Studie: Drogenkonsum geht bei Jugendlichen oft mit Selbstmordgedanken einher

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BOSTON. Mittel- und Oberstufenschüler, die angeben, Alkohol, Cannabis oder Nikotin zu konsumieren, haben laut einer aktuellen Studie ein höheres Risiko für Selbstmordgedanken und andere psychische Störungen. Unabhängig davon, was zuerst vorlag – die psychischen Auffälligkeiten oder der Drogenkonsum – lässt sich festhalten: Wer Jugendliche vom Konsum abhalten will, muss mehr tun, als den Zugang zu den Drogen zu regeln.

Mittel- und Oberstufenschülerinnen und -schüler, die Cannabis, Alkohol oder Nikotin konsumieren, haben mit größerer Wahrscheinlichkeit Selbstmordgedanken, fühlen sich eher deprimiert oder ängstlich und zeigen Unaufmerksamkeit oder Hyperaktivitätssymptome. Dies geht aus einer aktuellen Studie hervor, die von Forscherinnen und Forschern des Massachusetts General Hospital (MGH) und der University of Minnesota durchgeführt wurde.

Im Vordergrund eine leere Flasche, im Hintergrund ein offenbar berauschter liegender Jugendlicher in einen Kapuzenpullover.
Bei den „gewöhnlichen“ Drogen kommt es, so die Wissenschaftler, weniger auf die Substanz als auf die Dosis an. Foto: Shutterstock

Die Studie basiert auf den Ergebnissen von Erhebungen aus den Jahren 2022 und 2023. Dafür waren insgesamt mehr als 15.000 Oberschülerinnen und Schüler befragt worden. Die Stichprobe umfasste Schülerinnen und Schüler aus 36 Highschools im US-Bundesstaat Massachusetts, die an der Umfrage zu Substanzkonsum und Risikofaktoren (SURF) 2022-2023 teilnahmen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben dabei selbst Auskunft über ihren Substanzkonsum, einschließlich Alkohol-, Cannabis- und Nikotinkonsum im gesamten Leben und im letzten Monat. Außerdem beschrieben sie psychiatrische Symptome im letzten Jahr von Suizidgedanken über aktuelle depressive oder Angstsymptome bis hin zu psychotischen Erfahrungen und Unaufmerksamkeit oder Hyperaktivität.

„Wir wollten herausfinden, ob der Substanzkonsum in einer großen Stichprobe von Highschool-Schülerinnen und -schülern dosisabhängig mit verschiedenen psychiatrischen Symptomen verbunden ist und ob sich diese Zusammenhänge je nach Art der konsumierten Substanz unterscheiden“, umreißt Hauptautorin Randi M. Schuster vom MGH die Intentionen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Häufigkeit des Substanzkonsums teilten sie dabei in die Kategorien „nie“, „jemals, aber nicht regelmäßig“, „monatlich“, „wöchentlich“ und „täglich oder fast täglich“.

Schuster und ihre Kolleginnen und Kollegen ermittelten, dass Alkohol-, Cannabis- und Nikotinkonsum jeweils mit einer erhöhten Prävalenz von Selbstmordgedanken einherging. Ebenso zeigten sich unter denjenigen, die angaben, eine der genannten Drogen zu konsumieren, höhere Raten von Schülerinnen und Schülern, die von Depressions-und Angstsymptomen, psychotischen Erfahrungen und Symptomen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung betroffen waren.

Bei Schülerinnen und Schülern, die angegeben hatten, täglich oder fast täglich Substanzen zu konsumieren, waren beispielsweise Selbstmordgedanken etwa fünfmal häufiger als bei Jugendlichen, die dies nicht taten. Eine Zunahme der psychiatrischen Symptome zeigte sich auch bei Jugendlichen mit relativ geringerem Konsum, wobei wöchentlicher oder monatlicher Konsum nicht signifikant mit psychiatrischen Symptomen verbunden war.

Zeigte sich mithin ein dosisabhängiger Zusammenhang jugendlichen Substanzkonsums mit Suizidgedanken und anderen psychiatrischen Symptomen, bestätigten sich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge Hypothesen nicht, die eine einzelne Substanz mit einem einzelnen psychiatrischen Symptom in Verbindung brachten. Die gleichen Ergebnisse erzielten die Psychologinnen und Psychologen um Randi M. Schuster, als sie die Antworten ihrer eigenen Erhebung mit denjenigen einer US-weiten Befragung aus dem Jahr 2021 untersuchten.

