Schulplattform Logineo: Eine Never Ending Story (keine gute) – Warum selbst Eltern das Projekt als gescheitert betrachten

33

DÜSSELDORF. Seit Jahren wird die Plattform Logineo NRW von der Politik am Leben erhalten. Doch zu welchem Preis? Denn schon wieder stockt die Entwicklung der digitalen Schulplattform und Probleme, die bereits 2023 identifiziert wurden, sind noch immer nicht behoben. Die Konsequenzen tragen die Schulen – und der Steuerzahler. Die Landeselternschaft der integrierten Schulen in NRW (LEiS-NRW) Eltern fordern nun „klare Zeitpläne, verbindliche Umsetzungsschritte und echte Transparenz“.

“Nicht zukunftsfähig”. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Als Prestigeprojekt gestartet, doch trotz massiver Investitionen und hoher politischer Erwartungen gescheitert. So beurteilt die Landeselternschaft der integrierten Schulen in NRW (LEiS-NRW) die aktuelle Situation der digitalen Schulplattform Logineo NRW. Der Vorsitzende, Harald Amelang, findet in einer Mitteilung sehr deutliche Worte: „Wenn man ein Prestigeprojekt auf den Weg bringt, muss man auch bereit sein, sich einzugestehen, wenn es die selbst gesteckten Ziele verfehlt hat.“ Dabei gehe es nicht um Schulzuweisungen. „Es geht darum, jetzt Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam einen neuen, besseren Weg einzuschlagen“, so Amelang.

Zuletzt war Logineo NRW 2023 vom Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme (FOKUS) einem sogenannten Zukunftscheck unterzogen worden. Im August 2023 verkündete die nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller (CDU), dass man sich entschieden habe, Logineo NRW fortzuführen, jedoch den fünf Empfehlungen von Fraunhofer FOKUS zu folgen und die Umsetzung 2024 zu realisieren. Passiert ist seitdem: nichts. „Wir sehen eine Plattform, die noch immer grundlegende Funktionen vermissen lässt, in ihrer Bedienbarkeit hinterherhinkt und deren Weiterentwicklung viel zu schleppend vorangeht“, kritisierte Amelang.

Konkrete Kritikpunkte: Was muss sich ändern?

Das Problem an dem aktuellen Stillstand: Die Leidtragenden sind die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler. Denn bei den Kritikpunkten beziehungsweise Verbesserungsmöglichkeiten, die das Fraunhofer Institut 2023 herausgearbeitet hat, handelt es sich um sehr grundlegende Dinge wie die Möglichkeiten zum kollaborativen Arbeiten oder auch einen zuverlässigen Support. Fehlen diese Grundlagen, wird das digitale Arbeiten an Schulen massiv ausgebremst.

Konkret sind es fünf Punkte, die das Fraunhofer Institut in seinem Zukunftscheck benannt hat:

  1. Logineo NRW besteht noch immer aus drei getrennten Anwendungen: der Schulplattform, dem LMS und dem Messenger (inklusive Videokonferenzfunktion). Dafür benötigen Lehrkräfte und Schüler*innen drei verschiedene Zugänge. Die Empfehlung ist daher, eine gemeinsame Plattform für alle drei Komponenten zu schaffen. Ein Ziel, das schon vor rund zehn Jahren benannt wurde.
  2. Es soll kurzfristig eine Office-Lösung bereitgestellt werden, damit zumindest das gemeinsame Arbeiten an Dokumenten ermöglicht wird. Laut Bericht des Fraunhofer Instituts sei auch diese Anforderung schon seit langem bekannt und eingeplant, „jedoch bisher nicht umgesetzt“.
  3. Bislang gibt es bei Logineo NRW keine Möglichkeit, um weitere Funktionen hinzufügen zu können. „Es fehlt ein übergreifendes Daten- und Schnittstellenkonzept.“ Laut der Nachrichtenseite „heise online“ sei allein dadurch der Status quo von Logineo NRW nicht zukunftsfähig.
  4. Laut Zukunftscheck ist es nötig, Mittel „für die kontinuierliche Entwicklung und Verbesserung von Logineo NRW bereitzustellen, um auf Wünsche von Nutzerinnen und Nutzern direkt eingehen zu können“.
  5. Es wird empfohlen, eine Support-Seite einzurichten.

Alles also keine überraschenden Erkenntnisse, auch für das Schulministerium nicht. Dennoch hapert es weiterhin an der Umsetzung, die laut Mitteilung von LEiS NRW in weiten Teilen noch offen sei oder sich erst im Anfangsstadium befinde. Dabei bezieht sich die Landeselternschaft auf eine aktuelle Landtagsantwort.

