Gezieltere Frühförderung durch Screening aller Kinder vor der Einschulung: Bundesweit einmaliges Modellprojekt gestartet

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HAGEN. Eine bessere Frühförderung gilt als Schlüssel dafür, die Bildungschancen insbesondere von benachteiligten Kindern zu verbessern. Das Problem: Bislang gab kein praktikables Diagnoseverfahren, mit dem der Entwicklungsstand (und damit der individuelle Förderbedarf) von Drei- bis Sechsjährigen systematisch erfasst werden könnte. Das soll sich jetzt ändern. Die Stadt Hagen hat ein bundesweit einmaliges Modellprojekt gestartet.

Ole und Ida gehörten 2021 zu dem ersten Jahrgang, der die Diagnostik-Software an der Astrid-Lindgren-Schule in Hagen getestet hat. Rechts: Schulleiterin Daniela Scheuermann. Foto: Linda Kolms, Stadt Hagen

Ob PISA, IGLU oder IQB-Bildungstrends: Gleich eine ganze Reihe von empirischen Bildungsstudien hat in jüngster Zeit aufgezeigt, dass sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Deutschland in den letzten Jahren deutlich verschlechtert haben – und zwar schon in der Grundschule: Ein Viertel der Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland erreichen etwa im Lesen nicht das Mindestniveau beim Textverständnis, das für die Anforderungen im weiteren Verlauf der Schulzeit nötig wäre. Besonders betroffen sind Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Weitgehende Einigkeit herrscht unter Bildungspolitikerinnen und -politikern, gegensteuern zu wollen – mit einer Förderung, die möglichst früh (also noch vor der Einschulung) einsetzt.

Daran hapert es bislang in der Praxis. „Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Konzepte zur systematischen Diagnose und Förderung der für die Erreichung der sprachlichen und mathematischen Mindeststandards erforderlichen basalen Kompetenzen nicht verbindlich in der Schul- und Unterrichtsentwicklung verankert sind und deshalb eine frühzeitige Identifikation von Förderbedarf und gezielte Unterstützung in vielen Fällen nicht erfolgt“, so heißt es in einem Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK), die darin folgerichtig eine „(Weiter-)Entwicklung und Bereitstellung von Diagnostik- und Fördermaterial“ fordert.

Mehrere Bundesländer, darunter Bayern und Baden-Württemberg, haben daraufhin angekündigt, Kinder vor der Einschulung einem Sprachtest unterziehen zu wollen. Die nordrhein-westfälische Stadt Hagen wird in Sachen Frühdiagnostik zum Vorreiter – und geht in einem bundesweit einmaligen Pilotprojekt sogar noch darüber hinaus: Sie stattet ihre Bildungseinrichtungen mit Diagnostik-Software von LOGmedia, einem Unternehmen aus dem westfälischen Fröndenberg, aus. Damit soll der Entwicklungsstand – nicht nur der Sprachstand in Deutsch – von Kita-, Vor- und Grundschulkindern zuverlässig ermittelt werden.

„Wir nutzen die Zeit des Schulanfangs, um mit den Screening-Ergebnissen für alle Kinder eine gute Lernausgangslage zu schaffen“

Einer Pressemitteilung der Stadt Hagen zufolge können mittels LOGmedia-Verfahren Sprachstände, schulische Grundfähigkeiten und Entwicklungsverläufe objektiv erhoben und valide eingeordnet werden. „Empfehlungen von Fördermaßnahmen und/oder weiterführender Diagnostik werden anhand automatisierter Berichte transparent und nachvollziehbar gegenüber Eltern, verantwortlichen Stellen und Expert*innen dargestellt. Eine punktgenaue Förderung, die dem tatsächlichen Förderbedarf entspricht, kann sich anschließen. Der großflächige Einsatz erlaubt zudem ein Screening der Förderbedarfe über ganze Jahrgänge hinweg. Darüber hinaus können die so gewonnenen Daten unmittelbar als statistische Darstellung im kommunalen Bildungsmonitoring sichtbar gemacht werden“, so heißt es.