„Die Ergebnisse unserer Studie verdeutlichen“, fasst Mitautor Brenden Tervo-Clemmens zusammen, „die Prävalenz psychiatrischer Komorbiditäten bei jungen Menschen, die Substanzen konsumieren.“ Dementsprechend, so der Verhaltensforscher, unterstützten sie „nachdrücklich die Auffassung, dass Screening, Prävention, Intervention und politische Maßnahmen umfassend auf Ziele ausgerichtet sein müssen, die über den reinen Substanzkonsum hinausgehen.“ Außerdem müssten diese Bemühungen nicht unbedingt auf eine bestimmte Substanz ausgerichtet sein, sondern vielmehr die vielfältigen psychischen Bedürfnisse aller Jugendlichen, die Substanzen konsumieren, berücksichtigen. (zab, pm)

Hilfe bei Suizidgedanken

Wenn Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie – auch anonym – mit anderen Menschen über Ihre Gedanken sprechen können.

Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.

Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222.
Der Anruf bei der Telefonseelsorge ist nicht nur kostenfrei, er taucht auch nicht auf der Telefonrechnung auf, ebenso nicht im Einzelverbindungsnachweis.

Ebenfalls von der Telefonseelsorge kommt das Angebot eines Hilfe-Chats. Die Anmeldung erfolgt auf der Webseite der Telefonseelsorge. Den Chatraum kann man auch ohne vereinbarten Termin betreten, mit etwas Glück ist ein Berater frei. In jedem Fall klappt es mit einem gebuchten Termin.

Das dritte Angebot der Telefonseelsorge ist die Möglichkeit der E-Mail-Beratung. Auf der Seite der Telefonseelsorge melden Sie sich an und können Ihre Nachrichten schreiben und Antworten der Berater lesen. So taucht der E-Mail-Verkehr nicht in Ihren normalen Postfächern auf.

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SB HS Lehrääääär
2 Monate zuvor

Da gab es schon vor Jahren mehrere wissenschaftliche Arbeiten dazu, dass viele Jugendliche erkennen, dass sie durch das Betäuben oder ritualisierenden Handlungen ihre psychischen Probleme in der Griff bekommen

Gerade viele deren ADHS Problematik früher nicht in geklärt hatten, sind laut dieser Abhandlungen in die Versuchung geraten sich irgendwie zu bedämpfen.

unverzagte
2 Monate zuvor

Zweischneidiges Schwert, wenn Jugendliche im Alleingang versuchen, Ihre psychischen Probleme zu bewältigen mit welcher Substanz auch immer…mit Begleitung von Fachpersonal hat das sicher gesundheitliche Vorteile, was nach vielen Jahrzehnten endlich auch in Dland angekommen zu sein scheint.

SB HS Lehrääääär
2 Monate zuvor
Antwortet  unverzagte

Meine Worte

unverzagte
2 Monate zuvor

Ups, ungefragt geteilt bzw. danke für s Ausleihen^^

PaPo
2 Monate zuvor

Ich habe gerade keinen Zugriff auf den methodenteil der Studie, aber:Anscheinend schreiben die Autoren ja selbst über „die Prävalenz psychiatrischer Komorbiditäten bei jungen Menschen, die Substanzen konsumieren.“ Insofern müsste die Überschrift des Artikels geändert werden, die eine Kausalität formuliert („Drogenkonsum bei Jugendlichen erhöht Risiko für Selbstmordgedanken“ – Herv. d. PaPo), die in der Korrelationsstudie(!) gar nicht analysiert wurde (resp. werden konnte); klassisches cum hoc ergo propter hoc-Problem der Interpretation. 😉

vhh
2 Monate zuvor

(Fiktive) Frage an einen GL-Kurs:
Dieser Artikel zeigt, dass

  • Drogenkonsum psychische Probleme verursachen kann
  • psychische Probleme zu Drogenkonsum führen (können)
  • weder noch

Wie wäre wohl die Antwort?
Durchgängig wird immer wieder von Dosisabhängigkeit gesprochen, was eine Ursache (Drogenkonsum)-Wirkung (psychiatrische Symptome)-Beziehung impliziert. Anders herum (s.@SB HS …) wird nicht einmal in Erwägung gezogen? Eine Studie, die man nicht mehr als wissenschaftlich bezeichnen kann. Es ist nicht die Datenmenge, die über den wissenschaftlichen Anspruch entscheidet, es sind logisch zulässige Schlussfolgerungen. Nun, hier ist die Schlussfolgerung eine politische Forderung, aber Drogenkonsum als Indikator für psychische Probleme finde ich doch etwas fragwürdig, die sollten vorher auffallen.

Alx
2 Monate zuvor
Antwortet  vhh

Die Studie kann man also in der Pfeife rauchen. 😉

Pun intended.