Auf der Webseite des Schulministerium findet sich unter den FAQs beispielsweise folgende, sehr allgemein Aussage zu der Frage, ob die Verwendung von Office im Rahmen der Logineo Schulplattform möglich ist: „Der Funktionsumfang der LOGINEO NRW Schulplattform soll um die Bereitstellung einer kollaborativen Office-Suite erweitert werden. […] Die Ausschreibung zur Bereitstellung einer kollaborativen Office-Suite für die LOGINEO NRW Schulplattform sowie auch für das LOGINEO NRW LMS befindet sich zur Zeit in Vorbereitung.“

Logineo – ein Leidensweg

Die Kritik am aktuellen Stand von Logineo würde sicherlich nicht so harsch ausfallen, wenn die Schulplattform in der Vergangenheit ordentlich funktioniert hätte. Doch hat Logineo eigentlich seit dem Start im Jahr 2012 niemals richtig funktioniert.

„In steter Regelmäßigkeit produziert die digitale Schulplattform Logineo des Landes Nordrhein-Westfalen negative Schlagzeilen und Kommentare in den Medien“, schreibt „heise online“ in einem Artikel, der den Leidensweg von Logineo ausführlich dokumentiert. „Zuletzt hieß es etwa, dass das Schulministerium Logineo nach einem Zukunftscheck sanieren lasse. Das System war allerdings zu keiner Zeit in einem Zustand, der sich auch nur annähernd als fertig bezeichnen lässt – obwohl es nominell seit elfeinhalb Jahren existiert. Es fehlen bis heute wichtige Funktionen. Wie kommt es also, dass schon beim Rohbau von Sanierung die Rede ist?“

Nach einer Pilotphase verzögerte sich der Start der Schulplattform zwei Mal. Erst im November 2019 kann Logineo dann endlich an den Start gehen. Laut „heise online“ hatte die Entwicklung bis dahin bereits 5,8 Millionen Euro gekostet. 2020 wurde mit dem Beginn der Corona-Pandemie das Angebot von Logineo dann ausgebaut – es kamen das Lernmanagementsystem (LMS) und der Messenger als unabhängige Komponenten hinzu.

Im Juni 2022 ließ das Schulministerium unter Yvonne Gebauer (FDP) laut „heise online“ verkünden, dass für die Weiterentwicklung von Logineo NRW Geld von insgesamt 207 Millionen Euro eingeplant seien. Ende Juni übernahm dann Dorothee Feller (CDU) das Schulministerium und ließ den aktuellen Stand der Schulplattform zunächst überprüfen – mit dem bekannten Ergebnis.

Wie viele Investitionen nun aber tatsächlich nötig sind, bleibt völlig offen – auch in dem Gutachten des Fraunhofer Instituts wird nicht mal eine Schätzung abgegeben. Offen bleibt damit auch die Frage, ob es nicht günstiger (und sinnvoller) wäre, wenn das Land das Produkt eines kommerziellen Anbieters einkaufen und an die Bedürfnisse von Schulen anpassen lassen würde.

Auf seinem Blog „Bildungslücken“ schreibt ein Lehrer aus NRW: „Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland mit der größten Bevölkerung: Mit rund 18 Millionen Einwohnern wäre es für sich genommen schon eines der größten Länder in der EU – noch vor Ländern wie den Niederlanden, Schweden oder Griechenland. Umso beschämender ist es, dass dieses große Land auch nach vielen Jahren nicht schafft, den Schulen IT-Plattformen zur Verfügung zu stellen, die grundlegende Anforderungen der Schulen erfüllen.“

Scheitern ist nicht vorgesehen

Angesichts dieser ernüchternden Zwischenbilanz fordert die LEiS-NRW einen klaren Kurswechsel in der digitalen Bildungspolitik des Landes: eine unabhängige Evaluation der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Logineo NRW, echte Wahlfreiheit für Schulen bei der Nutzung digitaler Plattformen sowie eine spürbare Beteiligung aller schulischen Gruppen bei der Weiterentwicklung digitaler Werkzeuge.

„Es reicht nicht, Maßnahmen anzukündigen – es braucht klare Zeitpläne, verbindliche Umsetzungsschritte und echte Transparenz“, so der Vorsitzende Amelang. Denn die Realität sieht inzwischen so aus, dass viele Schulen sich eigenständig andere Lösungen suchen, obwohl deren Nutzung laut LEiS NRW offiziell nicht vorgesehen seien.