Mehr noch: Durch die Möglichkeit, das Sprachverständnis bei nichtdeutschen Kindern in 27 Herkunftssprachen ohne Dolmetscher festzustellen, könne mittels des Screenings erkannt werden, ob es sich bei einem festgestellten Problem um eines beim Erlernen der deutschen Sprache handelt – oder ob sich eine Sprachauffälligkeit bereits in der Muttersprache zeigt. „Damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal – und können den Erfolg des Diagnosetests auch für fremdsprachige Kinder garantieren. Dadurch wird Früherkennung zu einem auch integrationspolitisch wichtigen Instrument“, sagt Volker Sassenberg, Geschäftsführer von LOGmedia. Er würdigt die nun geschlossene Kooperationsvereinbarung: „Wir sind stolz darauf, die Stadt Hagen bei ihrem so wichtigen Engagement für bessere Bildungschancen unterstützen zu können.“

„Bis zum Abschluss der Kooperationsvereinbarung war es ein langer Weg, den alle Beteiligten mit viel Engagement beschritten haben“, sagt Regina Pott, Leiterin des Fachbereichs Schule der Stadt Hagen. „Hierbei gab es die Chance, das Verfahren in den Schulen ausgiebig im Echtbetrieb zu testen. Seitens der nutzenden Schulen waren die Rückmeldungen durchweg positiv. Daher haben wir uns entschieden, allen Grundschulen die Möglichkeit zu geben, die Software zu nutzen, um von den Vorteilen dieses Screenings profitieren zu können.“

„Kein Kind wird damit mehr aufgrund seiner Lernvoraussetzungen übersehen – ein Quantensprung in der Feststellung von Basiskompetenzen“

Die Verfahren wurden den Angaben zufolge aus bewährten und validen Diagnostika von Praktikerinnen und Praktikern aus den Bereichen Logopädie, Kindermedizin und Pädagogik zusammengestellt und weiterentwickelt – ihre Wirkung wird fortlaufend wissenschaftlich evaluiert. Wissenschaftliche Leiterin der Evaluationen, an denen darüber hinaus stets transdisziplinäre Expert*innen und Hochschullehrende aus der Medizin, Migration und Bildungsforschung beteiligt sind, ist Professorin Monika Kil von der Universität für Weiterbildung Krems. Sie sagt zum Ergebnis der bisherigen Forschung: „Es gibt keine Nebenwirkungen. Die Verfahren sind extrem aussagekräftig und hilfreich. Kein Kind wird damit mehr aufgrund seiner Lernvoraussetzungen übersehen – ein Quantensprung in der Feststellung von Basiskompetenzen.“

Der Kooperation vorausgegangen war der Einsatz der Software in einzelnen Grundschulen der Stadt, darunter der Astrid-Lindgren-Grundschule. Die Erfahrungen waren dort überaus gut. „Wir nutzen die Zeit des Schulanfangs, um mit den Screening-Ergebnissen für alle Kinder eine gute Lernausgangslage zu schaffen und ihren weiteren Bildungsweg möglichst optimal zu gestalten“, sagt Schulleiterin Daniela Scheuermann. „Die, die es nutzen, sind begeistert.“

Zukünftig werden die Verfahren allen Grundschulen in Hagen zur Verfügung gestellt, um damit besonders förderbedürftige Kinder künftig besser und zielgenauer unterstützen zu können. „Der Einsatz von LOGmedia ist ein tolles Beispiel dafür, wie durch die perfekte Ergänzung von fachlichem und IT-Knowhow nachhaltige Verbesserungen in einer anspruchsvollen Aufgabenstellung erreicht werden können“, ergänzt Matthias Böhm, Leiter des Fachbereichs für Informationstechnologie und Zentrale Dienste der Stadt Hagen.

