Deutsche Schulpreis vergeben. Er würdigt eine besonders gute Schulqualität. Hier gibt es durchaus Nachholbedarf, wie Bundespräsident Steinmeier bei der diesjährigen Preisverleihung feststellt. Er hat konkrete Forderungen. Der VBE richtet unterdessen den Fokus auf die Siegerschule.

Gruppenbild mit Bundespräsident: Kinder und Lehrkräfte der Eichendorffschule in Erlangen bei der Preisverleihung in Berlin. Foto: Max Lautenschläger / Deutscher Schulpreis

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat eine bessere Ausstattung der Schulen und mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland angemahnt. «Unser Schulsystem verfestigt und verschärft immer noch zu oft soziale Unterschiede statt sie auszugleichen», kritisierte Steinmeier am Donnerstag bei der Verleihung des Deutschen Schulpreises in Berlin.

Besonders viele Kinder, die in der Schule den Anschluss verlören, stammten aus armen oder bildungsfernen Elternhäusern oder sprächen zu Hause kaum oder nie Deutsch. Und oft seien ausgerechnet die Schulen am schlechtesten ausgestattet, die am meisten leisten müssten, etwa Schulen in ärmeren Stadtvierteln oder Gemeinden, deren Schüler besonders viel Förderung brauchten.

Der mit 100.000 Euro dotierte Deutsche Schulpreis ging in diesem Jahr an die Eichendorffschule in Erlangen. In der Begründung wurde etwa gelobt, dass die Schule durch ihr pädagogisches Konzept «eine anregende Lernumgebung» biete, die insbesondere benachteiligten Kindern und Jugendlichen neue Perspektiven eröffne. An der Schule lernen knapp 400 Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren – mehr als zwei Drittel von ihnen haben den Angaben zufolge einen Migrationshintergrund. Der Deutsche Schulpreis wird seit 2006 von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung für eine besonders gute Schulqualität vergeben.

Der Preis sei eine Bestätigung für die Arbeit des ganzen Teams, sagte Schulleiter Helmut Klemm. «Natürlich ist die Freude sehr groß.» Viele Schülerinnen und Schüler hätten bereits in der Grundschule negative Erfahrungen gemacht, hieß es in der Bewerbung der Schule um den Preis. An der Eichendorffschule arbeiteten sie begleitet von Lehrkräften in Lernbüros selbstständig. Im Mathematikraum bekämen die Schüler zum Beispiel verschiedene Zugänge zu mathematischen Phänomenen. Dadurch werde ihnen die Angst vor Fehlern genommen, hieß es. Zum Konzept gehören auch ein Schulhund, der Verzicht auf Hausaufgaben und Fairness-Regeln, die die Schülerinnen und Schüler untereinander aushandeln.

«Jedes Kind in unserem Land soll am Ende der vierten Klasse lesen, schreiben und rechnen können. Wer es bis dahin nicht gelernt hat, lernt es später auch nicht mehr richtig»

Steinmeier sagte: «Wir brauchen mehr gute Schulen, und wir brauchen sie überall im Land. Wir können uns eigentlich keine einzige schlecht funktionierende Schule leisten.» Der Bundespräsident forderte: «Jedes Kind in unserem Land soll am Ende der vierten Klasse lesen, schreiben und rechnen können. Wer es bis dahin nicht gelernt hat, lernt es später auch nicht mehr richtig.» Dazu müsse man die Schulen am besten ausstatten, deren Kinder am meisten Unterstützung bräuchten.

«Gerade dort brauchen wir mehr Lehrkräfte – und dort die besten. Gerade dort müssen wir Lehrerinnen und Lehrer entlasten, damit sie sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren können: den Unterricht. Gerade dort brauchen wir die stärksten Teams, die meisten Schulbegleiter, die beste Sprachförderung», sagte Steinmeier. Auch müssten die Schulleitungen mehr Gestaltungsfreiheit bekommen.

