GMUND. Bayerns Grundschulkinder sollen mehr Mathe und Deutsch lernen – aber nicht auf Kosten des Religionsunterrichts. Nach Worten von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe man sich im Kabinett „sehr gut ausgetauscht“ und sei sich einig: „Bei Religion wird nicht gekürzt“, sagte Söder zum Abschluss einer zweitägigen Klausur des Ministerrats in Gmund am Tegernsee. Stattdessen könne er sich Kürzungen im Fach Englisch vorstellen.
Söder stellte das öffentliche Hickhack in der Koalition Ende vergangener Woche als Missverständnis dar (News4teachers berichtete). Es habe keinen Streit, sondern „eher ein Missverständnis gegeben in der Kommunikation, egal von welcher Seite“. Das sei nun „gut gelöst“. Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) „genießt unser großes Vertrauen“, betonte Söder.
„Rote Linie“ ursprünglich nur beim Sportunterricht geplant
Stolz hatte am vergangenen Donnerstag im Bildungsausschuss des Landtags ihr Konzept für bessere Deutsch- und Mathematikkenntnisse der bayerischen Schülerinnen und Schüler vorgestellt. Demnach soll es in den Jahrgangsstufen eins bis vier jeweils eine Stunde mehr Deutschunterricht geben, und in den Jahrgangsstufen eins und vier auch noch je eine Stunde mehr Mathe. Die Stundenzahl insgesamt soll aber nicht steigen, die Schulen sollen flexibel umschichten können. Dies entsprach den Forderungen des Ministerpräsidenten.
Allerdings: Eine „rote Linie“ zog Stolz laut Kultusministerium lediglich beim Sportunterricht, alle anderen Fächer, auch der Religionsunterricht, seien nicht von der Umschichtung ausgenommen. Dieser ist immerhin in den Klassen drei und vier mit jeweils drei Stunden veranschlagt – so viel wie beispielsweise Musik und Kunst zusammengenommen. Daraufhin, auch nach lautstarker Intervention von Kirchenseite, erhob Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) umgehend Einspruch: „Mit der CSU wird es keine Kürzung beim Religionsunterricht geben.“
Der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese, Armin Schalk, hatte zuvor mögliche Kürzungen beim Religionsunterricht scharf kritisiert: Einsparungen beim Religionsunterricht auch nur in den Raum zu stellen, sei angesichts des schwächer werdenden Zusammenhalts in der Gesellschaft und der steigenden Zustimmung zu extremen Positionen unangebracht. Gerade im Religionsunterricht werde Solidarität eingeübt, Verantwortung „trainiert“ und Gemeinsinn vermittelt.
„Erst mal muss man gut Deutsch können, bevor man über Englisch nachdenken kann.“
Söder sagte nun, Stolz werde demnächst einen Vorschlag im Kabinett präsentieren, wie die nun erarbeiteten Überlegungen umgesetzt werden. Seine Auffassung sei relativ klar: Wenn es Veränderungen gebe, dann eher bei Fächern wie Englisch. „Ich glaube, erst mal muss man gut Deutsch können, bevor man über Englisch nachdenken kann.“ Und beim Fach Religion gehe es nicht um einen Gefallen den Kirchen gegenüber, sondern dort gehe es um Werteerziehung. Und das sei in der Grundschule sehr wichtig. „Deswegen wäre es an der Stelle falsch, das zu streichen.“
Die geplante Umschichtung ist eine Reaktion der bayerischen Staatsregierung auf das schlechte Abschneiden von Schülerinnen und Schülern beim jüngsten Pisa-Test. In der Anfang Dezember veröffentlichten Studie hatten die 15- und 16-Jährigen aus Deutschland im Lesen, in Mathematik und in Naturwissenschaften die schlechtesten Ergebnisse erbracht, die je im Rahmen dieser internationalen Vergleichsstudie gemessen wurden. Deshalb sollen die Fächer Deutsch und Mathe an den Grundschulen gestärkt werden. News4teachers / mit Material der dpa
Studie: Erfolg des frühen Englischunterrichts hängt von der weiterführenden Schule ab
„Ich glaube, erst mal muss man gut Deutsch können, bevor man über Englisch nachdenken kann.“
Ah ja… Dann dürften die meisten Bayern ja im gesamten Leben kein Englisch lernen…
Herr Söder sollte auf jeden Fall mal den teilweise deutschlandweit bekannten Fremdsprachendidaktikern seines Bundeslandes Beachtung schenken, z.B. Prof. Heiner Böttger von der Uni Eichstätt. Die nehmen sein Stammtischgeplapper schnell auseinander.