Im Rahmen der Kooperation werden regelmäßige Treffen stattfinden, um einen Austausch über Erkenntnisse aus der Praxis, Innovationen (wie Datenaggregierungs- und Entwicklungsprozesse) sowie weitere Aktivitäten (wie Partnerschaften in Forschungsprojekten) zu ermöglichen und kontinuierliche Verbesserungsprozesse anstoßen zu können. News4teachers

Screening: „Wir nutzen die Zeit des Schulanfangs, um mit den eduLOG-Ergebnissen ganz gezielt die Grundlagen zu legen“

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unverzagte
1 Monat zuvor

Ob es beizeiten auch ein ähnlich harmonisch wirkendes Foto mit einem reiferen, milde lächelndem Herren geben wird, wenn es um Themen wie Frühforderung geht ?

A.M.
1 Monat zuvor
Antwortet  unverzagte

Gute Idee! Dann würde der absurde Glaube an Diagnoseverfahren, systematische Förderung und „Quantensprünge in der Erfassung der Basiskompetenzen“ noch ein wenig unglaubwürdiger rüberkommen. Ich gestehe, dass mir der Glaube an das euphorisch verkündete fehlt.

Kinder lernen sehr gern für Menschen, die sie lieben und die ihnen – nichr zu knapp! – Zuwendung schenken. Mangelt es an Zuwendung, lernen Kinder oftmals, dass sie Aufmerksamkeit bekommen, wenn sie etwas nicht (oder falsch) machen. Vielleicht sollte man allen Kleinkindern einfach mehr Zeit mit ihren engsten Familienangehörigen ermöglichen, anstatt ihnen Langzeitaufenthalte in Institutionen zuzumuten.

DerechteNorden
1 Monat zuvor
Antwortet  A.M.

Interessant ist, dass gerade die Kids, die nicht in Institutionen waren, oftmals diejenigen sind, die keine Aufmerksamkeit bekommen, weil die Eltern lieber am Handy oder der Konsole daddeln und sie vorm TV parken, um das in Ruhe tun zu können.
Das sind die Kids, die von so etwas ganz erheblich profitieren könnten. Aber solche Verhältnisse können sich viele hier nicht vorstellen. Die gehen immer von den gehetzten berufstätigen Eltern aus, die ihre Kinder ganz toll erziehen würden, wenn sie nicht arbeiten müssten.

Palim
1 Monat zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Dazu müssten diese Kinder dann auch zur Testung eingeladen werden und erscheinen, beim 1.,2. oder dritten Termin, den in der Regel die Schule – sprich Lehrkräfte – organisieren und die Testungen im Team durchführen.
Sinnvoll wäre womöglich auch, dass Schulträger oder Gesundheitsamt Kräfte einstellen würden, die fachlich versiert sind und für die Arbeitszeit bezahlt werden. Das gibt es im Bereich Zahnmedizin, warum nicht auch für andere Screenings oder gar Prävention?

A.M.
1 Monat zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Es geht doch gar nicht darum, dass Kinder gar nicht in die Krippe oder Kita gebracht werden sollten, sondern darum, dass ihre individuellen Grenzen der Belastbarkeit gesehen und ernst genommen werden. Daran hapert es vor allem bei der 45-Stunden-Betreuung der Krippenkinder ganz gewaltig. Nicht alles, was Arbeitgeberinteressen entgegenkommt ist auch kinderfreundlich.

Nur weil für einzelne, von Schütteltrauma, sexuellem Missbrauch, schlechter Ernährung und körperlicher und seelischer Gewalt durch die Eltern bedrohte Kinder der Besuch einer Einrichtung mehr Sicherheit und Geborgenheit verspricht, profitieren längst nicht mehrheitlich alle Kinder von ihrem Rechtsanspruch, den sie nicht durch eindeutige Gesten und Unmusäußerungen ablehnen können.

Ginge es um das Kindeswohl, müsste dafür gesorgt werden, dass mehr zeitaufwändige Familienhilfe in den Elternhäusern der Kinder stattfindet. Stippvisiten des Jugendamts reichen nicht aus, wenn das Kindeswohl wirklich gefährdet ist.
Bitte lieber Geld für die praktische Hilfe! Und Mut zum Sparen, wenn es um „Luftquantensprünge“ geht.

