Kinderarmut auf Rekordniveau – Jeder fünfte Schüler in Deutschland ist betroffen

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BERLIN. Die Armut in Deutschland verharrt auf hohem Niveau, so das Ergebnis des neuen Paritätischen Armutsberichts: 16,8 Prozent der Bevölkerung sind nach den jüngsten Zahlen davon betroffen, wobei sich im Vergleich der Bundesländer große regionale Unterschiede zeigen. Die Kinderarmut liegt demnach bundesweit auf Rekordniveau.

Armut beschädigt das Selbstvertrauen – und damit die Motivation, in der Schule erfolgreich zu sein (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Fast zwei Drittel der erwachsenen Armen gehen entweder einer Arbeit nach oder sind in Rente oder Pension, ein Fünftel der Armen sind Kinder. Der Paritätische sieht wesentliche armutspolitische Stellschrauben daher insbesondere in besseren Erwerbseinkommen, besseren Alterseinkünften – und einer Reform des Kinderlastenausgleichs. „Die Befunde sind durchwachsen, aber einen Grund zur Entwarnung gibt es nicht“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. So scheine der Trend stetig wachsender Armut auf Bundesebene zwar auf den ersten Blick gestoppt, aber noch lange nicht gedreht.

Nach dem Armutsbericht müssen 14,2 Millionen Menschen in diesem reichen Land zu den Armen gezählt werden. 2022 waren damit fast eine Million Menschen mehr von Armut betroffen als vor Pandemie, Energie- und Preiskrise im Jahr 2019 und 2,7 Millionen mehr als 2006. Insbesondere Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Menschen mit schlechten Bildungsabschlüssen oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind von Armut betroffen. Auf einen neuen traurigen Rekordwert ist nach der Studie zudem die Kinderarmut gestiegen: Mehr als jedes fünfte Kind ist mittlerweile von Armut betroffen (21,8 Prozent). Unter Alleinerziehenden lag die Armutsquote bei 43,2 Prozent.

Im Vergleich der Bundesländer zeigen sich große regionale Unterschiede. Während in Bayern jede achte Person von Armut betroffen ist, ist es in Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Hamburg jede fünfte Person, in Bremen sogar fast jede dritte. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Armut in Berlin besonders stark gesunken (von 20,1 auf 17,4 Prozent), während sie in Hamburg, in Schleswig-Holstein und im Saarland besonders stark gestiegen ist.

„Die Befunde sind erschütternd, doch leider verwundert es kaum, dass Bremen wieder Schlusslicht ist“, sagte die Vorsitzende des Landesverbands, Birgitt Pfeiffer. Sie verwies auf die zurückliegende Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine. Politik gegen Armut muss dem Verband zufolge vor allem auf Bundesebene gemacht werden. Für Bremen fordert der Verband, dass die Kinderbetreuung ausgebaut und der Wohnungsbau sozialer wird.

Der Paritätische fordert die Bundesregierung zu einer entschlossenen Armutspolitik auf. Dazu gehört aus Sicht des Verbandes unter anderem die Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, der Ausbau der Kinderbetreuung, eine Kindergrundsicherung, die vor Armut schützt und eine solidarische Pflegeversicherung als Vollversicherung.

Der Verband verwendet zur Berechnung der Zahlen den Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Das ist eine amtliche Statistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland zum Leben hat, zählt dem Verband zufolge als einkommensarm. Armut wird unterschiedlich definiert. News4teachers / mit Material der dpa

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4 Kommentare
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Lisa
1 Monat zuvor

Die hohen Energiepreise und gestiegenen Mieten, die gerade die Familien so belasten, haben mit Corona nichts zu tun. In anderen europäischen Ländern ist das nämlich nicht so. Da fehlt mir eine genauere Analyse, an was die gestiegene Armut in einem eher ländlichen Flächenstaat wie beispielsweise Schleswig – Holstein liegen könnte.

Folko Menpiepe
1 Monat zuvor

„2022 waren damit fast eine Million Menschen mehr von Armut betroffen als vor Pandemie, Energie- und Preiskrise im Jahr 2019…“

Viel Kontext, aber ein ganz relevanter fehlt: Seit Beginn des Ukraine-Krieges kamen rund 1 Mio. Flüchtlinge allein aus dieser Region nach Deutschland. Erwerbstätig sind davon nur etwa 10 %, wohingegen der Rest (nicht zuletzt auch viele Kinder) von Sozialleistungen abhängig ist.

Grundsätzlich machen derartige Vergleiche wenig Sinn, wenn man nicht vorab die Veränderungen der Bevölkerungszahl und -struktur insb. durch Ab- und Zuwanderung herausrechnet.

DerechteNorden
1 Monat zuvor

Wie viele Kinder mit Neu-Migrationshintergrund sind betroffen?

Unfassbar
30 Tage zuvor

Wer nicht arbeitet, dem helfen auch 15€ Mindestlohn nicht. Die Erhöhung des Mindestlohns treibt die Preise in die Höhe, weil die Lohnkosten weitergegeben werden.