Die Kultusministerin darf in dieser Frage auf keinen Fall einknicken. Weniger Sportunterricht wäre ein Katastrophe. Wir haben ja jetzt schon teils Drittklässler, die beim Rennen noch wie ein Kleinkind über die eigenen Füße fallen.
Und Werterziehung als alleiniger Grund für drei Stunden Reli ist schon unsinnig. Nach dieser Argumentation müsste es ja umso mehr Englisch geben, denn dort werden mindestens genauso bedeutsame Werte wie in Religion vermittelt: Interkulturalität, globale Erziehung, Weltoffenheit, kulturelles Interesse… Die Liste wäre ewig fortsetzbar.
Deutsch ist nicht nur „Bücherdeutsch“. Das dürfte doch wohl klar sein.
Eben doch, den das „Bücherdeutsch“ ist die Amtssprache – und die gibt der Arbeitgeber als Unterrichtssprache vor.
Es ging darum, dass jemand behauptete, wer „Alltagsdeutsch“ spräche, spräche kein richtiges Deutsch. Das ist falsch. Bitte informieren Sie sich über die verschiedenen Existenzformen einer Sprache.
Das hat nichts damit zu tun, dass wir in den Schulen Hochdeutsch lehren und nicht den örtlichen Dialekt, also als übliche Unterrichtssprache.
Danke für diesen Beitrag, ich stimme uneingeschränkt zu. Würden doch Politiker (egal welcher Partei) mehr auf Forschungsergebnisse und weniger auf Stammtische hören.
Ich bin wahrlich kein Freund von Marcus Söder, aber wo er recht hat, da hat er recht. Der heutige Religionsunterricht besteht ja nicht aus dem Auswendiglernen von Glaubenssätzen, wie es zu meiner Schulzeit in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts leider der Fall war. Der heutige Religionsunterricht ist weit überwiegend Werte- und Sozialerziehung, und die sind in Zeiten, in denen die AfD ihr Unwesen treibt, bitter nötig.
Außerdem: Englisch in der Grundschule ist totaler pädagogischer Unfug, da ja die Muttersprache weder schriftlich, mündlich noch grammatikalisch gefestigt ist. Und die Sicherheit in der deutschen Sprache muss Priorität haben. Stichwort: Pisa!!!
Ich bitte um Nachsicht: Es muss Markus heißen, nicht Marcus. Hoffentlich.wird mir jetzt meine Pension nicht gekürzt oder gar gestrichen.
… aber der ist doch Franke der Maggus:)
Ich doch auch! Aber sonst habe mit dem Maggus nichts gemeinsam.
… macht Sie irgendwie sympathisch …
Stimmt wohl. Wurde es irgendwo jemals auch nur nahegelegt, dass junge Kinder einen guten Draht zum Sprachenlernen haben?
Aber ja, wenn wir Englisch zum Gegensatz der Muttersprache (finde die Fehler) erklären, lässt sich eine Streichung herbeibegründen
Der Religionsunterricht gehört endlich verbannt aus der Schule. Trennung von Staat und Kirche und so. Einfach in allen Schulformen durch Ethik/Philosophieunterricht ersetzen, welcher nicht religiös geprägt ist.
Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG:
„Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.“
Los werden wir den Religionsunterricht also sooo jedenfalls nicht mehr, selbst wenn Reichs- und Landeskonkordate aufgelöst werden o.ä.; dies ergibt sich auch aus der sog. Ewigkeitsklausel des Art. 79 GG. Uns bleibt nur zu hoffen, dass das Religiöse so weit erodiert, dass es keine Nachfrage mehr gibt und das Angebot folglich auch erodiert.