Ein Problem aber wird  bleiben: Logineo ist, wie auch Harald Amelang sagt, als Prestigeprojekt gestartet. Es wurde bereits viel Zeit und Geld investiert. Die Bereitschaft der Landesregierung, einen neuen Weg einzuschlagen und das Scheitern des Projekts anzuerkennen, dürfte daher sehr gering sein. Ebenso wie die Bereitschaft zu mehr Transparenz.

„Für Logineo gab es aber nie eine transparente Roadmap“, heißt es in dem Blog-Eintrag von „Bildungslücken“. „Und wenn einzelne Termine genannt wurden, wurden diese so gut wie nie eingehalten. Die Folge: Schulen konnten und können immer noch nicht ihre Zukunft mit Logineo planen. Wer sich auf die Aussagen der Landesregierung verlässt, wartet nun schon seit 2016 vergeblich auf eine voll funktionale Schulcloud. Vermutlich aufgrund dieser Erfahrung, haben die Verantwortlichen in Düsseldorf inzwischen aufgehört, konkrete Pläne zu veröffentlichen.“ In der Zwischenzeit werden die Schulen weiter abgehängt. News4teachers

Wird die Schulplattform Logineo zum Millionengrab? Fellers “Zukunftscheck” spart Schätzung der Sanierungskosten aus

Anzeige

Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

33 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Hans Malz
5 Monate zuvor

Kauft endlich was Vernünftiges ein und verschrottet den Mist! In den frühen 90ern hätte ich mich über eine solche Plattform gefreut…

Das Ding ist einfach unbenutzbar … Datensafe, Bildungscloud, Verwaltungscloud … oh mann! 1GB Postfach … Ich freue mich jedes mal. Das Beste ist die Meldung beim Login:”Die Sicherungsanforderungen werden berechnet!” Sorgt jedes mal für Heiterkeit.
Letztens konnte sich keiner einloggen, weil das Zertifikat ausgelaufen war … kann man sich gar nicht ausdenkten. Wenn ich dafür verantwortliche wäre, dann wäre das damals in der IT Firma mein letzter Arbeitstag gewesen…

447
5 Monate zuvor
Antwortet  Hans Malz

Mich würde ja mal interessieren, an welche konkrete, natürliche Personen das Geld da seit Jahren fliesst für “Bimbes-Neo”…

Hans Malz
5 Monate zuvor
Antwortet  447

Ich befürchte noch nicht einmal Betrug, sondern wirklich totale Unfähigkeit… Betreut wird das ganze vom KRZN.

Besseranonym
5 Monate zuvor
Antwortet  Hans Malz

Vlt umbenennen von Logi-neo in Wart-amal
16fache Verschwendung, immer the same.

Pit2020
5 Monate zuvor

“Fehlerkultur” übersetzen manche Leute immer noch 🙁 mit einem “fröhlichen weiter so”!

Heinz
5 Monate zuvor

Ich verstehe nicht, warum diese Plattform etliche Millionen gekostet hat. Soweit ich weiß ist Logineo nichts anderes als eine Moodleinstanz eine OpenSourceSoftware, für die man lediglich den Server stellen muss und dann die Installation durchführen muss. Die farblichen Veränderungen und Anpassungen, die vom Land NRW vorgenommen worden sind, sind doch eher ein Witz. Auch verstehe ich die Probleme nicht. Universitäten haben Moodle schon seit etlichen Jahren im Einsatz und die Infrakstruktur, den Support und die Erfahrung.

Unfassbar
5 Monate zuvor
Antwortet  Heinz

Für die Covid-App wurden bei kaum vorhandenen Nutzen auch viele Millionen ausgegeben …

Hans Malz
5 Monate zuvor
Antwortet  Heinz

Nein, das ist LogineoLMS. Logineo NRW ist die Mailplattform und (wenn man es so nennen möchte) Cloud.

Während LogineoLMS von eine Firma betreut und eingerichtet wird und eben (eigentlich) nichts anderes ist, als eine Moodle Instanz, ist Logineo NRW eine Eigenentwicklung. Man kann das ja besser, als alle anderen.

Interessant ist: Moodle sieht zwar etwas altbacken aus, funktioniert aber prima und bietet alle wichtigen Funktionen eines Lernmanagementsystems. Logineo NRW funktioniert – um das mal mit den Worten eines Altkanzlers zu sagen – suboptimal.

Das Beste ist aber, dass es keinen Sinlge Sign On gibt. Moodleseitig ist das gar keine Problem, deshalb kann man mal raten, wo der Haken liegt.

Um das Chaos perfekt zu machen, gibt es dazu noch den Logineo Messenger. Erfordert natürlich wieder eine eigene Benutzerverwaltung und hat am Anfang schonmal ohne Not sämtliche Chats einfach so verschlüsselt. Über die Bedienung rede ich jetzt mal gar nicht.