DerechteNorden
1 Monat zuvor
Antwortet  A.M.

So viele Einzelfälle!

A.M.
1 Monat zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Selbstverständlich. Es haben wirklich nicht alle das gleiche Schicksal.

Bei einer Führerscheinprüfuung gibt es triftige Gründe dafür, dass die Prüflinge das Geforderte beherrschen. Bei Kindern möchte ich nicht so weit gehen, dies anzustreben.

Es war schon verlogen, den umstrittenen Sprachtest Delfin 4 als „Spiel“ zu bezeichnen, denn das Spiel ist seinem Wesen nach frei. Den Kindern stand es aber nicht frei, dieses Pseudo-Spiel nach Belieben abzuändern oder abzubrechen. Es ist einfach schrecklich, wenn die BetreuerInnen der Kinder im Alltag regellmäßig viel zu wenig Zeit haben, auf einzelne Kinder einzugehen. Testsituationen und Dokumentationen aber (mit dem Kind an kleinen Tischen zu erstellen…) werden so ausgerichtet, dass Situationen entstehen, in denen die Fachkräfte mehr Zeit als sonst einem Kind widmen können.

unverzagte
1 Monat zuvor
Antwortet  A.M.

Wie schaffen Sie es, Wohlstandsverwahrloste, Kriegstraumatisierte, Scheidungskinder, Missbrauchte, von materieller Armut Bedrohte u.v.m. … zu „Einzelfällen“ mit schrecklichem „Schicksal“ zu subsummieren ?

A.M.
1 Monat zuvor
Antwortet  unverzagte

Wir wissen alle, dass jeder Mensch und somit auch jedes Schicksal einmalig ist. Vielleicht können Sie mich besser verstehen, wenn ich Ihnen versichere, dass es mir nicht darum ging etwas zu „subsummieren“. Ich möchte nicht, dass Kindergartenkindern nach dem Gießkannenprinzip allen die gleichen Fragen gestellt werden und bei festgestelltem Förderbedarf alle nach der gleichen Methode gefördert werden. Dazu kann ich später noch eine Begründung nachliefern.

DerechteNorden
1 Monat zuvor
Antwortet  A.M.

Tut mir leid, aber ich nehme Ihnen das nicht so richtig ab. Wenn Sie so für das Kindeswohl sind, dann wissen Sie auch, dass es gar nicht so viele Familienhelfer*innen geben kann, um das abzufedern. Das ist noch viel unrealistischer als für genügend Personal in Kitas zu sorgen.

Außerdem ist doch nur das Diagnosetool gleich, nicht die Fördermethoden. Und natürlich muss es einen standardisierten „Fragen“katalog/Vorgehensweise geben. Wenn Sie wissen wollen, wie jemand heißt, stellen Sie doch auch nicht irgendwelche anderen Fragen. Es sind doch die Ergebnisse( Antworten), die die Grundlage der Förderung bilden.

A.M.
1 Monat zuvor
Antwortet  DerechteNorden

„Außerdem ist doch nur das Diagnosetool gleich, nicht die Fördermethoden.“ – Wirklich? Falls ja, habe ich das in Eile überlesen.

Ihre Antwort wurde erst freigeschaltet, nachdem ich meinen Beitrag abgeschickt habe.
Hoffentlich kann die Sprachförderung durch die Förderkraft wirklich nach einer Methode ihrer Wahl stattfinden. Ich kenne es anders und habe es abgelehnt, für wenig Geld (das war nicht der Ablehnungsgrund!) nach Vorgaben zu arbeiten, die ich nicht gut fand. Je mehr Fremdbestimmung, um so berechtigter erscheint den „Machern“ ein Dumping-Honorar für Erzieherinnen. Ob da jetzt auch ein Quantensprung stattgefunden hat, weiß ich nicht.