Ein anderer Zugriff ist wohl über das Erfordernis der Bekenntnisgebundenheit öffentlicher Schulen zur Legitimation von Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach gegeben: https://weltanschauungsrecht.de/bekenntnisfreie-schulen.
Nein, es tut mir leid, Englisch in der Grundschule ist kein Unfug. Die Forschungslage aber auch meine persönlichen Erfahrungen mit Englischkompetenzen von Grundschülern zeigen das Gegenteil. Der Lernzuwachs ist sogar oft größer als in der weiterführenden Schule.
Und ja der Deutschunterricht ist auch wichtig, aber beides geht durchaus sehr gut parallel und sollte nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Meine persönliche Erfahrung zeigt: eigentlich lernen die Kinder fast nichts. Wie auch, die Lehrkräfte können selbst kaum Englisch. Oder zumindest haben sie die Sprache noch nie aktiv angewandt.
Beim Wechsel an die weiterführende Schule kommt dann der Schock, weil man Vokabeln lernen muss. Und zwar innerhalb weniger Wochen ungefähr den Umfang dessen, was in der GS über 2-4 Jahre durch Tanzen und Basteln „so in etwa“ dem passiven Wortschatz zugeführt wurde. Völlige Zeitverschwendung für alle Beteiligten.
@lehrer 002
Juhu, zieht den Bayern die Lederhosen aus!
Erst einmal die Frage: „Was ist Hochdeutsch?“
Jedenfalls nicht die niederdeutschen Dialekte wie Hannoveranisch etc.
Wichtig für die Grundschüler ist doch, dass sie sich in der Sprache ihres Heimatlandes, die ja nicht unbedingt ihre Mutter- oder Vatersprache ist, angemessen verständigen können und sie eben verstehen. Ohne Verständnis der Sprache ist der Erwerb von Wissen und Kenntnissen in allen Bereichen gefährdet.
Natürlich ist eine frühzeitige Beschäftigung mit einer Fremdsprache wünschenswert. Allerdings geht man dabei von Kindern aus, deren Deutschkenntnisse einer gewissen Norm entsprechen, die aber heute oft nicht mehr gegeben ist.
Danke für die Aufmerksamkeit.
rfalio
Komisches Verständnis vom Deutschen. Hochdeutsch ist Hochdeutsch. Hochdeutsch ist kein Dialekt, basiert aber auf einigen deutschen Dialekten mehr oder weniger. Bitte Sprachgeschichte nachlesen.
Klugscheißermodus an: Genau genommen ist Hochdeutsch eine Dialektfamilie und bezeichnet die Sprachvarietäten südlich der Benrather Linie. Was Sie meinen ist Standarddeutsch. Bitte Sprachgeschichte nachlesen 😉
Bitte nachlesen, Hochdeutsch wird heute als Synonym zu Standarddeutsch verwendet. Ich glaube, tiefer müssen wir nicht ins Thema eindringen.
Da sagt das germanistische Standardwerk zur Sprachgeschichte etwas anderes (vgl. Schmidt 2007, 20 f., 134 ff.).
Dieser Dialog könnte unverändert in einem Klischeefilm über das Lehrerdasein vorkommen.
Und weil 1 Buch etwas anderes sagt, haben alle anderen Unrecht?
Ich dachte immer, in der Schule ginge es auch um das schriftliche (Hoch-)Deutsch, nicht um das, was die Kinder in der Pause so babbeln. Und da ist wohl doch immer noch der gute alte Duden maßgeblich, oder nicht?
Der gute alte Duden regelt vor allem die Rechtschreibung bzw. interpretiert sie und stellt die Rechtschreibregeln dar. Ja, es gibt auch Infos zur Grammatik und zur Bedeutung, aber eher nur ein bisschen.
Der Religionsunterricht sollte durch einen philosophischen und religionswissenschaftlichen Unterricht ersetzt werden, an dem alle Schüler teilnehmen. Das passt besser in eine aufgeklärte Gesellschaft und ist billiger.
