STUTTGART. Von der Referendariatsprüfung direkt in die Arbeitslosigkeit: Für Hunderte angehende Lehrkräfte in Baden-Württemberg beginnt mit dem 1. August nicht etwa ein geregelter Berufseinstieg – sondern der Gang zum Arbeitsamt. Die Jungen Philologen im Philologenverband Baden-Württemberg kritisieren diese Praxis scharf – und fordern ein sofortiges Ende dieser „beschämenden Ungerechtigkeit“.

„Ein unhaltbarer Zustand, den wir als Verband für Gymnasiallehrkräfte aufs Schärfste kritisieren“, erklärt Stefanie Schrutz, Landesvorsitzende der Jungen Philologen (JuPhis). Hintergrund: Viele Referendarinnen und Referendare beenden zum 31. Juli erfolgreich ihre Ausbildung. Die Zusage für eine feste Stelle im Schuldienst zum neuen Schuljahr liegt längst vor – dennoch erhalten sie für den Monat August keinen Arbeitsvertrag.
Dabei sei dieser Monat keineswegs frei, betont Schrutz: „Während der Sommerferien investieren gerade diese motivierten Berufseinsteiger:innen – ehemalige Referendarinnen und Referendare – enorm viel Zeit, Energie und Geld in die Vorbereitung des neuen Schuljahres.“ Sie erstellen Unterrichtsmaterialien, konzipieren didaktische Einheiten, treffen sich mit zukünftigen Kolleg:innen und organisieren ihre Klassenräume – ohne jede Bezahlung oder vertragliche Absicherung.
„All das geschieht ohne Bezahlung, ohne vertragliche Absicherung, ohne jede Anerkennung durch das Land“, so Schrutz weiter. „Diese Praxis ist beschämend, ungerecht – und nicht mehr hinnehmbar.“
Der Verband stellt klare Forderungen auf:
Verbeamtung oder Einstellung mit Dienstbeginn zum 1. August! Wer eine Zusage für eine Stelle hat, müsse auch nahtlos beschäftigt werden – wie es in anderen Bundesländern längst Standard sei.
Vergütung der schulischen Vorbereitungszeit im August! Schrutz: „Die Tätigkeit im August ist keine ‚freie Zeit‘, sondern aktive Arbeitsleistung. Diese Arbeit muss entlohnt werden – entweder durch einen befristeten Vertrag oder durch eine offizielle Anerkennung im Dienstrecht.“
Gleichbehandlung mit befristet Angestellten! Seit 2023 werden befristet eingestellte Lehrkräfte in Baden-Württemberg über die Sommerferien hinweg bezahlt. Für frisch ausgebildete Referendar:innen mit Zusage gilt das nicht. „Ein Systemversagen, das sofort behoben werden muss“, urteilt der Verband.
Schrutz appelliert an das Kultusministerium: „Unsere hochqualifizierten Nachwuchskräfte haben Besseres verdient als einen Start in den Lehrerberuf mit Arbeitslosigkeit und Existenzangst. Wer gute Schulen will, muss gute Rahmenbedingungen für Lehrkräfte schaffen – vom ersten Tag an!“
Besonders zynisch sei die Lage vor dem Hintergrund des Skandals um 1.440 sogenannte „Geisterstellen“, die das Kultusministerium über Jahre hinweg als besetzt ausgewiesen hatte – obwohl sie de facto unbesetzt blieben. „Während qualifizierte Nachwuchslehrkräfte mit Einstellungszusage im August in die Arbeitslosigkeit geschickt werden, zeigt sich nun, dass es offenbar sehr wohl ausreichend Planstellen gibt, sie wurden nur nie genutzt“, so Schrutz. „Diese Diskrepanz zwischen Papierstatistik und schulischer Realität ist nicht nur ein bildungspolitisches Versagen, sondern ein Schlag ins Gesicht für alle, die mit Leidenschaft und Engagement in den Lehrkräfteberuf starten wollen.“
Rückblick: Schon 2024 massiver Protest
Bereits im vergangenen Jahr stand das Thema im Fokus – begleitet von lautstarken Protesten: Unter dem Motto „Damit es für Meer reicht“ übergaben Referendarinnen und Referendare im Sommer 2024 Postkarten aus einer landesweiten Aktion an Bildungspolitiker:innen vor dem Stuttgarter Landtag. Unterstützt wurden sie damals unter anderem von den Jugendorganisationen der Grünen, SPD und FDP.
Auch die Bildungsgewerkschaft GEW übte deutliche Kritik. Die damalige Landesvorsitzende Monika Stein erklärte im Juli 2024: „Ich kenne nur einen Arbeitgeber in Baden-Württemberg, der nach etwa sieben Jahren Studium und Ausbildung sein gut qualifiziertes Personal in die Arbeitslosigkeit schickt.“ Mit diesem Verhalten zeige sich das Land als Arbeitgeber, „der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat“.