Wenn es um Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen ging, wurden Erzieherinnen in der F(l)achliteratur schon mal als „Trainerinnen“ angesprochen, die mit ner Puppe oder Plüschfigur rumkaspern sollten. Dialoge waren schon vorgekaut.

A.M.
1 Monat zuvor
Antwortet  A.M.

Für mich steht auch die Frage im Raum, inwieweit später nach dem Motto: Die Alterskohorte muss dies und jenes können, verschult etwas vermittelt wird, was sich auf Bildkarten leicht darstellen lässt und alles, das was Kinder idealerweise beiläufig aufnehmen und im Laufe der Zeit in ihren Wortschatz integrieren können, wieder außen vor bleibt.
Sollte Letzteres zu bejahen sein, bleiben „die Quantensprünge“ aus und es kann allenfalls zu besseren Abfrageergebnissen kommen.

unverzagte
1 Monat zuvor
Antwortet  A.M.

Wir wissen weiter, dass „Schicksale“ von o.g. weitgehend gesellschaftlich bedingt und nicht etwa auf persönliches Pech reduzierbar sind.

Zu Ihrem erklärten Anliegen: Methodisch differenzierte Förderung wären auch selbstverständlich im Vorschulalter von Vorteil, bestreitet hier doch niemand.

ABER: Das aktuell sehr übersichtliche Kollegium sollte eher Anlass zur Dankbarkeit geben, als die ohnehin schon super ausgeprägte Erwartungshaltung mit sehr wahrscheinlich eh längst bekannten Tipps noch erhöhen zu wollen.

Riesenzwerg
1 Monat zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Ja.
Zu viele.
Warum nur?

Der Zauberlehrling
1 Monat zuvor

Vielleicht sollten „Kinderkurse“ stattfinden, in denen das Rüstzeug für „frühkindliche Förderung“ gelehrt wird.

Kein „Bildschirm“ in den ersten sechs Jahren könnte schon helfen, der Verblödung des Volkes entgegenzuwirken. Förderung zusätzlich wäre der Booster. Aber da sind auch Eltern gefragt und gefordert. Vorlesen, Ausmalenlassen, etc. Was man halt so gemeinsam treiben kann.

Lera
1 Monat zuvor

Neulich im Lehrerzimmer:

„Wenn wir doch nur ein praktikables Diagnosetool hätten, um die Lernausgangslagen festzustellen…“

„Ja, dann könnten wir punktgenau fördern.“

„Stimmt. Und endlich könnten wir Empfehlungen von Fördermaßnahmen anhand automatisierter Berichte transparent und nachvollziehbar gegenüber Eltern, verantwortlichen Stellen und Expert*innen darstellen!“

„Das wäre wirklich genau das, was wir brauchen.“

BFZ-Fachkräftin
1 Monat zuvor
Antwortet  Redaktion

Aber auch die beste Diagnose hilft nichts, wenn nicht danach Fachleute da sind, die die Förderung dann auch praktisch übernehmen können. Und genau das ist das Problem: Es wird analysiert und diagnostiziert, aber es ist dann niemand da, der etwas sinnvolles mit den Ergebnissen tut.

A.M.
1 Monat zuvor
Antwortet  BFZ-Fachkräftin

Und genau darum sollte man erst mal Geld aufwenden, um für kleinere Gruppen und mehr Fachkräfte zu sorgen, die dann bitte auch Zeit für die Kinder haben. Solange das nicht passiert, könnte man sich die Fördergelder für evaluierte Sprachförderprogramme sparen. Es gab schon so viele Programme, die zertifiziert und angeblich ganz toll waren.

Wann lernen wir aufgrund diverser Misserfolge endlich mal „Nein danke! oder „Ohne mich!“ zu sagen? Zu dem erwähnten Programm kann ich leider noch nichts konkretes sagen. Allerdings kann mir noch nicht einmal ansatzweise vorstellen, dass die Wissenschaftler selbst an die „Quantensprünge“ glauben.

