BAD STAFFELSTEIN. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), gerade als Verlierer aus dem unionsinternen Rennen um die Kanzlerkandidatur hervorgegangen, will offenbar jeden Anschein der Politikmüdigkeit beiseite wischen – mit forsch klingenden Ankündigungen in der Bildungspolitik. Dabei fährt er auch der Kultusministerin in die Parade. Die GEW kommentiert das böse.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat ein Machtwort gesprochen. „Exen und Abfragen werden natürlich bleiben”, betonte er einem Bericht des bayerischen Rundfunks (br) zufolge bei der CSU-Fraktionsklausur im oberfränkischen Kloster Banz. Seine Begründung: Bayern wolle bei der Bildung die Spitzenposition behalten. Eine Abschaffung würde dem Ministerpräsidenten zufolge „die Leistungsdichte verschlechtern“.
Hintergrund: Bayerische Schülerinnen und Schüler haben eine Petition gestartet, in der sie die Abschaffung von nicht-angekündigten Tests – sogenannten Exen – fordern. Ihr Argument: „Lernen unter Angst und Druck ist niemals effektiv. Im Gegenteil, Abfragen und Exen fördern nur oberflächliches Auswendiglernen statt langfristiges Verstehen und Behalten von Lerninhalten.“ Die GEW, der BLLV und der Elternverband unterstützen das Ansinnen – der Philologenverband nicht (News4teachers berichtete).
„Es ist doch auch klar, dass wir in Zeiten von KI mit Wissen ganz anders umgehen müssen, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war“
Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) muss sich durch Söders Basta düpiert fühlen. Sie hatte laut br zum Start des neuen Schuljahres angekündigt, dass in den nächsten Monaten die Lehrpläne „entschlackt“ werden sollen. Zugleich will sie Prüfungen und Leistungsnachweise „grundlegend angehen“: Es gehe darum, was geprüft werde, auf welche Weise und wie viel. Schule müsse jene Kompetenzen vermitteln und prüfen, die Kinder und Jugendliche „für Ausbildung, Studium, Beruf” benötigten. „Es ist doch auch klar, dass wir in Zeiten von KI mit Wissen ganz anders umgehen müssen, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war“, sagte sie – und kündigte an, dabei auch die Zahl der Leistungsnachweise genau „unter die Lupe nehmen“ und diskutieren, inwieweit sie angekündigt sein sollen.
Martina Borgendale, Vorsitzende der GEW Bayern, kritisiert den Vorstoß des Ministerpräsidenten scharf: „Auch für Herrn Söder gilt die Bayerische Verfassung und ihr Ressortprinzip. Frau Stolz hat eine Überprüfung der Leistungsnachweise in den Schulen angekündigt. Herr Söder verstößt nun nicht nur gegen das Ressortprinzip, sondern greift auch noch einer Entscheidung des Bayerischen Landtags über die laufende Petition zum Thema vor. Vielleicht täte dem Herrn Ministerpräsidenten eine Verfassungsviertelstunde gut.“ Hintergrund: Mit einer wöchentlichen „Verfassungsviertelstunde“ im Unterricht soll in Bayern die politische Bildung verbessert werden (News4teachers berichtete).
Stolz legt nach eigenem Bekunden großen Wert darauf, Änderungen im engen Austausch mit der „Schulfamilie“ zu entwickeln – mit Vertretern von Lehrerkräften, Schulleitern, Eltern, Schülerinnen und Schülern. Für den Ministerpräsidenten gilt das augenscheinlich nicht: Er kündigte in seiner landespolitischen Grundsatzrede nach Angaben von Teilnehmern der CSU-Fraktionsklausur auch mal eben unvermittelt an, eine halbe Stunde täglicher Bewegung für die Schülerinnen und Schüler an Grundschulen einzuführen.
„Die Einführung der halben Stunde soll parallel zum Recht auf Ganztagesbetreuung kommen. Es ist für den Nachmittag das ideale Programm“
Söder wolle dies für die Grundschulen in Bayern verpflichtend machen, hieß es. Welche Art der Bewegung dies sei, bleibe den Schulen überlassen. Ein Konzept dafür – schon um zu klären, wie die ohnehin schon durch die Personalnot gebeutelten Lehrkräfte das zusätzlich stemmen sollen – gibt es offenbar nicht. Nur so viel: Den Stundenplan der Schulen will Söder laut „Bild“-Zeitung dafür nicht erweitern. „Die Einführung der halben Stunde soll parallel zum Recht auf Ganztagesbetreuung kommen. Es ist für den Nachmittag das ideale Programm“, befand der Ministerpräsident.
„Kinder sollen sich bewegen, in welcher Form auch immer“, wird Söder von „Bild“ zitiert (die von einer „Jogging-Pflicht für Schüler“ schreibt – als sollten die Kinder dann allein um das Schulgelände herumrennen). „Der Bayerische Landessportverband ist dabei. Wir haben tolle Initiativen von Felix Neureuther oder Philipp Lahm, die sich dafür einsetzen.“ Der Sportverband wolle Vorschläge für die Schulen vorlegen. Wie privates Engagement von Prominenten mit einem verbindlichen schulischen Pflichtprogramm zusammengehen soll? Unklar.
Söder befürwortet laut „Bild“ ausdrücklich die Fortführung der Bundesjugendspiele (die tatsächlich niemand abschaffen will). „Wir werden auf jeden Fall Bayern-Spiele ausrichten“, so zitiert das Blatt den Ministerpräsidenten. Die Grundlage dafür soll ein Bayerisches Sportgesetz geben, das Söder den Angaben zufolge in den Landtag einbringen will: „Sport ist zentral wichtig.“
„Man lernt bereits in der Schule, dass es nur dann sinnvoll ist, sich in Diskussionen einzumischen, wenn man auch weiß, wovon man spricht. Herr Söder tut das offensichtlich nicht“
Und die Kultusministerin, der er gerade in die Parade gefahren war, bekam dann auch noch ein landesväterliches Lob ab. Er wolle ihr damit nicht schaden, aber er sei mit der Arbeit von Anna Stolz sehr zufrieden, sagte der CSU-Chef vor Journalisten in Kloster Banz. Für ihn sei sie die stärkste Ministerin der Freien Wähler.
Florian Kohl, stellvertretender Vorsitzender GEW Bayern, meint: „Man lernt bereits in der Schule, dass es nur dann sinnvoll ist, sich in Diskussionen einzumischen, wenn man auch weiß, wovon man spricht. Herr Söder tut das offensichtlich nicht. Wir empfehlen ihm, sich mit dem Thema zeitgemäßer Prüfungskultur wissenschaftlich auseinanderzusetzen und ansonsten das Kultusministerium und uns unseren Job machen zu lassen und sich wieder den Themen Social Media und Essen zuzuwenden – davon scheint er ja ein wenig Ahnung zu haben.“ News4teachers / mit Material der dpa
