Wie viel ist uns die Bildung wert? Eine Debatte mit Finanzminister Alexander Lorz über Geld und Chancengerechtigkeit

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WIESBADEN. Wer in der Bildung etwas verändern will, stößt häufig auf ein Problem: Viele Veränderungen kosten Geld. Und Geld gibt es im Bereich Bildung immer zu wenig – so jedenfalls der Eindruck. Aber stimmt das wirklich? Oder ist das Geld nur falsch verteilt? In der aktuellen Folge des Podcast „Bildung, bitte!“ begibt sich der Bürgerrat Bildung und Lernen in die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden, um dort mit Finanzminister Alexander Lorz (CDU) über die Finanzierung der Bildung zu sprechen. Mit dabei in dieser Sonderfolge sind außerdem Maria Sala, Mitglied im Bürgerrat Bildung und Lernen, und News4teachers-Redakteurin Laura Millmann, die durch das Gespräch führt.

Braucht es einen Jackpot, um die Bildung auf Vordermann zu bringen? Illustration: Shutterstock

Die wichtigste Frage wird sofort zu Beginn diskutiert: Ist das Bildungssystem unterfinanziert und wird es dadurch ausgebremst? Darauf erklärt Alexander Lorz, der zuvor zehn Jahre lang Kultusminister in Hessen war, dass eigentlich genug Geld für Bildung da sei, es nur falsch verteilt werde. „Wir müssen darüber reden, wie wir das Geld vielleicht anders verteilen. Und natürlich in Zeiten angespannter Haushaltslage oder knapper Kassen werden wir darum kämpfen müssen, dass Bildung weiterhin die Priorität bekommt, die sie braucht. Aber im Großen und Ganzen ist mangelndes Geld nicht das zentrale Problem der Bildungspolitik“, so Lorz im Podcast.

Braucht es einen Wumms für die Bildung? Bürgerrats-Mitglied Maria Sale, News4teachers-Redakteurin Laura Millmann (Mitte) und Finanzminister Alexander Lorz. Foto: Montag Stiftung Denkwerkstatt

Maria Sala, die in Wiesbaden soziale Arbeit studiert und seit Beginn im Bürgerrat Bildung und Lernen aktiv ist, widerspricht dem Finanzminister. Sie erinnert sich, dass in allen Diskussionsrunden des Bürgerrats das Thema Geld immer eine große Rolle gespielt habe. „Wir haben uns bei allen Vorschlägen, die wir erarbeitet die Frage gestellt, welche Problematiken aufkommen könnten. Und wir kamen häufig zu dem Schluss, dass es zu wenig finanzielle Ressourcen gibt“, erzählt die 29-Jährige. Sie ist der festen Überzeugung, dass in Deutschland insgesamt „nicht genug für Bildung getan wird“, was auch der Grund dafür sei, dass der Bürgerrat Bildung und Lernen überhaupt ins Leben gerufen wurde.

Die anschließende Diskussion dreht sich dann um zentrale Themen wie Chancengerechtigkeit und die Notwendigkeit, das Schulsystem grundlegend zu reformieren. Der Eindruck von Maria Sala ist, dass gerade die Corona-Krise gezeigt habe, dass Chancengerechtigkeit ohne die nötigen finanziellen Ressourcen nicht erreicht werden könne – Stichwort: digitale Ausstattung. Recht gibt Maria Sala dem Finanzminister in einem Punkt: „Wir müssen einiges ändern, wie Sie schon vorhin gesagt haben. Die Menschen ändern sich und wir müssen unser Schulsystem deutlich verändern, damit auch Schüler*innen sich wohlfühlen und gerne zur Schule gehen.“

„Wenn wir irgendwann mehr Geld hätten als Ideen, wofür wir das Geld sinnvoll ausgeben könnten, dann würde mir wirklich angst und bange werden“

Und es gibt noch einen Punkt, in dem sich Maria Sala und Alexander Lorz einig sind: Es braucht mehr lebensnahes Lernen. Dies ist auch eine der Kernforderungen des Bürgerrats Bildung und Lernen und Alexander Lorz kann dies nachvollziehen: „Es ist eine ewige Herausforderung an das Bildungssystem auf allen Ebenen die richtige Balance zu finden zwischen Theorie und Praxis.“