Wie viel Geld floß in die Entwicklung des angepriesenen Programms?

A.M.
1 Monat zuvor
Antwortet  A.M.

Und wie hoch liegt das Honorar der Sprachförderkräfte, die im Anschluss an die Ergebnisse die Kinder fördern sollen?

Lisa
1 Monat zuvor
Antwortet  Redaktion

„Mehr noch: Durch die Möglichkeit, das Sprachverständnis bei nichtdeutschen Kindern in den Herkunftssprachen ohne Dolmetscher festzustellen, könne mittels des Screenings erkannt werden, ob es sich bei einem festgestellten Problem um eines beim Erlernen der deutschen Sprache handelt – oder ob sich eine Sprachauffälligkeit bereits in der Muttersprache zeigt.“
Das finde ich sogar sehr hilfreich. Doch wie geht es weiter? Es geht leider nicht nur um “ Gefahr erkannt, Gefahr gebannt „, sondern es bräuchte ein staatliches Netz von Logopäden, Ergotherapeuten, DaZ – Lehrern etc. Um die Defizite aufzufangen.

Palim
1 Monat zuvor
Antwortet  Redaktion

Um eine Therapie bei Logopäd:innen oder Sprachtherapeut:innen beginnen zu dürfen, braucht es aber ein Rezept. Da reicht ein Bescheid der Einschulungsuntersuchung nicht aus, Eltern müssen dann zusätzlich mit dem Kind zu einem Arzt gehen und der Arzt muss das Rezept auch ausstellen (wollen).
Das ist eine Hürde, die manche nicht nehmen oder die nicht zu schaffen ist – es ist nicht einfach, diese Rezepte zu bekommen.
Und obwohl es so schwierig ist, schreiben die ansässigen Therapeut:innen Wartelisten von 6-12 Monaten. Da ist die 1. Klasse fast vorbei, wenn das Kind die erste Sitzung hat.

Sinnvoller waren die frühen Erhebungen, wie Delfin4 oder DIT in Deutsch als Sprachtest mit anschließendem Unterricht und der Möglichkeit, noch vor der Einschulung etwas zu erreichen.
Das wurde landesweit eingestellt, offenbar ist frühe Förderung ja nicht wichtig genug.

Lisa
1 Monat zuvor
Antwortet  Redaktion

Meine Erfahrung: Eloquente Eltern schaffen es viel häufiger, für ihr Kind ein Rezept für Logopädie und ähnliches zu bekommen. Ärzte sind auch nur Menschen. Daher schrieb ich staatlich. Die Angebote müssten niedrigschwellig sein. Im Ausland kamen Ergotherapeuten in den Kindergarten und die Therapie fand in einem Nebenraum direkt dort. Da mussten die Eltern nichts dazu tun. Und die späteren Lehrer danken es.

A.M.
1 Monat zuvor
Antwortet  Lisa

So habe ich es vor zwanzig Jahren boch im integrariven Kindergarten erlebt. Die Kinder mit Förderbedarf konnten sogar immer wieder ein Partnerkind mitnehmen, wenn ihr Förderangebot stattfand. Selten habe ich eine derart überzeugende Förderung aller Kinder einer Gruppe erlebt wie dort. – Bevor der „Sparzwang“ einsetzte und es offiziell hieß, man wolle den Kindern eine „Übertherapie“ ersparen. Ergotherapeuten, Logopäden und Motopäden wurden übrigens nicht besser als die Erzieher bezahlt, aber mit der Streichung der angeblichen „Überthetapie“ wollte man wohl den Eindruck erwecken, man würde an teure Psychotherapie durch studierte Fackkräfte einsparen.

Sepp
1 Monat zuvor

Mal völlig ohne Zynismus:
Es ist super, dass die Stadt Hagen jetzt über ein gutes Diagnose-Tool verfügt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Ausstattung (an Lehrkräften, Sozialarbeitern, Material etc.) an den Schulen so ist, dass eine passgenaue Förderung auch geleistet werden kann.

