Angesichts der mutmaßlich rechtsextremen Entgleisung von zwei Greifswalder Neuntklässlern während einer Studienfahrt ins frühere Konzentrationslager Auschwitz (News4teachers berichtete) verweist der Landesschülerrat Mecklenburg-Vorpommern auf weitere extremistische Fälle. «Dieser Vorfall ist nur die Spitze des Eisbergs», erklärte Vorsitzender Felix Wizowsky. «Wir bekommen täglich von Schülerinnen und Schülern berichtet, welche extremistischen Vorfälle an Schulen stattfinden oder erleben diese selbst.»
Wie zunächst die «Ostsee-Zeitung» berichtete, hatten die beiden Schüler Ende Mai ein Video aufgenommen, das einen der Jugendlichen in der Gedenkstätte unter anderem mit einer rechtsextremen White-Power-Geste zeige. Sie seien ihrer Schule verwiesen worden. Das Schweriner Bildungsministerium hatte den Artikel bestätigt.
Einen ähnlichen Fall wie mit den Greifswalder Schülern gab es nach Medienberichten in Auschwitz bereits im März dieses Jahres. Damals sollen vier Neuntklässler einer Schule in Görlitz den sogenannten White-Power-Gruß gezeigt haben. Ein Foto davon hatte sich schnell über soziale Netzwerke verbreitet. Die beteiligten Schüler bekamen einen Schulleiterverweis. Zudem hatten die einsichtigen Jugendlichen Sozialstunden in einer Behindertenwerkstatt zu leisten.
«Auschwitz-Überlebende bewerten die Haltung und das Handeln dieser jungen Menschen als agressiv, herzlos und infam»
Die Fälle seien «erschreckend, aber teils Normalität» – betont nun der Landesschülerrat: Schülerinnen und Schüler berichten, dass Jugendliche mit Kleidung über den Schulhof laufen, auf denen ein halbes Hakenkreuz zu sehen ist oder sich selbst stolz als Nazi bezeichnen. Schulen reagierten bedauerlicherweise oft nicht angemessen auf diese Vorfälle oder meldeten diese gar nicht erst, kritisierte der Landesschülerrat. Oftmals hätten sie Angst vor einem schlechten Ruf oder davor, die politische Neutralität zu verletzen. Außerdem blockieren den Angaben zufolge Eltern häufig Maßnahmen.
Die Eltern der Neuntklässler wollen mit einem Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Greifswald eine Rücknahme der Schulverweise erreichen. Laut Gericht soll es einen nicht-öffentlichen Erörterungstermin geben. «Weitere Auskünfte werden wegen des Alters der Beteiligten nicht erteilt», schrieb die Gerichtssprecherin. Auch die Schule hatte auf den Vorfall zunächst nicht reagiert. Erst nach einem Medienbericht und dem Einschreiten des Bildungsministeriums wurden Konsequenzen gezogen.
International sorgt der Fall für Aufsehen. So berichtet die Londoner «Times» in großer Aufmachung. Auch das Internationale Auschwitz-Komitee hat sich eingeschaltet. «Mit dem Zeigen des “White-Power-Grußes” in der Gedenkstätte Auschwitz haben sich die Schüler aus Greifswald bewußt für die Vorherrschaft der weißen Rasse eingesetzt und sich damit -gerade an diesem Ort- für die weitere Vernichtung und Ermordung sogenannter “Untermenschen” ausgesprochen», sagt Christoph Heubner, Exekutiv Vizepräsident der Organisation der Überlebenden des Vernichtungslagers.