Außerdem müsse jede Schule zu einem «Heimatort» werden, wo alle, die dort lernten und arbeiteten, gern hingingen, sagte Steinmeier. Und: jede Schule müsse eine «Schule der Demokratie» sein. «Ein Ort, an dem Schülerinnen und Schüler lernen, einander mit Respekt zu begegnen, aufeinander Rücksicht zu nehmen, Konflikte mit Argumenten auszutragen, Verantwortung für sich selbst und für andere zu übernehmen.»

«Es ist faszinierend zu sehen, wie die Schülerinnen und Schüler selbst Abmachungen treffen und für deren Einhaltung sorgen»

«Wir sehen in vielen Schulen eine zunehmende Verdichtung von Herausforderungen, der angemessen begegnet werden muss. Die Eichendorffschule zeigt, wie das gehen kann. Mit Mut zu neuen Wegen wurden hier innovative Lern- und Lehrwege umgesetzt. Insbesondere das Lernen in Lernbüros mit einer dreifachen Differenzierungsmöglichkeit, praktischem Erleben und einer durchgehenden digitalen Unterstützung ist innovativ und zielführend», erklärte VBE-Bundesvorsitzender Gerhard Brandt.

Mit Blick auf das Schulklima bemerkte Brand: «Es ist faszinierend zu sehen, wie die Schülerinnen und Schüler selbst Abmachungen treffen und für deren Einhaltung sorgen. Keine Regeln vorzugeben heißt eben nicht, dass ein wertfreier Raum entsteht, sondern dass die Kinder und Jugendlichen nach ihren eigenen Maßstäben und immer wieder neu aushandelnd entscheiden können, welche Werte ihnen besonders wichtig sind. So erwächst ein Miteinander, in dem optimal auf die Bedürfnisse der Beteiligten eingegangen wird. Das macht den Schülerinnen und Schülern Mut, auch in ihrem weiteren Lebensweg für die eigenen Ideale einzustehen.»

Dass die versammelte bildungspolitische Prominenz und der Bundespräsident dies würdigten, sei schön. Aber: «Wir würden uns wünschen, sie würden dafür sorgen, dass die dafür notwendigen Bedingungen auch an anderen Schulen zu finden sind. Noch immer ist ein Drittel der Schulen nicht am schnellen Internet angebunden.»

Der Deutsche Schulpreis wird seit 2006 von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung für eine besonders gute Schulqualität vergeben. Eine Jury aus Bildungsexperten und Schulpraktikern vergleicht bei den Bewerberschulen sechs Bereiche: «Leistung», «Umgang mit Vielfalt», «Unterrichtsqualität», «Verantwortung», «Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner» sowie «Schule als lernende Institution».

85 Schulen hatten sich in diesem Jahr den Angaben nach um die renommierte Auszeichnung beworben. 15 von ihnen nominierte die Jury. Neben dem Hauptpreis für die Eichendorffschule erhielten fünf Schulen ein Preisgeld von 30.000 Euro für den zweiten Platz. Dieses ging an die Rothenburg-Grundschule in Berlin, die Berufliche Schule ITECH in Hamburg, die Grundschule am Dichterviertel in Mülheim an der Ruhr, die Nelson-Mandela Gesamtschule in Bergisch Gladbach (beide Nordrhein-Westfalen) und die Grundschule Op de Host in Horst, Schleswig-Holstein. News4teachers / mit Material der dpa

Deutscher Schulpreis – eine Alibi-Veranstaltung? VBE warnt Politiker davor, „die desolate Situation an den Schulen zu verschleiern“

 

Anzeige

Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

14 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Pikachu
1 Jahr zuvor

digitaler und für das Personal so gerecht wie woanders auch mit guter Bezahlung und Wertschätzung (Korrekturtage, 4-Tage Woche etc. und Pendlerzuschuss)
Lehrer arbeiten schließlich noch ‘draußen’ und bleiben nicht 3-4 Arbeitstage zuhause.

Online Konferenen usw.

Säkularissima
1 Jahr zuvor

Wir brauchen mehr gute Schüler!

Hans Malz
1 Jahr zuvor

Dann soll der Steinmeier mal den Kultusministern sagen, dass die gute Bedingungen schaffen sollen. Die Googlebewertungen von einigen Eltern und Schülern bei der Schule aus NRW sind übrigens sehr erheiternd … klingt realistischer, als das Bewerbungsfilmchen.