Jette
1 Monat zuvor

Beim Lesen des Artikels entsteht der Eindruck, als seien Sprachstände, schulische Grundfertigkeiten und Entwicklungsverläufe vorher nicht oder nicht ausreichend diagnostiziert worden und jetzt käme „ein Quantensprung in der Feststellung von Basiskompetenzen“. Da kann ich nur müde lächeln!
Jede halbwegs erfahrene Erzieherin oder Lehrkraft sieht sehr klar, welche Defizite vorliegen, dafür braucht es kein Computerprogramm!
Das Problem liegt doch eher darin, dass es kaum Förderstunden, zu große Gruppen, keine oder kaum Stunden von Förderschullehrkräften gibt und den Kindern die aufgrund ihrer Auffälligkeiten nötige Förderung damit verwehrt bleibt.
Woher nun all diese Förderungen, deren Notwendigkeit durch das ach so tolle Programm aufgezeigt wird, kommen sollen, ist weiterhin unklar.
Wenn mir ein Arzt einen Blinddarmdurchbruch diagnostiziert, ich aber leider wegen Überlastung der Krankenkassen keinen OP-Termin bekomme, nützt mir die Diagnose herzlich wenig!
Wie gesagt, vom vielen Wiegen wird das Schwein nicht fett!!!

Jette
1 Monat zuvor
Antwortet  Jette

Überlastung der Krankenhäuser war gemeint… 😉

Ich habs so satt
1 Monat zuvor
Antwortet  Jette

……und, so wie sich Ärzte schon mal irren, wenn Schichten zu lang und Patienten zu viel werden,
können sich LuL auch mal täuschen, etwas übersehen, weil die Klassen viel zu groß sind.
Auch das Programm liefert zunächst eine Momentaufnahme, die dann mMn per Zweitmeinung erfahrener LuL bestätigt werden sollte.
Was passiert, wenn eine Klasse nach Test zu drei Viertel einen erhöhten Förderbedarf zeigt, werden dann die abgefragten skills herunterprogrammiert ?
Dann sind wir wieder genau da, wo wir sind.

Sie haben recht.

Mariechen
1 Monat zuvor

Wie passt das damit zusammen, dass zum kommenden Schuljahr in RLP keine Förderlehrer mehr in die Kitas gehen und auf eventuellen Förderbedarf testen? Damit wird der mögliche Förderbedarf u.U. zu spät erkannt und wertvolle Zeit im Bereich der Frühförderung verspielt. Frau Hubig nennt dies dann Inklusion…

Palim
1 Monat zuvor
Antwortet  Mariechen

Das ist in anderen BL auch so vorgesehen,
möglichst keine Testung vor der Einschulung, dafür dann erst ab Mitte Klasse 2, sodass die Feststellung zum 3. Schuljahr erfolgt.
Bis dahin offiziell zielgleiche Beschulung, welche Kinder mit Unterstützungsbedarf nicht schaffen können.

Am Ende gibt es eine tolle PC-Diagnose, den PC können irgendwelche Menschen aufstellen und das Kind an die Testung setzen, und im Anschluss die Vorgabe, das Kind könne eingeschult werden und die Lehrkräfte übernehmen innerhalb des Klassenverbandes die notwendige Förderung, die bei Logopäd:innen, Ergotherapeut:innen, Erzieher:innen oder Lehrkräften in kleinen Gruppen oder Einzelförderung Standard sein sollte.

Mariechen
1 Monat zuvor
Antwortet  Palim

Nicht zu fassen…

Lanayah
1 Monat zuvor

Wer fördert?

Palim
1 Monat zuvor

„Bislang gab kein praktikables Diagnoseverfahren, mit dem der Entwicklungsstand (und damit der individuelle Förderbedarf) von Drei- bis Sechsjährigen systematisch erfasst werden könnte.“

Doch, das nennt sich DESK, ein Screeningverfahren für 3-6jährige und kommt aus Dortmund – nicht so weit entfernt von Hagen.
In unserer Region wird es durch das Gesundheitsamt durchgeführt.

