Verwaltungsgericht stärkt vegetarische Schulverpflegung – gegen klagende Eltern

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FREIBURG. Darf eine Schule an vier von fünf Tagen ausschließlich vegetarisches oder veganes Essen anbieten? Ja, sagt das Verwaltungsgericht Freiburg – und stärkt gleichzeitig den Gestaltungsspielraum der Schulträger. Das dürfte dem neuen Bundeslandwirtschaftsminister nicht gefallen.

Jeden Tag Fleisch in der Schulmensa? Muss nicht sein – sagt das Verwaltungsgericht. Foto: Shutterstock

Im Mittelpunkt des aktuellen Falls steht eine Ganztagsgrundschule im Raum Konstanz. Dort wird an drei von vier Verpflegungstagen vegetarisches oder veganes Essen angeboten, nur einmal pro Woche kommt Fleisch oder Fisch auf den Teller. Zu wenig, fanden die Eltern einer Schülerin – und zogen vor Gericht. Ihre Forderung: Die Schule müsse täglich ein Menü mit Fleisch oder Fisch anbieten, da andernfalls eine Mangelernährung der Tochter drohe.

Das Verwaltungsgericht Freiburg sah das anders: Der Antrag auf Eilrechtsschutz wurde abgelehnt. Die Richterinnen und Richter bezweifelten nicht nur die Eilbedürftigkeit, sondern auch die Substanz der vorgebrachten Argumente. Eine Mangelernährung sei nicht glaubhaft gemacht worden, hieß es. Schließlich könnten Eltern jederzeit selbst für fleischhaltige Mahlzeiten sorgen – entweder außerhalb der Schulzeiten oder durch mitgebrachtes Essen. Und: Bei nachgewiesenen Unverträglichkeiten sei ein individuelles Angebot möglich.

Vor allem aber stellte das Gericht klar: Der Schulträger habe bei der Ausgestaltung der Mittagsverpflegung einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Eine tägliche Fleischoption sei nicht verpflichtend. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig – eine Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ist möglich.

Politischer Rückenwind für Fleisch – oder nur Symbolpolitik?

Erst vor zwei Wochen hatte das Thema auf Bundesebene für Aufregung gesorgt: Die CSU und der ihr angehörende neue Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer – gelernter Metzgermeister – forderten mehr Fleisch in Schulen und Kitas. In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung betonte Rainer, eine „ausgewogene Ernährung“ müsse auch Fleisch enthalten (News4teachers berichtete).

Ein Seitenhieb auf seinen vegetarisch lebenden Vorgänger Cem Özdemir kam flankierend vom Parteivorsitzenden. „Jetzt gibt’s wieder Leberkäs’ statt Tofu-Tümelei“, tönte Markus Söder. Die Botschaft: Weniger Ideologie, mehr Wurst. Aus Sicht vieler Ernährungsexpertinnen und -experten ist das allerdings kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt.

„Ein solcher Vorstoß ist unter gesundheitlichen Gesichtspunkten alles andere als sinnvoll“, sagt Prof. Melanie Speck vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche heute bereits deutlich mehr Fleisch konsumieren, als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt. Diese spricht sich für maximal eine Fleischmahlzeit pro Woche aus – und setzt ansonsten auf Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte.

Auch Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND NRW, kritisierte Rainers Vorstoß scharf: „Die Landwirtschaft und insbesondere die Massentierhaltung sind ein Haupttreiber der Klimakrise. Mehr Fleisch in Kitas und Schulen zu fordern, ist schlicht aus der Zeit gefallen.“

„Der Bund kann Rahmenbedingungen setzen, etwa durch Förderprogramme oder Standards – aber nicht über konkrete Speisepläne entscheiden“

„Bild“ behauptete, dass Rainers Vorstoß bei Lehrkräften gut ankomme – und berief sich dabei auf den (im Ruhestand befindlichen) Ehrenpräsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger. Doch repräsentativ ist das kaum. Der VBE betont, dass Schulträger und Einrichtungen selbst über Speisepläne entscheiden. Bundespolitische Aussagen hätten höchstens Empfehlungscharakter. Auch der Bundeselternrat weist eine politische Einflussnahme zurück. Vorsitzender Dirk Heyartz erklärt: „Der Bund kann Rahmenbedingungen setzen, etwa durch Förderprogramme oder Standards – aber nicht über konkrete Speisepläne entscheiden.“

Das dürfen, der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg unterstreicht das, die Schulträger vor Ort. News4teachers

Hier geht es zum Beschluss des Verwaltungsgerichts.