Clara
1 Jahr zuvor

Außer Phrasen nichts gewesen.

Achin
1 Jahr zuvor

Der Titel “Deutscher Schulpreis” hört sich zwar offiziell an, er wird aber von der privaten Bosch-Stiftung bezahlt. Welche Aussagekraft hat ein „nationaler Wettbewerb“, bei dem 99 % der deutschen Schulen nicht dabei sein wollen?

Das obere Foto erinnert eher an Trash als an Bildung, wahrscheinlich soll es „ironisch“ gemeint sein, dass man die Preisverleihung für „Vorbilder für andere Schulen“ wie eine zweitklassige Privatfernsehgameshow aussehen lässt. Ästhetik war früher auch mal ein Bildungsinhalt.

Lehrerin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Achin

Über 99% der Schulen in Deutschland wissen, dass die Kriterien für diese “Auswahl” sehr einseitig ausgerichtet sind,
und dass der Begriff der Schulqualität sehr unpräzise und dehnbar ist. Daher bewerben sie sich schon gar nicht. Hauptsache Einzelarbeit im Lernbüro, Digitalisierung, Vielfalt und keine Hausaufgaben… Unter 85 Bewerbungen ist die Auswahl sicher nicht repräsentativ für Deutschland. Eine große politische Show eben für Gesamt- und Gemeinschaftsschulen!

Mariechen
1 Jahr zuvor

Steinmeier hört sich an wie ein Pfarrer, der das Wort zum Sonntag verkündet. Er wird für mich immer zu einer Enttäuschung. Ein bisschen mehr Klartext und nicht nur hohle Phrasen kann man auch von einem Bundespräsidenten erwarten. Er quatscht meist immer nur nach, was andere schon vor ihm gesagt haben. Traut sich erst dann aus dem Dickicht, wenn andere vor ihm bereits mutig das Wort ergriffen haben und dafür Beifall erhalten haben. Und dann kommt Steinmeier… sollte, müsste usw. Was genau? Wer genau ist dafür verantwortlich? Bleibt immer nebulös und jeder kann was reininterpretieren.

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

Nur “mehr”, nicht “alle”?

Rüdiger Vehrenkamp
1 Jahr zuvor

Auch hier stinkt der Fisch vom Kopf aus: Wer mehr gute Schulen will, muss mehr in sie investieren und vor allem nicht eine Reform nach der anderen durch die Schulsysteme jagen. Im Prinzip sollen die Lehrkräfte gute Schulen und Schüler kreiieren, um den Politikern des jeweiligen Bundeslandes die Wiederwahl zu sichern. Da wäre es doch schön, wenn diese auch bessere Voraussetzungen schaffen.

Wie groß war nochmal der Investitionsstau in Sachen Sanierung von Schulgebäuden?

MIchael
1 Jahr zuvor

und dann werden sie unterbezahlt und es geht um jeden Cent, so dass die Beteiligten unzufriden sind.

Für das Gym ein schreckliches Jahr mit A13 für alle und in 2023 0 % Gehaltssteigerung

Mariechen
1 Jahr zuvor
Antwortet  MIchael

Wirklich schrecklich, dass die anderen A13 bekommen haben! Aber sonst haben Sie keine Probleme?!

Andre Hoger
1 Jahr zuvor

Herzlichen Glückwunsch! Klasse!

Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor

Meine Schule sollte auch den Schulpreis gewinnen, schließlich kommt unser Hausmeister jeden Tag zur Arbeit, obwohl er weiß, dass er auch heute wieder die Kacke eines Schülers aus dem Waschbecken fischt. Eine Bewerbung konnte wir leider auch dieses Jahr nicht abgeben, da wir die übrige Zeit damit verbringen, den kackenden Schüler die xte Ordnungsmaßnahme auf Auge zu drücken, die postwendend von der Bezirksregierung kassiert wird.

Clara
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Hört sich nach einem Kandidaten für den Exzellenz-Preis an!