Und da wundert man sich in NRW, dass die Lehrer die digitalen Segnungen nicht den ganzen Tag lobpreisen, sondern nur meckern. Wie undankbar…

Fräulein Rottenmeier
5 Monate zuvor
Antwortet  Hans Malz

Ich bewundere alle, die sich mit diesem Wirrwarr auskennen und es nutzen…..Ich habe es gerade mal mit Hilfe geschafft für alle Kollegen Emailadressen zu generieren….mehr habe ich damit nicht gemacht….und ehrlich, vermisst habe ich es bisher noch nicht….
Wir haben IServ und Untis, ich vermisse nix…..naja und der Datensafe? Keine Ahnung, ob man das braucht…..sensible Daten lagern bei uns auf dem Verwaltungsrechner, der ja vom Schulträger administriert und geschützt wird….

Hans Malz
5 Monate zuvor

Auskennen – Ja! Aber deshalb nutze ich ja auch nicht alles 😉
Das einzige, wo ich komplett hinter stehe, ist LogineoLMS (oder Moodle). Der Rest ist Schrott. Aber Moodle in der Grundschule hat schon seine Tücken. Ich kenne nur wenige, die das wirklich einsetzen. Man muss da schon viel für die Kinder anpassen. Da ist iServ wahrscheinlich die bessere Wahl.

Units ist ja ein Verwaltungstool. Es ist zwar auch ein Monstrum, funktioniert in Verbindung mit Webunits aber recht gut.

Fun Fact am Rande: Die wirklich sensiblen Daten dürfen eigentlich auch nicht im Datensafe gelagert werden. 😉

vhh
5 Monate zuvor
Antwortet  Hans Malz

Die Schulleitung findet Office völlig ausreichend, wozu Moodle, das wird größtenteils als Ablageort für Verwaltungskram verwendet. Moodle ist für Unterrichtszwecke ‘untauglich’, weil es ‘so kompliziert aussieht’, ehrlich, das ist die fachmännische Meinung der SL. Selbstverständlich dürfen wir Kurse einrichten und wie vorgesehen das System als (sehr gutes, extrem variables) LMS nutzen. Nur ist das einzige System, das die SuS nach Lehrplan einüben MSOffice (ja, Äpfel und Birnen, das ist kein LMS). Wer mehr machen will, muss das mit der Lerngruppe irgendwie noch einüben. 10% der KuK haben sich die Zeit genommen, es gut genug für einen sinnvollen Einsatz zu lernen, die anderen wissen schon ohne ausprobieren: das ist doch so unübersichtlich…Ich kann damit zwar wirklich jeden Aufgabentyp erstellen, Lösungen automatisch bewerten und kommentieren lassen, je nach Antwort verschiedene Pfade vorgeben usw, aber das Problem liegt im ersten Teil: “erstellen”. Wer etwas interessiert und engagiert ist, schätzt die viele Möglichkeiten, wirklich alles nach Bedarf anzupassen. Die meisten Lehrer wollen aber schnell zu nutzende Standardfunktionen und intuitive Bedienung, das bietet es nicht.
LogineoNRW nervt wirklich und single sign-on wird inzwischen seit Jahren für ‘in wenigen Wochen’ versprochen. Der Messenger ist m.E. nicht so schlecht, die Verschlüsselung leider sehr umständlich, wird aber nur ab und zu gebraucht.

Lera
5 Monate zuvor

Qui bono?

—> Haben die Verlage eigentlich ein großes Interesse an frei zugänglichen Lerninhalten?

Hmm…

Lera
5 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Hier wären die x-Millionen Euro, die in leere Plattformen gesteckt wurden und werden, sicher gut investiert.

Stefan
5 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ich hätte beinahe mal frei zugängliches Lehrmaterial produziert.

Früher war es an meiner Uni üblich, dass die von den Dozenten erstellten Materialien (Vorlesungsskripte, Foliensätze, Übungsblätter) etc. einfach auf der Webseite abrufbar waren [1]. Das war bevor ich Dozent wurde. Prima Marketing für die Uni (wenn die Folien gut sind), freie Bildung für alle.

Dann kam irgend ein Idiot auf die Idee “urheberrechtlich geschütztes Material kann man nicht einfach ins Netz stellen” — was vollkommener Bullshit ist, die gesamte f***ing Webseite ist ja urheberrechtlich geschützt. Gemeint war vielleich eher, dass der eine oder andere Prof nicht mehr einen Foliensatz von jemand anderem, oder ein für die Vorlesung kopiertes Buch (von jemand anderem) ins Netz stellen darf, ohne beim Autor mal nachzufragen. Manch Folien waren vielleicht auch nicht so ganz prima Werbung (aka.: peinlich) und für den einen oder anderen Prof war’s vielleicht auch ganz bequem wenn er sich hinter dem Mantra “urheberrechtlich geschütztes Material kann man nicht einfach ins Netz stellen” verstecken konnte. Ich nenn’s Arbeitsverweigerung.