Erste Kommune bietet in Kitas und Grundschulen nur noch Vegetarisches an

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16 Kommentare
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Lehrkraft, kein Erzieher
5 Monate zuvor

Wessen obliegt die Erziehung und Pflege des Kindes primär? Nach unserem Grundgesetz den Eltern- und damit auch die Verantwortung für die Ernährung. Statt sich publikumswirksam durch die Instanzen zu klagen, sollten sie lieber die Zeit fürs gesunde Kochen und gemeinsame Mahlzeiten nutzen. Dann tut es in der Schule ggf. auch ein (Wurst-)Brot.

Mimü
5 Monate zuvor

Deine Einleitungsfrage ist natürlich richtig. Jetzt kann man aber auch begründet die Meinung haben, dass die Mittagsverpflegung nicht zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule also der Realisierung der Schulpflicht gehört. Es ist ein Serviceangebot des Schulträgers für die SuS bzw. die Eltern. Beschliesst ein Schulträger also z.B. einen Übergang zu weitgehend vegetarischer Ernährung ohne Anhörung und Billigung von Eltern- oder Schülervertretungen, dann ist das klassisch obrigkeitsstaatlich-übergriffiges Handeln. Und selbst wenn eine Mehrheit dafür wäre, kann und sollte eine Mensa, die mehrere Gerichte anbietet, auch wesentliche Minderheiten bedienen. Dass es jeden Tag ein vegetarisches Gericht gibt, ist ja auch Standard obwohl die Vegetarier an den meisten Schulen in der Minderheit sind.

Lehrkraft, kein Erzieher
5 Monate zuvor
Antwortet  Mimü

Selbstredend, das kann man durchaus so sehen- unsere Einlassungen sind dabei nicht antagonistisch.
Allerdings sind wir nicht per Du.

Nanu
5 Monate zuvor

Wenn die Erziehung zuvörderst den Eltern obliegt (laut GG), warum mischt sich dann die Schule ein? Wir lasen erst kürzlich, dass ja auch die Schule einen Erziehunsauftrag hat. Nun will sie den anscheinend auch haben. Bei anderen Themen will sie ihn nicht.

Küstenfuchs
5 Monate zuvor

Um was Belangloses man alles Prozesse führen kann!

Jonas
5 Monate zuvor

Wie fänden die veganen Eltern es, wenn nur Fleisch angeboten wird? Für eine vegane Ernährung “können die Eltern dann selbst sorgen”.

Wäre es umgekehrt auch problemlos?
Jeder soll wie er mag, aber hört auf den anderen die eigene Ideologie aufzudrücken.
Fleischgerichte und dazu optional ein veganes Menü und fertig. Häufig wird ja auch nur im letzten Schritt noch Fleisch untergemischt.

Walter Hasenbrot
5 Monate zuvor
Antwortet  Jonas

Gesunde Ernährung ist keine Ideologie.

Wer jeden Tag Fleisch isst, ernährt sich nicht gesund. Da Schulen für ein gesundes Mittagessen verantwortlich sind, handeln sie objektiv richtig, wenn in der Mensa nicht jeden Tag Fleisch angeboten wird.

Rainer Zufall
5 Monate zuvor

Wenn das weiter so ausartet, sortieren wir Kinder am Ende nicht mehr irgendwelchen “Lagern” zu, sondern sie haben einfach ein gesundes Ernährungsangebot.
Nicht auszumalen…

Extra-Danke ans Leben an sich, dass sich eine Frau Speck gegen zu fleischlastige Ernährung ausspricht ^^

Unfassbar
5 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Als “gesund” würde ich das Schulmensaessen jetzt nicht unbedingt bezeichnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es vegan, vegetarisch oder fleischhaltig ist.