Zudem unterstreicht er als Finanzminister die Bedeutung der finanziellen Bildung – macht hierbei jedoch auch Einschränkungen: „Finanzielle Bildung bedeutet nicht, ich kriege einen Grundkurs zu der Frage, wie werde ich reich.“ Auch sei es nicht die Aufgabe der Schule, zusammen mit den Schülern eine Steuererklärung auszufüllen. Vielmehr gehe es darum, ein Grundverständnis zu entwickeln. Lorz: „Man muss wissen, was sind eigentlich Steuern? Wofür zahle ich sie? Worauf muss ich achten. Das sind alles Dinge, die müssen wir in der Tat unseren Schülerinnen und Schülern beibringen.“

„Ich denke, das Ziel sollte immer sein, dass Schüler*innen selbstbestimmt handeln können“

Besondere Einigkeit herrscht zwischen Alexander Lorz und Maria Sala bei einer Frage, mit der sich Bürgerrat Bildung und Lernen über ein Jahr lang intensiv beschäftigt hat: „Wie viel Freiheit bracht das Lernen?“ Die Antwort, die die Studentin und der Minister in ihrem Gespräch finden: Es braucht mehr Freiheiten. Alexander Lorz betont: „Schulen sollten pädagogische Freiräume bekommen, um auch innovative Konzepte mit ihren Schülerinnen und Schülern ausprobieren zu können.“ Dennoch müsse man darauf achten, dass gewisse Bildungsstandards eingehalten werden, um die Vergleichbarkeit der Abschlüsse zu gewährleisten. Lorz schließt nicht aus, dass Schulen in Zukunft noch mehr Autonomie erhalten könnten, um insgesamt besser zu werden.

Für Maria Sala ist es besonders wichtig, dass Schülerinnen und Schüler selbstbestimmt lernen können – eine weitere Forderung, die sich auch in den Empfehlungen des Bürgerrats Bildung und Lernen wiederfindet. Denn durch mehr Selbst- und Mitbestimmung könnten Schulen zu Orten werden, an dem sich Schüler*innen gerne aufhalten ist die Bürgerrätin überzeugt.

Am Ende des Gesprächs nennt Alexander Lorz eine Sache, die er sich für die Bildung wünsche, die sich jedoch nicht „mit Geld erkaufen lassen“. Lehrkräfte sollten in der Lage sein, ihre Schüler*innen für Inhalte begeistern zu können. Auch Maria Sala äußert eine ganze Reihe von Wünschen für die Zukunft, wie mehr Mitbestimmung für Schüler*innen, Chancengerechtigkeit, eine bessere berufliche Bildung und „dass Menschen, die politisch etwas zu sagen haben, sich immer selbst reflektieren und nie der Meinung sind, dass alles gut so läuft, wie es schon immer war“. News4teachers

Hintergrund

Der Bürgerrat Bildung und Lernen besteht aus mehr als 700 zufällig ausgelosten Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland und wurde 2020 von der Montag Stiftung Denkwerkstatt ins Leben gerufen. Sie hat auch den vorliegenden Podcast bereitgestellt.

Im Sinne einer lebendigen Demokratie diskutieren die Mitglieder des Bürgerrats gemeinsam über gesellschaftliche und bildungspolitische Fragen. Welche Probleme und Herausforderungen müssen im Bildungsbereich dringend bearbeitet werden? Wie könnten bildungspolitische Reformen aussehen, die Probleme lösen und gleichzeitig in der Gesellschaft mehrheitsfähig sind? Und: Wie soll gerechte Bildung in Zukunft aussehen?