Jedenfalls, als ich Dozent wurde durfte ich mein Material dann nur in einem Passwortgeschützten Bereich für meine Studis bereitstellen, weil “urheberrechtlich geschütztes Material kann man nicht einfach ins Netz stellen” — selbst wenn ich den Kram zu 100% in der Arbeitszeit selbst erstellt hatte.

Meine Kritik daran stieß nicht auf offene Ohren. Aber das Material ist da, vom Staat bezahlt, ein paar mal vorgelesen (Zugriff nur für Mitglieder), verpufft. Ich bin nicht mehr Dozent.

[1]: https://web.archive.org/web/20070427130449/http://www.inf.uni-konstanz.de/dbis/

Stefan
5 Monate zuvor

Ich bin kein Lehrer. Ich war Dozent für Informatik, arbeite in der Softwareentwicklung, beobachte IT-Kompetenz im beruflichen, und im nicht-so-technikaffinen privaten Umfeld.

Natürlich wird eine Lernplattform oder ein Lernmanagementsystem scheitern. Weil das niemand braucht. Das ist nichts anderes als der Versuch, für viel Geld ein komplexes System bauen zu lassen (das aber einfach aussieht), das alles kann (was sich ein Gremium ausgedacht hat), und das die User vor allem weiterhin davor schützt Digitalkompetenz aufzubauen. So wie seit 30 Jahren.

Was man für Digitalkompetenz wirklich braucht ist eher sowas wie ein Netzwerklaufwerk (würde man unter Windows sagen) oder Remote File System (würde man unter Linux sagen), natürlich mit Zugriffsbeschränkungen.

Da könnte man gleich ein paar Grundlagen lernen: Verzeichnisse und wie man seine Arbeit sinnvoll organisiert, Dateien, Programme, Plain Text und andere Dateiformate, lokal und remote. Wenn man diese acht Konzepte begriffen hat, dann hat man 50% der IT-Kompetenz drauf, und die ist seit Jahrzehnten fundamental unverändert.

Nein, dafür muss man nicht Informatik studieren. Das ist vom Informatikstudium so weit entfernt wie Zähneputzen vom Medizinstudium.

Natürlich wird man dann noch Extras verwenden (E-Mail, Videokonferenzen, Datenbank für Noten, etc.) — aber vor allem braucht man das nicht alles aus einer Hand, von einer Software — das entspricht auch nicht der Realität im Berufsalltag den die Schüler mal abbekommen. Das Ziel muss sein, verschiedene Produkte so auszuwählen, dass man sie kooperativ nutzen kann, und dass man jedes einzelne davon wegwerfen kann ohne bei den anderen mit der Wimper zu zucken. Sich mehrmals anmelden zu müssen ist nur ein Komfortproblem.

Fragen ob das Ding “Office” oder “E-Mail” kann, sind ein Alarmsignal. Da wird offenbar Mist gebaut. Das soll das Ding nicht können, dafür gibt’s schon was, nämlich Office, oder E-Mail.

Ich sehe bei diesen Themen leider meist eine Verweigerungshaltung. “Wir brauchen nur *eine* Software dia *alles* kann” — bis die fertig ist, ist “alles” veraltet, und bei “alles” wurde sowieso schon viel vergessen, oder descoped. Das Ergebnis ist fehlerhaft, überkomplex, Schulungen werden benötigt, Klickpfade auswendig gelernt, Dokumentation mit Screenshots in Worddateien geschrieben und ausgedruckt. Aber die acht grundlegenden Kompetenzen (cf. oben), die lernt man lieber nicht.

Istdochegal
5 Monate zuvor
Antwortet  Stefan

An welchem Gerät arbeite ich da? Das ist ja gar nicht einheitlich geregelt und alle Überlegungen die hier angestellt werden funktionieren doch nur wenn das Gerät bekannt ist.

Ich habe als Dienstgerät ein 3Jahre altes iPad, die Cloud ist deaktiviert. Und in 45 Minuten Unterricht sind 3 2 Minuten Anmeldevorgänge relevant. Was passiert wenn die scheitern?

Alles andere findet auf Privaten Geräten statt.