Trotz Personalmangel keine Reform
Die GEW erinnerte im letzten Sommer daran, dass der Lehrkräftemangel in Deutschland laut Kultusministerkonferenz bis 2025 auf bundesweit 25.000 unbesetzte Stellen anwachsen werde – trotzdem blieb Baden-Württemberg beim Thema Sommerarbeitslosigkeit besonders restriktiv. Laut GEW waren damals rund 4.000 angehende Lehrkräfte betroffen – bundesweit der höchste Wert.
Dass die befristet eingestellten Lehrkräfte seit 2023 durchbezahlt werden, feierte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz seinerzeit als Meilenstein. Die Durchzahlung sende „eine wichtige Botschaft: Wir machen keine halben Sachen“. Für Referendar:innen jedoch galt diese Wertschätzung nicht – trotz fester Zusage und sofortiger Einsatzbereitschaft.
Die GEW bezifferte die Kosten für die Bezahlung der Sommerferien mit rund 15 Millionen Euro – ein Bruchteil des Landeshaushalts und weniger als die damalige Werbekampagne „The Länd“. Monika Stein stellte klar: „Ich kann jede Person verstehen, die von Ulm nach Neu-Ulm wechselt, weil dort die Sommerferien bezahlt und Grundschullehrkräfte bald mit A13 etwa 500 Euro mehr auf der anderen Seite der Donau bekommen sollen.“ News4teachers / mit Material der dpa
Sommer, Sonne, Arbeitslosigkeit: Land entlässt Referendare in den Ferien (trotz Lehrkräftemangel)
 
                








“Dabei sei dieser Monat keineswegs frei, betont Schrutz: „Während der Sommerferien investieren gerade diese motivierten Berufseinsteiger:innen – ehemalige Referendarinnen und Referendare – enorm viel Zeit, Energie und Geld in die Vorbereitung des neuen Schuljahres.“ Sie erstellen Unterrichtsmaterialien, konzipieren didaktische Einheiten, treffen sich mit zukünftigen Kolleg:innen und organisieren ihre Klassenräume – ohne jede Bezahlung oder vertragliche Absicherung.”
Ja gut, das lebt halt auch vom Mitmachen. Wenn ich nicht bezahlt werde, arbeite ich auch nicht. Simpel.
Und dann, als Anfänger, völlig unvorbereitet ins neue Schuljahr starten? Ohne mit einem einzigen Kollegen gesprochen zu haben? In einem dreckigen und noch vom vorherigen Schuljahr unaufgeräumten Klassenraum? Sind das gute Aussichten?
Als Junglehrer, der noch verbeamtet werden will, wird das sicher niemand machen – zudem sind diese jungen Kolleginnen und Kollegen motiviert und froh über ihre Stelle. Das Berufsethos spricht gegen Ihren “simplen” Vorschlag!
Wie sieht das denn im Vergleich von Lehramtsreferendar*innen mit bestandenem 2. StEx (Assessor*innen) zu anderen Assessor*innen der übrigen Verwaltungsbereiche einschließlich der Justizverwaltung aus?
in BaWü werden Rechtsreferendar*innen übrigens sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Lediglich die Beiträge zur Rentenversicherung sind davon ausgenommen. Werden die Assessor*innen nicht im Anschluss irgendwo in der Bundesrepublik verbeamtet, erfolgt die Nachversicherung bei der DRV.
Ich bin verwirrt wegen den zweiten Nickname. Oder habe ich es jetzt mein einer gespaltenen Persönlichkeit zu tun?
Der Dienst als Tarifbeschäftigter des Landes hat mich nicht manisch-depressiv werden lassen. Eine bipolare Störung ist bis jetzt auch nicht diagnostiziert worden.
Vielleicht sollte ich mich der chinesischen Erkenntnis hingeben, dass die Kopie das Original ehrt
The Länd – Gen Z gut aufpassen!
Existiert dieses Problem nur für Referendare oder auch für die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst?
Referendare sind u.a. Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst für die Laufbahngruppe II, zweites Einstiegsamt aka höherer Dienst (Ratslaufbahn).
Meinten Sie eventuell Anwärter – also u.a. Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst für die Laufbahngruppe II, erstes Einstiegsamt aka gehobener Dienst (Inspektorenlaufbahn)?
Ja, Anwärter meinte ich
Na, das kann man dem Land nu wirklich nicht vorwerfen, mit der Arbeitslosigkeit nach dem Vorbereitungsdienst gibt es einfach mal Gleichheit zwischen LAA und Refis.
