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Zwei Lehrkräfte ziehen vor Gericht, weil sie zu lang arbeiten müssen – ihr Ziel: Eine Erfassung der Arbeitszeit im Schuldienst

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STUTTGART. Arbeiten Lehrkräfte in Deutschland mehr, als sie eigentlich müssten? Ja, sagen Lehrerverbände. Zwei Lehrkräfte aus Baden-Württemberg wollen das nun gerichtlich feststellen lassen. Eine offizielle Erfassung gibt es bisher nicht – obwohl die Kultusministerien eigentlich dazu verpflichtet wären. Die könnte mit dem Urteil kommen.

Warum wird die Arbeitszeit von Lehrkräften nicht erfasst? (Symbolfoto) Illustration: Shutterstock

Zwei Gymnasiallehrkräfte aus Baden-Württemberg wollen mit einer Klage vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht feststellen lassen, dass sie mehr arbeiten, als sie eigentlich müssten. Die beiden Lehrkräfte hätten die Klagen eingereicht, sagte Ralf Scholl, Landesvorsitzender des Philologenverbands (PhV), der die Klage unterstützt, der «Schwäbischen Zeitung».

Ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Stuttgart bestätigte den Eingang der Klage. Diese richte sich gegen das Land Baden-Württemberg und habe zum Ziel, feststellen zu lassen, dass die geleistete Arbeitszeit der beiden Lehrkräfte die reguläre Wochenarbeitszeit für Beamte überschreite, sagte ein Gerichtssprecher.

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Der Philologenverband, der Gymnasiallehrkräfte in Baden-Württemberg vertritt, hatte im September angekündigt, eine entsprechende Klage vorzubereiten. Die beiden Lehrkräfte aus dem Regierungsbezirk Stuttgart hätten in den vergangenen Jahren ihre Arbeitszeit genau erfasst und beide mehr als 2000 Stunden pro Jahr geleistet, sagte Scholl. Die Jahresarbeitszeit für Beamte liege allerdings nur bei gut 1800 Stunden.

Aus Sicht von Scholl sind der klagende Lehrer und die klagende Lehrerin keine Einzelfälle. «Die große Mehrheit der Lehrkräfte kommt mit der 41-Stunden-Woche nicht hin», sagte der PhV-Vorsitzende. Die hohe Arbeitszeit sei auch einer der Gründe, warum Lehrkräfte zu den Berufsgruppen mit den höchsten Burn-out-Raten gehörten.

Der Verbandschef verwies auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Das hatte im September 2022 entschieden, dass die Erfassung von Arbeitszeit in Deutschland verpflichtend sei. Das Bundesarbeitsministerium hatte im April vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf vorgelegt, demzufolge die Arbeitszeit künftig elektronisch erfasst werden soll. «Wir wollen, dass die Arbeitszeit der Lehrkräfte endlich mal zuverlässig erfasst wird», hatte Scholl im September gesagt.

Allerdings: Die Kultusministerinnen und Kultusminister wehren sich dagegen, die Arbeitszeit von Lehrkräften zu erfassen (News4teachers berichtete). Den Gesetzentwurf nahm die damalige Präsidentin der KMK, Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), zum Anlass, sich per Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu wenden und auf gesetzliche Sonderregelungen für Lehrkräfte und Beschäftigte in der Wissenschaft zu bestehen.

Der aktuelle Referentenentwurf trage der «besonderen Situation der Lehrkräfte» nicht Rechnung. Die Arbeitszeiten von Lehrkräften seien nicht oder nur zum Teil messbar. Möglich sei das nur für die erteilten Unterrichtsstunden, nicht aber für die zahlreichen außerunterrichtlichen Tätigkeiten wie zum Beispiel die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Korrekturen, Eltern- und Schülerbesprechungen, Verwaltungsarbeiten, Aufsichten etc. Die dafür anfallenden Arbeitszeiten könnten nicht prognostiziert oder durch den Arbeitgeber überprüft werden. Es gehöre zum Berufsbild der Lehrkraft, dass sie ihre Aufgaben eigenverantwortlich und selbständig ausübt.

Günther-Wünsch führte außerdem an, dass eine Ungleichbehandlung drohe, weil die geplante Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nur für tarifbeschäftige Lehrkräfte gelten würde. Das widerspreche dem europäischen Arbeitnehmerbegriff. Zudem hänge die Attraktivität des Lehrerberufs mit der Flexibilität der Arbeitseinteilung zusammen.

Vom Bundesarbeitsministerium erhielt Günther-Wünsch eine Abfuhr. «Der Umstand, dass der konkrete Umfang der Arbeitszeit nicht in jedem Fall im Voraus feststeht, steht einer nachträglichen Dokumentation am Ende des Arbeitstages nicht entgegen», so schrieb (dem Bildungsjournalisten Jan-Martin Wiarda zufolge) Staatssekretärin Lilian Tschan an die KMK-Präsidentin. Heißt: Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt nach Auffassung des Bundesarbeitsministeriums schon heute umfassend für alle Lehrkräfte in den Schulen, die Kultusministerien müssten sie jetzt umsetzen.

Seitdem herrscht Funkstille. News4teachers / mit Material der dpa

Warum die Kultusminister kein Interesse daran haben, die Arbeitszeit von Lehrkräften genau zu erfassen (obwohl sie es müssten)

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