Hans Malz
5 Monate zuvor
Antwortet  Stefan

Ein Lernmanagementsystem, wie Moodle, kann deutlich mehr und diese Funktionen kann man auch gut einsetzen. Ich kann Material bestimmten Schülergruppen zuordnent, zeitgesteuert zugänglich machen, Aufgaben mit Uploadbereich erstellen, den ganzen Ablauf in Kursen darstellen … es gibt zig Funktionen. Und damit kann ich wirklich Unterricht planen.

Aber nochmal: LogineoNRW ist nur der Teil mit den Lehrer E-Mailadressen und der -öhm- Cloud (ich traue mich gar nicht das Wort in dem Zusammenhang zu benutzen). Um diesen aufgeteilten Blödsinn zu verstehen muss man schon im System sein. Wenn man dann noch ITler ist, kommt man aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.

Es gibt sogar noch was Drittes (Messenger). Das wäre auch alles nicht so schlimm, wenn nicht alles seine eigene Benutzerverwaltung hätte. Was würde ich für einen Lotus Domino Server geben … das waren noch Zeiten.

anka
5 Monate zuvor
Antwortet  Stefan

Ich gebe Ihnen zu 99% recht. In einem Punkt allerdings nicht: Sie schreiben: “Fragen ob das Ding “Office” oder “E-Mail” kann sind ein Alarmsignal“: ich denke diese Frage von Lehrern* gründet af der Befürchtung, dass der Landesdatenschutzbeauftragte MS TEAMS mit den dazugehörigen Anwendungen untersagen könnte. (in NRW noch nicht, aber die Anzeichen mehren sich). Wenn das passiert, muss ausgwichen werden auf so was Logino-artiges (Leider ja: “bis die fertig ist, ist “alles” veraltet“).
Nach meiner Enschätzung ist die Weiterentwicklung von LOGINEO ein Alarmzeichen dafür, dass uns TEAMS bald untersagt wird.
Und dann sind wir wieder im Jahre Null der Digitalisierung: Am Wochenende ist der Server down (wie in den letzten Monaten häufiger der Mailserver des Landes und damit meine schulische Mail) und wir können uns wieder mit Insellösungen herumschlagen.
Digitalisierung 2025.0

Stefan
5 Monate zuvor
Antwortet  anka

Hm. Ja, hoffentlich wird MS Teams in Schulen verboten. Lieber heute als morgen. Und MS Office gleich mit.

Bei uns in der Firma gibt’s einen IT-ler, der hat am Anfang von Corona einfach mal am Wochenende eine Jitsi Meet Instanz auf einem seiner Rechner bei Hetzner aufgesetzt, und damit ein Event mit 30 bis 40 Teilnehmern organisiert.

Dieser IT-ler ist ein Einpersonenunternehmen, und der macht das mal eben so. Selbst gehostet, freie Software, kein Datenschutzdickicht.

Warum bekommt das eigentlich nicht jede Schule selbst hin?

Weil’s bequemer ist MS Teams zu nutzen, in der Abhängigkeit zu bleiben.

Ich erwarte sicher nicht von jedem, dass er bei Hetzner Metall mieten und eine Jitsi-Instanz aufsetzen kann. Aber dieser fundamentale Reflex das zu benutzen was am wenigsten Eigeninitiative erfordert, der hat uns letztlich in die Abhängigkeit geführt.

Deswegen, nein, man braucht nicht ein neues System mit Videokonferenzkomponente, weil da gibt’s schon welche (Jitsi Meet, BigBlueButton, …).

Man muss zwischen Insellösungen und der Unix-Philosophie unterscheiden. Diese fordert zwar “Schreibe Computerprogramme so, dass sie nur eine Aufgabe erledigen und diese gut machen” (was genau der Kritik an Systemen entspricht die alles können wollen), aber auch “Schreibe Programme so, dass sie zusammenarbeiten”, und das ist der grundlegende Unterschied zur Insellösung.

Die Forderung kann also nicht sein “baut uns ein neues integriertes Lernmanagementsystem”, sondern: “Empfehlt uns einen Blumenstrauß existierender, freier, voneinander unabhängiger Anwendungen, aus dem wir dann auswählen können. Bildet uns aus, damit wir diese Auswahl kompetent treffen können. Bildet uns aus, voneinander unabhängige Systeme nutzbringend zu kombinieren. Stellt IT-ler ein die das betreiben, und stellt Infrastuktur zur Verfügung auf der das dann läuft.” — ich glaube nicht, dass dazu viel neue Software entwickelt werden muss.

anka
4 Monate zuvor
Antwortet  Stefan

Sie sprechen aberr nicht aus der schulpraktischen Erfahrung:
“Warum bekommt das eigentlich nicht jede Schule selbst hin?”
Weil nicht jede Schule, denken Sie da mal an Grundschulen, ITler hat…
Hat sich auch Ihnen während Corona gezeigt, oder nix mitbekommen?
Und BBB: nach 20 Anmeldungen war da Schicht.
Wir müssen auch nix neu entwickeln lassen, nur MS verpflichten, die Datenschutzstandards einzuhalten.