Nein, nein, nein.
Alle Nicht-Christen sind zu Gast in Bayern.
Wenn diese Annahme nicht zu 100% ausgeträumt werden darf, kloppen die wieder Kreuze an alle Wände
Oftmals bin ich nicht bei Ihnen, aber diesmal volle Zustimmung. Aber nicht wegen „billiger“, sondern wegen „besser“.
Bei einem solchen Unterricht lernt man eben auch Deutsch und Lesen und Analysieren und …
Ich finde, man sollte Englisch UND Religion durch mehr Deutsch und Mathematik ersetzen.
Ja.
Ich finde man sollte Global/Weltweit Englisch durch Esperanto ersetzen. Reichen 2-3 Jahre, damit das ordentlich sitzt.
Dann Englisch/Spanisch/Französisch/xy nachziehen. Wahlkurse.
Religion gehört generell in den Bereich von Ethik an der Schule. Ansonsten in das Privatleben des Einzelnen/des „Kreises“.
Es ist aber eher Quatsch, jetzt Esperanto überall einzuführen, wenn doch fast überall fast alle Englisch können/lernen. Wer kann schon Esperanto? DAS gehört für mich in das Privatleben des Einzelnen.
So unterhaltsam Polemik ist, die Fixierung des Artikels auf den Religionsunterricht bleibt ein billiger Aufreger. Ich wünsche mir eine vorurteilsfreie Diskussion des Englischunterrichts in der Grundschule vor dem Hintergrund des Konsenses der Spracherwerbsforschung schon der 1990er Jahre, dass jeder Fremdsprachenunterricht mit drei oder weniger Wochenstunden im Grunde verschenkte Zeit ist. Als Hamburg in eben jenen 1990er Jahren das Grundschulenglisch stadtviertelweise einführte, unterrichtete ich Englisch an einem Gymnasium mit stadtweitem Einzugsgebiet, hatte in einer Klasse SuS mit 1 Jahr GS-Englisch oder ganz ohne GS-Englisch. Nach einem Monat mit 5 Wochenstunden Englisch waren alle auf einem Niveau, die „englischfreien“ SuS war z. T. besser als die „vorbelasteten“. Wie wär’s, wenn wir Ergebnisse der Lernforschung in der Stundentafel berücksichtigten?
In den Neunzigern war der Effekt zumindest in der Landschule, auf der ich gearbeitet habe, auch eher : Ui, es gibt noch eine Sprache. Das braucht man heutzutage den Kindern nicht mehr erzählen. Meine Erfahrungen mit sämtlichem Früh – irgendwas ist gleich. Nach 2,- 3 Monaten in der Sekundarstufe ist da kein Unterschied mehr.
Englisch lernen die Kinder sowieso eher außerhalb der Schule. Das stimmt.
Wallah!
Juchu!
Die Lebensrealität ebenso. Manche mehr, manche weniger.
Konsequenz wäre?
Lernen Ihrer Meinung nach Kinder die Lebensrealität in der Schule?????? Öhm……
Kann man den Religionsunterricht nicht einfach auf Englisch halten? Problem gelöst. (Achtung, Sarkasmus!)
Sehr gut.
Naja, wenn schon niemand mehr in die Kirchen geht, sollte man das Angebot nicht ganz zusammenstreichen…
Wie wäre es mit einer Religiösen Viertelstunde? Die kann mit Demokratie und Informatik in ein fachübergreifendes Monstrum vereint werden 😀
So, jetzt wird es aber schwierig mit der Streicherei…. Sport:auf keinen Fall, Religion: niemals, English: no! …. Musik sind nur 2 Stunden, Kunst nur 1, WG 1/2, HSU 3/4 (ist aber eigentlich ein „Hauptfach“)….. Und dann gibt es noch……. Richtig!!!!! Deutsch und Mathe!
Schlage vor wir tauschen eine Stunde Deutsch mit Mathe und in 1 und 4 tauschen wir sie gleich wieder zurück! Was bin ich für ein kleines Genie, sollte mich im KM bewerben…..