PaPo
2 Monate zuvor
Antwortet  vhh

Ich kann (s.o.) aktuell nciht auf den Volltext der Studie zugreifen, aber in der Studie selbst ist offenbar nicht der Fehler begangen worden, Korrelationen mit Kausalitäten gleichzusetzen (jedenfalls erzeugt nichts den Anschein, wenn man sich Pressemeldungen, Interviews und Co.. anschaut). Gleiches gilt für die vermeintl. Schlussfolgerung, auch davon findet sich nichts. Also bitte nicht gleich die Studie verdammen. 😉

vhh
2 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

S.o., der Begriff ‚dosisabhängig‘ impliziert eine Kausalität, zumindest wenn man dessen Bedeutung in der Alltagssprache zugrunde legt. Wenn das Ergebnis lautet „Prävalenz psychiatrischer Komorbiditäten bei jungen Menschen, die Substanzen konsumieren“, liegt es nahe, bei dieser Formulierung einer Korrelation Kausalität zu implizieren, auch wenn das streng genommen nicht gesagt wird.
In jedem Artikel, der sich nicht nur an ein wissenschaftliches Publikum richtet, sollte explizit auf Korrelation/Kausalität hingewiesen werden, insofern ist die Studie nur ungenau beschrieben und tatsächlich wissenschaftlich korrekt, das war von mir unglücklich formuliert. Ein kommunikatives Desaster und eine Einladung zu Fehlinterpretationen ist diese Darstellung trotzdem.

PaPo
2 Monate zuvor
Antwortet  vhh

„[…] der Begriff ‚dosisabhängig‘ impliziert eine Kausalität, zumindest wenn man dessen Bedeutung in der Alltagssprache zugrunde legt.“
Ich würde das anders interpretieren, insb. hinsichtlich des Vollzitats der entsprechenden Textstelle:

„Wir wollten herausfinden, ob der Substanzkonsum in einer großen Stichprobe von Highschool-Schülerinnen und -schülern dosisabhängig mit verschiedenen psychiatrischen Symptomen verbunden ist […].“

Ich lese das, auch i.V:m. sonsitgen Berichten und Interviews mit den Forschern (in Englisch), als Unterfangen, evtl. Korrelationen zwischen der ‚Dosis‘ (offenbar wurde aber die Häufigkeit eines tendenziell regelmäßigen Konsums erhoben, nicht die Dosis i.e.S.) und spezifischen mental health-Problemen; s. auch das Abstract der Studie und den Titel (https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/article-abstract/2814315). Auch dort die Rede von Komorbiditäten, das ja nicht (zwingend) eine Kausalität impliziert.

„In jedem Artikel, der sich nicht nur an ein wissenschaftliches Publikum richtet, sollte explizit auf Korrelation/Kausalität hingewiesen werden […].“
Einverstanden! 🙂

Aber immerhjin wurde der Artikeltitel geändert.

447
2 Monate zuvor

Ich muss echt Studienautor werden…GANZ GROSSES PIKACHUGESICHT:
Drogen machen Menschen psychisch kaputt?
Na, wer will denn solcge „populustischen Vorurteile haben, da braucht es erstmal ’ne Studie…und dann die Gegenstudie natürluch: Vielleicht nehmen Gefährdete eher Drogen…und so dreht sich das Studienkarussel.

Meanwhile in Dschörminey: Legalize it!

Clownwelt ahoi.

laromir
2 Monate zuvor

So neu ist das jetzt nicht, dass Drogen (egal welcher Art) aufgrund von diversen Problemen genutzt (oder irgendwann eben missbraucht) werden und dann zu neuen Problemen führen. Eine Spirale entsteht. Ein Frage in Gesprächen ist deshalb auch: Was konsumieren du und wozu tust du das? Da erhält man schon aufschlussreiche Antworten. Und nein, Verbote nutzen nichts. Es gibt überall Verbote und überall Menschen, die sie übertreten. Ziel muss es sein, Menschen dazu zu bewegen, Verbote aus eigener Einsicht zu befolgen oder eben unbewusst befolgen, weil sie genügend andere Möglichkeiten haben als Drogenkonsum zu Stressbewältigung.

Lisa
2 Monate zuvor

Drogen sind auch bei Erwachsenen oft der untaugliche Versuch, sich selbst zu therapieren. Das hat nichts mit der Bildung zu tun, nur einmal nach “ Alkoholabhängigkeit bei Ärzten“ googeln. Eher damit, ob es Hilfen gibt, die “ das Gesicht wahren“ . Warum sollte das bei jungen Leuten anders sein?