Stefan
4 Monate zuvor
Antwortet  anka

> Sie sprechen aberr nicht aus der schulpraktischen Erfahrung

Nein, wie gesagt, ich bin kein Lehrer. Ich war mal Dozent für Informatik.

> Weil nicht jede Schule, denken Sie da mal an Grundschulen, ITler hat…

und das ist m.M.n. genau das Problem. Ich will die Arbeit die Schul-IT zu betreuen ganz sicher nicht engagierten Lehrern aufbürden, die haben ein ganz anderes Kompetenzprofil. Und ich meine das nicht abschätzig, ich möchte kaum einen IT-ler als Lehrkraft sehen.

Gut, Grundschulen. Da frage ich mich ehrlich gesagt ob die Kinder überhaupt Kontakt zu IT haben sollen. Ich denke nicht. Es gibt eine reale Welt zu begreifen, und die wird auch erst mal einige Zeit lang nicht verschwinden. Je mehr die Kinder IT von zu Hause mitbringen, desto mehr würde ich mir in der Grundschule ein Gegengewicht wünschen. In so einem Umfeld werden die Lehrer zu den einzigen Nutzern der Schul-IT, und weil sie das nicht vermitteln müssen reicht es dann vielleicht auch aus wenn sie nur die Schul-IT beherrschen.

Weiterführende Schulen müssen aber mit IT-Kräften ausgestattet werden die vielleicht dazu da sind die Schul-IT zu betreiben, aber die vor allem im individuellen Dialog den Lehrkörper unterstützen und befähigen IT-Kompetenz zu erlangen und zu vermitteln. Und diese Kompetenz muss über das Nutzen einer Platform hinaus gehen.

Es mag zwar Dienste geben die sich relativ zentral bereitstellen lassen (vielleicht auf Ebene einer Stadt oder eines Kreises) wie z.B. E-Mail oder Videokonferenzen. Aber wir werden nicht voran kommen, ohne IT-Kompetenz an die einzelnen (weiterführenden) Schulen zu holen. Es muss die Möglichkeit geben, dass Lehrer außerhalb von Plattformen IT-Kompetenz erlangen und vermitteln, auch mal was ausprobieren was nicht im Mainstream verankert und in der Plattform schon als Modul dazukaufbar ist. Das wird nicht gehen indem man sich auf eine Lernmanagementplattform zurückzieht, die allen den gleichen Einheitsbrei liefert. Damit erzieht man Lehrer wie Schüler letztlich nur zu stumpfen Anwendern, die im von der Plattform vorgegebenen Kosmos agieren und real vollkommen abhängig sind.

Das kann man beobachten, wenn z.B. Microsoft irgendwo die Oberfläche ändert, und User schimpfen dass sie damit nicht klar kommen. Das zeigt dass eigentlich keine Kompetenz vorhanden war, weil die grundlegenden Konzepte (Programm, Datei, Verzeichnis) haben sich ja nicht geändert. Man hat sich auf Gedeih und Verderb den erlernten Klickpfaden ausgeliefert.

Fräulein Rottenmeier
4 Monate zuvor
Antwortet  Stefan

„Gut, Grundschulen. Da frage ich mich ehrlich gesagt ob die Kinder überhaupt Kontakt zu IT haben sollen.“

Also wir Grundschulen sollen doch bitte weiter mit Faxgerät und Umdruckern arbeiten? Nice…..

Auch wir benötigen einen IT-Support für unsere Lehrer- und Schülerausstattung. Auch wir benutzen Untis, SchiLd, Logineo und I-Serv. Auch das muss alles administriert werden, damit wir vernünftig arbeiten können…..

Auch Grundschulen haben neben Informatik Bedarfe….HALLO????

