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Aggression an Schulen wächst – VBE fordert mehr Zeit für Beziehungsarbeit, Philologenverband konsequentes Sanktionieren

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BERLIN/MÜNCHEN. Das Klima in den Schulen hat sich verändert – es ist rauer geworden. Dies stellen der VBE-Bundesvorstand in einer Diskussion und der Bayerische Philologenverband in einer Umfrage unabhängig voneinander fest. Die Schlussfolgerungen daraus unterscheiden sich allerdings: Während die einen (VBE) mehr Zeit für Beziehungsarbeit fordern, setzen die anderen (Philologen) vor allem auf konsequentes Ahnden von Regelverstößen.

Die Aggression an Schulen nimmt zu (Symbolbild). Foto: Shutterstock

„Kinder werden starke Persönlichkeiten durch starke Lehrkräfte. Neben einem verlässlichen und liebevollen Elternhaus brauchen sie Lehrkräfte, die ihnen Zutrauen, Stärke und Vertrauen in ihre Fähigkeiten geben“, fasst der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, die Ergebnisse einer Diskussion bei der jüngsten Bundesvorstandssitzung des Verbands zusammen.

„Wir als Lehrkräfte bemängeln, dass die bildungspolitische Diskussion sich hauptsächlich auf ein einziges Ziel konzentriert: die Steigerung der Quote von Kindern, die die Mindeststandards erreichen. Selbstverständlich ist es elementar wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler lesen, schreiben und rechnen können. Da widerspricht niemand. Gleichzeitig darf in der Diskussion um das Erreichen von Mindeststandards nicht vergessen werden, was dafür notwendig ist: Ohne Bindung keine Bildung. Die professionelle Beziehung zwischen den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern ist das Fundament für nachhaltiges Lernen“, bekräftigt Brand.

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„Der Blick in das Klassenzimmer darf nicht verengt werden auf das Messen, Vergleichen und Erbringen von Quoten“

Der VBE-Bundesvorstand führte ihm zufolge eine konstruktive Diskussion, in der insbesondere die Motivation der Lehrkräfte deutlich geworden sei. „Wer Lehrkraft werden möchte oder ist, übt den Beruf aus, um Kinder für ihr Leben in der Gesellschaft vorzubereiten und sie auf ihrem Weg zu begleiten. Deshalb darf der Blick in das Klassenzimmer nicht verengt werden auf das Messen, Vergleichen und Erbringen von Quoten.“

Der VBE-Chef erläutert: „Das einzelne Kind und seine spezifischen und individuellen Stärken und Schwächen sind für uns entscheidend. Wir als Lehrkräfte geben Kindern eine Stimme – als Profis für die Bildung. Wir melden uns deswegen – fern aller Kampagnen, Bündnisse und Studien – heute zu Wort!“ Denn: „Jeden Tag kommen neue Ergebnisse, die das Lehren und Lernen in Schule beleuchten. Es hilft aber nicht, noch mehr der gleichen Erkenntnisse zu produzieren. Vielmehr braucht es ausreichend Zeit und Ressourcen, um ins Lernen zu kommen.“

Mitglieder des Bundesvorstandes hätten eindrücklich aus ihrem Alltag berichtet, in dem sie mit Jugendlichen arbeiten, die verhaltensauffällig sind, teilweise Straftaten begehen, depressiv oder aggressiv werden, psychische und psychiatrische Störungen entwickeln und orientierungslos sind. Andere wissen zu berichten, wie unterschiedlich die Lebensrealitäten von Kindern und Erwachsenen sind und was es mit der Jugend macht, in Zeiten multipler Krisen aufzuwachsen.

Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage des Bayerischen Philologenverbands (bpv) unter Mitgliedern, die eine Zunahme der Gewalt an Schulen dokumentiert (der Philologenverband Niedersachsen hatte unlängst eine ähnliche Umfrage durchgeführt, News4teachers berichtete). „Es ist momentan aktueller denn je, denn Corona hat in der Schülerschaft einiges verändert. Bei vielen ist die Zündschnur kürzer geworden“, berichtet Regina Knape, Leiterin des Sachgebiets Schulpsychologie im bpv. Die Frustrationstoleranz und die Fähigkeit, mit negativen Erlebnissen umzugehen, sei bei Kindern und Jugendlichen stark gesunken.

Das spiegelt sich in den Ergebnissen der Umfrage. Von den rund 3.000 im Februar befragten Lehrkräften an Gymnasien und Berufsoberschulen im Freistaat waren 13 Prozent in den vergangenen fünf Jahren schon einmal selbst von psychischer oder physischer Gewalt betroffen. 21 Prozent der selbst Betroffenen berichten dabei von „häufigen“ (18 Prozent) oder „sehr häufigen“ (3 Prozent) Vorfällen. 37 Prozent der Nicht-Betroffenen haben in den vergangenen fünf Jahren zumindest von Gewaltvorfällen gegenüber Lehrkräften an ihrer Schule erfahren. Angesichts einer zweifellos vorhandenen Dunkelziffer sei davon auszugehen, dass die tatsächlichen Werte höher liegen, heißt es.

Der Blick auf die Art der geschilderten Gewaltanwendung offenbart, dass von Beschimpfungen bis zu sexualisierter Gewalt alle Dimensionen vertreten sind. Beschimpfungen werden dabei mit 76 Prozent am häufigsten genannt. Es folgen Cybermobbing (42 Prozent), Bedrohungen (37 Prozent) und Mobbing (21 Prozent). Nach der Sachbeschädigung mit 20 Prozent werden körperliche und diskriminierende Übergriffe jeweils von 11 Prozent der Befragten genannt. Die Zahlen zeigen, dass es sich in der Mehrzahl um psychische Vorfälle handelt.

„Bei subtileren Gewaltvorfällen neigen Lehrkräfte dazu, den Vorfall auf ihr eigenes pädagogisches Verhalten zu beziehen“

Gerade das Subtile dieser Gewaltanwendungen mache es für Lehrkräfte häufig schwer, damit richtig umzugehen, weiß Schulpsychologin Knappe. Sie erklärt: „Bei subtileren Gewaltvorfällen neigen Lehrkräfte, die nicht richtig auf den Umgang mit solchen Aggressionen vorbereitet wurden, dazu, den Vorfall auf ihr eigenes pädagogisches Verhalten zu beziehen.“

Dabei werde das Thema Gewalt gegen Lehrkräfte an Gymnasien und Fachoberschulen (zumal in Bayern) oft unterschätzt, heißt es beim Philologenverband – angesichts der bürgerlichen Schülerklientel. Aber auch diese Schulformen seien betroffen. „Grundsätzlich gilt es, ein friedliches Schulklima zu schaffen, in dem Gewalt insgesamt null toleriert wird. Dazu gehört es, Vorfälle nicht totzuschweigen oder zu verharmlosen, sondern diese klar zu benennen und richtig zu reagieren.“

Dazu gehört aber laut VBE eben auch, dass Lehrkräften Zeit bleibt, Beziehungsarbeit zu leisten. Verbandschef Brand fordert: „Die Arbeitsbedingungen der Pädagoginnen und Pädagogen müssen verbessert werden – nur so können wir Kinder und Jugendliche stark und resilient für das Leben von morgen machen. Dafür braucht es große Entscheidungen und mutige Veränderungen, die von der Gesellschaft getragen und von der Politik ausfinanziert werden.“ News4teachers / mit Material der dpa

Wie der Gewalt an Schulen begegnen? Lehrkräfte sollten nicht mehr allein benoten! (Besser: standardisiert und digital)

 

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