Rainer Zufall
5 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

Zumal manche Bundesländer inzwischen auch wieder über die “Eigenverantwortung” der Elternhäuser sprechen… um “Geld zu sparen” -__-

Prinzipiell stimme ich Ihnen zu, aber ich halte sehr, sehr viel von unserer Cafeteria! Nicht nur, dass sie günstig und ordentlich kocht, die Alternative ist bei vielen SuS dann die (erste) Tüte Chips als Ersatz. Ja, inzwischen ist Mensaessen gesund 😉

Stoffel
5 Monate zuvor

Meine Kinder waren insgesamt 8 Jahre in Freiburg in Kita und Hort. Jeder, aber wirklich jeder Elternabend war eine zweistündige Diskussion um Sojawürstchen und sonstige Sonderwünsche. Jedesmal musste der Speiseplan neu verhandelt werden. Pädagogische Inhalte waren meist hinten angestellt. Es kamen Eltern mit Auflistungen, welche süßen Stückchen die anderen Eltern beim Bäcker kaufen dürften und welche nicht. Erzieherinnen wurden verbal angegangen, weil das Kind ungefragt, das heißt ohne ausdrückliche Erlaubnis der Eltern an Nikolaus einen Schokolebkuchen erhalten hatte. Andere Eltern wurden aufgefordert, keine Süßigkeiten in der Kindergarten Tasche mitzuführen, da das eigene Kind die Taschen der anderen ausgeraubt hatte usw. Es war zusammenfassend so furchtbar anstrengend und ermüdend. Und das war ab Anfang der 2000er. Jetzt versucht man wahrscheinlich die lästigen Diskussionen zu umgehen, indem man auf vegetarisch umstellt, aber ganz verbannen kann man die paar Nichtgrünen halt auch nicht aus Freiburg. Es ist wie immer, Zuviel des Guten von der einen Seite löst Widerstand auf der anderen aus.

Achin
5 Monate zuvor

Ganz unabhängig von persönlichen Ernährungsgewohnheiten, die Eltern sind Prozesshansel ersten Ranges:

Auch an diesen drei Schultagen können sie doch Ihren Nachwuchs durchgehend mit Schlachtplatte und Kesselfleisch für das Erwachsenenleben ertüchtigen. Tragikomisch, was sich sog. Wutbürger alles einfallen lassen.

Mimü
5 Monate zuvor

Ja, der Schulträger darf das. Nur muss er es auch? In normalen Mensen, in denen es mehrere Gerichte gibt, könnte man die Wahlfreiheit belassen und weniger besserwisserisch auftreten. Das hat ohnehin null Erziehungseffekt, da die SuS dann zur örtlichen Dönerbude etc. abwandern.

Cornelia
5 Monate zuvor

Litten wir früher alle an Mangelernährung, weil die Eltern nicht jeden Tag Fleisch anbieten konnten??
Bei uns gab es an den Werktagen selten Fleisch, vielleicht mal Saiten oder Fleischkäse, und Wurstbrot gab es schon gar nicht, nicht mal sonntags. Nur wenn Besuch kam. Mir erzählte sogar mal eine Freundin meiner Mutter, sie hätten immer Wurst und Käse bei ihren Besuchen mitgebracht, weil meine Eltern sich das nicht leisten konnten.
Wir aßen dafür häufig Haferflocken, war auch nicht schlecht.

Nanu
5 Monate zuvor

Fairer fände ich, wenn beides angeboten wird. Weder die Fleischliebenden sollen die Fleischablehenden dominieren als auch bitte nicht umgekehrt.

Walter Hasenbrot
5 Monate zuvor
Antwortet  Nanu

Das wäre nicht fairer, sondern vor allem ungesünder und teurer.

Und wieso fordern sie die Wahlmöglichkeit nur für Fleisch? Sollte es nicht auch Reis als Alternative für die geben, die keine Kartoffeln mögen? Und Spinat für die, die keinen Broccoli mögen?

Eine Schulmensa ist kein Restaurant. Die Möglichkeiten, individuelle Wünsche zu erfüllen, sind sehr beschränkt.