Fräulein Rottenmeier
4 Monate zuvor
Antwortet  Stefan

Und wir haben eine gerade 50 % Ausstattung der Tablets für die Kinder und im Sommer zu 100 % …..und Sie fragen sich, ob wir überhaupt digital arbeiten sollen??? Wir haben da schon so unsere Vorgaben vom Ministerium…..lesen sie doch mal die die Lehrpläne….Sie werden staunen, was wir in der Grundschule so alles an digitalem Zeugs lehren……

Kiki Sommer
4 Monate zuvor

Wenn Kinder in unsere 5. Klasse kommen, seufzen wir vor allem darüber, dass sie nicht richtig schreiben, nur oberflächlich lesen und nicht alles rechnen (dividieren) können.

unverzagte
4 Monate zuvor
Antwortet  Stefan

IT Kompetenzen vermitteln wir ab Klasse 3, was nach meinen bescheidenen Erfahrungen nicht zu früh ist, um erste Schritte insbesondere im verantwortungsvollen Umgang (sic) mit diesem Medium vermitteln zu können – im Sinne Ihres sog. Gegengewichtes.

Lera
4 Monate zuvor
Antwortet  Stefan

Ja, das Bedürfnis nach Klickpfaden ist befremdlich. Es zeigt in der Nussschale den tiefen Unwillen, digitale Werkzeuge zu beherrschen. Stattdessen verlegt man sich auf die Anwendung weniger Routinen. Eigentlich wie ein Computer. Isn‘t it ironic?

Aber zu den Grundschulen:

Die brauchen schon auch IT-Support. Und das nicht unbedingt aus pädagogischen Gründen – Kinder brauchen in dem Alter sicherlich nicht noch mehr Bildschirmzeit.

Leider ist es aber so, dass die (meisten) Grundschulen unter Bedingungen arbeiten, die eine angemessene Berücksichtigung pädagogischer Erfordernisse zunehmend verunmöglichen – sprich: hier wird im Wesentlichen der Mangel (an einfach allem) verwaltet, gute Miene zum bösen Spiel gemacht und – ganz wichtig – Bildung simuliert. Weil mehr gar nicht drin ist (zu viele, zu verschiedene, zu schwierige Kinder; keine Zeit für die vielbeschworene und selten live gesehene „Binnendifferenzierung“, Verbot dauerhafter, leistungshomogener Lerngruppen innerhalb der Grundschule, Fehlen effektiver Erziehungsmittel, keine Fachräume, wenig Material in Klassenstärke, selbstgebastelte und somit quasi beliebige Curricula,….)

Und da kommt die IT ins Spiel. Als Krücke, um unter den Bedingungen noch ein bisschen was hinzukriegen bzw. es wenigstens so aussehen zu lassen, dass hier Bildung passiert. Beispiel Binnendifferenzierung: Sehr viele organisatorische Probleme der allseits beliebten Binnendifferenzierung lassen sich mit einem LMS umgehen. Es ist unfassbar nervenaufreibend, analog das differenzierte Material von 30 Kindern (!) beisammenzuhalten.

Will sagen: Eigentlich gerne ohne IT, aber so wie es steht – nämlich schlecht – geht das leider nicht.

rudluc
5 Monate zuvor

Gibt es eigentlich ein Bundesland, wo eine digitale Plattform für Schulen vernünftig funktioniert? Ich habe nie verstanden, warum die Bundesländer nicht zusammenarbeiten. So unterschiedlich werden die Anforderungen doch nicht sein.

anka
5 Monate zuvor
Antwortet  rudluc

Viele nutzen halt dann das funktionierende MS TEAMS, solange der Datenschutz nicht dazwischen grätscht.
Und sonst ist Föderalismus – wie bei den ~27 versch. Schulformen in 16 BL.

Hans Malz
5 Monate zuvor
Antwortet  anka

Ich verbessere das mal:
Viele nutzen halt dann das funktionierende MS TEAMS, solange der Trump nicht dazwischen grätscht.

gskerl
5 Monate zuvor

Seit Corona 2020 nutzen wir Logineo. Vorher hatten wir alle private Mailadressen, was natürlich ein Unding war. Allein als E-Mail finde ich Logineo völlig in Ordnung, der administrative Aufwand ist in der Grundschule überschaubar. Nervig sind die häufigen Wartungsarbeiten, die werktags auch mal um 17 Uhr liegen. So etwas habe ich noch bei keinem Mail-Anbieter erlebt. Ich will nicht wissen, wie viel Geld da verbrannt wird. Die Cloud ist Ok, um auch mal Dokumente mit den Kindern zu teilen.

anka
4 Monate zuvor
Antwortet  gskerl

Endlich dienstliche von privaten Mails trennen zu können ist ein sehr großer Vorteil von Logineo (NRW).
Das ist aber auch der einzige.

dickebank
4 Monate zuvor
Antwortet  anka

Dafür bedurfte es aber nicht der gelder, die in LOGINEO versenkt worden sind. In Bezug auf die dienstlichen Emails hätte es einfachere Lösungen gegeben, hätte man nur beispielsweise die Finanzämter oder die Stadtverwaltungen fragen müssen.