Ein umfassendes Papier mit Empfehlungen wurde unlängst erarbeitet (News4teachers berichtete). Leitthema dabei: „Chancengerechtigkeit: Wie viel Freiheit braucht das Lernen?“

Der Bürgerrat Bildung und Lernen ist aktuell der einzige Bürgerrat, der auf Bundesebene aktiv ist und auch Kinder und Jugendliche einbezieht. Die mehr als 250 Schülerinnen und Schüler kommen über sogenannte Schulwerkstätten der Bundesländer dazu und sind vollwertige Mitglieder des Bürgerrats Bildung Lernen. Darüber hinaus haben sie aber auch eigene Empfehlungen entwickelt sowie einen offenen Brief unter dem Titel „Hört und zu!“ geschrieben.

www.buergerrat-bildung-lernen.de

Hier geht es zu weiteren Folgen der News4teachers-Podcasts:

Den Podcast finden Sie auch auf

 

 

“Der Lehrplan sollte ein Instrument sein, kein Ziel“: PISA-Chef Schleicher über mehr Freiheit für die Schulen

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13 Kommentare
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Andreas
7 Monate zuvor

Manchmal habe ich das Gefühl, jeder redet über Schule, aber keiner unterrichtet. Wo bleiben hier die Lehrerperspektiven? Selbstbestimmes lernen.. jesus christ…das geht doch nur bei den kleinen und am Gymi mit dem entsprechenden Klientel. Kommen Sie mal an die Beruflichen Schulen oder Brennpunktklassen. Phrasen über Phrasen.

Lera
7 Monate zuvor

Vielen Dank … für … dies … und das.

Einer
7 Monate zuvor

Bildung hat in Deutschland einen ähnlichen Stellenwert wie Essen. Essen muss satt machen und darf nicht viel kosten. Bildung muss Arbeiter hervorbringen und darf nicht viel kosten.

Realist
7 Monate zuvor

„Wir müssen darüber reden, wie wir das Geld vielleicht anders verteilen. Und natürlich in Zeiten angespannter Haushaltslage oder knapper Kassen werden wir darum kämpfen müssen, dass Bildung weiterhin die Priorität bekommt, die sie braucht.“

Das sagt eigentlich alles. Es wird nur noch innerhalb des Systems “Bildung” umverteilt werden, “neues” Geld wird erst einmal für andere Dinge gebraucht. Wer J.D.Vance zugehört hat und heute einmal an die deutsche Aktienbörse schaut, weiß wohin der Zug fährt…

Nein, die Berufsempfehlung für clevere Gen Z-Studienanfänger lautet NICHT “Studier ‘mal auf Lehramt, dann hast du ausgesorgt”…

Hans Malz
7 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Man könnte ja mal anfangen und am Lehrergehalt sparen. Das kann dann sinvoll z.B. in “Studien”, laminierte Handreichungen oder Impulspapiere investiert werden.

Peace
7 Monate zuvor
Antwortet  Hans Malz

Och, wenn die Arbeitszeit mal erfasst werden würde, müsste man eher ganz viel obendrauf legen. Bei den hessischen Lehrern müsste überhaupt erst mal verfassungskonform bezahlt werden.

Besseranonym_2
7 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Muss ja auch nicht sein
das ” ausgesorgt “.
Aber so ein klein bisschen Kalkulierbarkeit wär schon schön.
Beispiele:

-Wer Pädagoge sein dürfte sollte das zusätzlich zum Alleinunterhalterjob auch sein dürfen
– Wer Kinder/ Jugendliche bilden möchte, sollte das auch dürfen und nicht ob falscher glorreicher Bildungs-und Lehrplanziele selbst unterfordert in Wissen und überfordert in Ausführung werden
– Wer Versprechen selbst schätzt, sollte ganz schnell die Biege machen; man kennt im Elfenbeinturm die Bedeutung Zusicherung nicht; man delegiert nur und vergisst die Fürsorgepflicht
– Wer die Vorteile des Beamtentums sucht, muss aufpassen. Der Grundsatz von Freiheit und Gleichheit hat in so manchem KM nur politisch verwendbare Bedeutung ( s. Frau Poettinger )
……..Aachchen, jetzt hör ich lieber auf.

Besseranonym_2
7 Monate zuvor
Antwortet  Realist

* Wer Pädagoge sein MÖCHTE

Konfutse
7 Monate zuvor

„Wir müssen darüber reden, wie wir das Geld vielleicht anders verteilen. Und natürlich in Zeiten angespannter Haushaltslage oder knapper Kassen werden wir darum kämpfen müssen, dass Bildung weiterhin die Priorität bekommt, die sie braucht.“

Ich stolperte über das Wort „weiterhin“. Ich finde, das Wort müsse durch „endlich“ ersetzt werden.

potschemutschka
7 Monate zuvor
Antwortet  Konfutse

Darüber bin ich auch gestolpert. Hatte Bildung denn irgendwann mal Priorität in der BRD? Wann war das? Ich bin ja erst seit 1990 dabei 🙂 , deshalb weiß ich das nicht.