Danach gibt es aber keine zusätzlichen Förderstunden, es obliegt den Eltern sich zu kümmern. Noch sinnvoller wäre es wohl, die KiTa gleich mit weit mehr Personal auszustatten. Frühe Förderung, die früh über Prävention, Anregung und gezielte Maßnahmen entgegen wirkt, was später mehr Mühen und weit mehr Kosten verursacht.

Fräulein Rottenmeier
1 Monat zuvor

Gut, dass ein zuverlässiges Screening entwickelt wurde und wenn es tut, was es soll, noch besser.
NRW stellt den Sprachstand zwei Jahre vor Einschulung fest und verordnet im nächsten Schritt dann Sprachkurse….so….soooo……und dann?
In der Kita fehlen häufig Erzieherinnen, die diese Sprachkurse durch führen. Kinder, die bislang nicht in die Kita gingen, werden zu solchen Sprachkursen eingeladen. Die allermeisten gehen aber nicht hin. Das hält aber keiner nach, keiner teilt dem Schulamt /Schulträger mit, dass diese Kinder nicht teilnehmen. Das fällt in aller Regel erst bei der Schuleingangsdiagnostik auf. Aber auch dann, wenn die Schule nachhakt, gehen die Kinder nicht hin…..und kommen oft mit rudimentären Deutschkenntnissen in die Schule…..

Diagnostik ist gut, aber alles was folgt ist desolat…..ich könnte k…..ein…..

Palim
1 Monat zuvor

In NDS oblag die Teilnahme der Schulpflicht, solange die Schule die Sprachförderung übernahm und dafür Lehrkräftestunden zugeteilt bekam.
Somit konnte die Einhaltung der Schulpflicht über die Schule erhoben und mögliche Maßnahmen ergriffen werden.
Das Land hat diese Sprachförderung vor der Einschulung seitens der Schule aber gestrichen, es soll nun im Kindergarten immanent erfolgen. Tja.
Kinder, die nicht in einer Einrichtung angemeldet sind, können in der Schule verpflichtet werden, Kinder, die nie im KiGa erscheinen, jedoch nicht.

Mein_Senf
1 Monat zuvor

…kein Kind wird wegen seiner Lerndefizite übersehen….
es wäre vielleicht ein erster Schritt, die Lerndefizite und Bedarfe bereits vorhandener Schüler anzugehen. Wenn das schon nicht gelingt, wie soll dann die neue Sau gut und sicher durchs Dorf getrieben werden?

Fräulein Rottenmeier
1 Monat zuvor
Antwortet  Mein_Senf

Die Sau ist nicht nur nicht neu, sondern schon alt und runzelig und schleicht schon seit Jahren durchs Dorf…..
In NRW schleicht sie schon seit 2006 herum, seit die Schulkindergärten geschlossen wurden und die integrierte Eingangsstufe erfunden wurde. Lapidar wurde dann gesagt, dass Kinder dann eben 3 Jahre in der Schuleingangsphase verbleiben und der Effekt sogar positiv zu bewerten sei, da man sie ja nicht aus der Klassengemeinschaft herausreißen würde….Kontinuität war das Sprichwort. Was ja nicht stimmt, denn Kinder mit solchen Mankos in den Vorläuferfähigkeiten haben von Beginn an Mißerfolgserlebnisse und was das mit denen macht, kann man sich ja vorstellen. Zudem war es in NRW untersagt, diese Kinder am Ende des ersten Schuljahres die komplette erste Klasse wiederholen zu lassen….auch da wurde dann ein Riegel vorgeschoben….inzwischen ist dies wieder möglich, aber für die Kinder bleibt es schlimmm….denn auch hier findet ein Gruppenwechsel statt….einzige Ausnahme bleiben da Schulen mit jahrgangsübergreifenden Unterricht (und das sind nicht so viele), wo das Kind in der Gruppe verbleiben kann….

Es ist und bleibt ein riesiges Dilemma!