Ronald
7 Monate zuvor

Guten Ihr Lieben,

seit nun gut 1o Jahren übe ich diesen phantastischen Beruf “Lehrer” aus – ob Gymnasium oder ISS, an jeder Schule sind (mit extrem wenigen Ausnahmen) faktisch alle Schüler einfach nur top! Ich liebe diesen Job! Und es bereitet unendlich viel Freude, diese real existierenden Superhelden für die NaWis zu begeistern. Nun kann ich diesen Beruf leider nicht mehr ausüben, weil wieder massiv darin eingespart wird bzw. wieder Gelder darin gestrichen wurden.

Ein Lehrermangel scheint den Verantwortlichen nicht bewusst zu sein, viel mehr fehlt eine Bereitschaft, dafür auch die nötigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Es macht mich sehr traurig, aktuell an einem Berliner Gymnasium nur noch bis zum o7. April Ch/Ph und Ma unterrichten dürfen.

Allen Lesenden noch einen wunderschönen Tag gewünscht,
Ronald

Nicht mein Thema
6 Monate zuvor
Antwortet  Ronald

??? Warum haben Sie denn die 10 Jahre verstreichen lassen, ohne zu sehen, dass Sie fest eingestellt werden???
Da gab/gibt es doch massenhaft Programme zum Quereinstieg, Zusatzquali- gar ein Studium plus Vorbereitungsdienst wären möglich gewesen…
Wenn ich`s recht sehe, in Brandenburg gar mit Beamtenstatus.
Aber dann möglicherweise nicht an Gym oder ISS, sondern an den schnöden anderen Schulformen?! Da bleibt man lieber Aushilfe, lässt sich feiern oder jetzt bedauern, nicht wahr?

Nicht mein Thema
6 Monate zuvor
  1. Absolut bin ich für größere Eigenständigkeit und Freiheit der einzelnen Schule und der darin Tätigen.
  2. Unterstreichen möchte ich auch, dass Lehrkräfte die SuS für Unterricht und seine Inhalte begeistern können (sollen- aber nicht als Selbstzweck und permanent).
  3. Ebenso sollen sich SuS in einer Schule, die Lern- und Lebensraum ist, gerne aufhalten.

Zu 1. Doch heißt das in der Praxis, man bekommt öffentlichkeitswirksam ein Thema, eine Aufgabe hingeworfen und kann selbst sehen, wie man sie erledigt- das gilt für die Personalrekrutierung, die Unterrichtsabdeckung, die Betreuung von Nichtlehrkräften, die Konzepterstellung und die Orga von allem möglichen… Hauptsache, es verursacht keine (Mehr-)Kosten und die Obrigkeit ist von lästigem Kram vor Ort entlastet. Aber wehe, wenn’s drauf ankommt, dann wird von der Obrigkeit ganz schnell das Schwert des Dienstrechts ausgepackt!
Zu 2. Das können wir, das haben wir als grundständige Lehrkräfte gelernt, darin sind wir erfahren. Dennoch ist Lernen anstrengend und keine (ständige) Spaßveranstaltung. Und das Kümmern um Üben und Wiederholen kann den Eltern auch nicht in Gänze erspart werden- Berufstätigkeit hin oder her- ohne Fleiß gibt es keinen Preis!
Zu 3. Da sich ja alles nur noch um Betreuung (geframt als Chancengerechtigkeit und Förderung) dreht- die Wirtschaft muss schließlich brummen- müssen Kinder eben mind. 8h in der Schule bleiben können. Diese Betreuungsgarantie wird demnächst auch für die Ferienzeiten kommen. Das braucht aber Personal und die entsprechenden baulich-räumlichen Gegebenheiten. Und das kostet. Da können der Lorz oder andere schwätzen wie sie wollen. Wir jedenfalls sind froh, dass unsere Kinder nicht in einer GT- Kita oder GTS verwahrt werden mussten, auch wenn es sicher vor Ort viele selbstlose Menschen gibt, die das beste aus den Gegebenheiten mach(t)en!