Wie wäre es, wenn die Firmen in der freien Wirtschaft das auch mal praktizieren würden, ihre Angestellten in Auftragsflauten einfach mal 3 Monate ausstellen, dann wieder einstelllen. Wie? Geht nicht? Warum darf das dann der Staat als Arbeitgeber? Ach ja, die machen ja die Gesetze für sich selbst, wie praktisch ………..
Machen scheinbar nicht alle Bundesländer so. Gibt m.W. auch welche, in denen die Absolventen bis zum Dienstantritt im neuen Schuljahr weiterbeschäftigt werden, wenn sie im Staatsdienst bleiben.
Gibt halt mal kein “deutsches Schulsystem” sondern 16 Bundesländer mit 16 Systemen.
Tatsache ist doch, dass diese Vorgehensweise eine absolut arbeitnehmerschädliche, unsoziale und unverschämte Haltung ist, und das wird ja nicht nur bei Absolventen so gehandhabt.
Tatsache ist aber auch, dass der Vorbereitungsdienst entweder mit dem Tag der bestandenen bzw. endgültig nicht bestandenen Prüfung oder 18/24 Monate nach der Berufung in den Vorbereitungsdienst endet.
Da sind Lehramtsanwärter und Lehramtsreferendare genauso gestellt wie Anwärter und Referendare anderer Behörden.
Es werden auch befristet angestellte Lehrer durchaus der Ferien beraubt, indem sie zum 31.8. aus- und zum 12.9. wieder eingestellt werden. Nach 2 Jahren dann kurzfristig ganz entlassen, da Kettenverträge in der Art nicht erlaubt sind.
Falls Sie die Praxis meinen die jungen Leute vorübergehend in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, dann könnte das vermutlich einer der Gründe sein, warum manche Bundesländer das nicht so machen.
Betriebsbedingte Kündigung gibt es in der freien Wirtschaft schon.
Und Saisonkräfte sind auch in diversen Betrieben zu finden.
Aber trotzdem muss Arbeit, die erwartet wird, auch entlohnt werden.
Ob Selbst-Ausbeutung ein sinnvoller Weg ist, muss jeder für sich entscheiden.
In der freien Wirtschaft nennt sich das Ausstellen der Arbeitnehmer bei Auftragsflauten Kurzarbeit. Hier zahlt die Agentur für Arbeit das KUG. Also der Staat.
Dazu werden in Unternehmen Mitarbeiter*innen von Zeitarbeitsfirmen eingesetzt, um Spitzen oder auch ein Absinken der Auslastung auszugleichen.
Wollen Sie wirklich, dass das MSB analog verfährt?
Befristete Verträge an Schulen sind durchaus vergleichbar.
Unmöglich! Während andere 39, 35,34 oder 32 Stunden genießen, womöglich noch Zeitausgleich oder Homeoffice, geht hier sowas.
Beamte haben ja schon 41
Ich kenne niemanden in meinem Freundeskreis, der unter 40 Stunden arbeitet. Sehr unREALISTISCH.
Mein Mann ist jeden Tag von 7 – 15.30 Uhr im Home Office.
Unser Nachbar ist selbstständiger Dachdecker und kommt je nach Saison locker auf 50 Arbeitsstunden.
Bei uns schon, die sind im Werk mit 35 St Woche
Homeoffice ist natürlich am besten
🙁
Ja, pfiffig. Dann verstehe ich jetzt auch die Weigerung zukünftig an der Sommerferienrotation der Bundesländer teilzunehmen…..denn dann wäre es mit dem Einsparen der 15 Millionen Essig.
Für 15 Millionen gibt es aber viele Liter sehr alten Balsamicos
Um hier mal weitere Informationen zu liefern, was im “Ländle” abgeht: beim Lehrerseminar in Ludwigsburg fand die Abschlussfeier vor wenigen Tagen für die diesjährigen Referendare wegen des Regens in der Tiefgarage (!) statt. Ich konnte es kaum glauben, bis ich die Fotos der Absolventen gesehen habe: neben parkenden Autos standen sie alle in Reihe – ohne Worte. Da sieht man mal wieder, welchen Stellenwert der Lehrerberuf hier in Baden-Württemberg hat…
Tja, Regenschirme werden gespart….
Aber trösten Sie sich….wir haben als Absolventen 1996 damals auf dem Dachboden des Seminar einen Händedruck und alles Gute gewünscht bekommen….denn eine Stelle war weit und breit nicht in Sicht….hat auch keinen interessiert……da ging es nicht um einen Monat, sondern um Jahre….
Nur bei der Überschrift wusste ich schon, dass es un BW gehen würde.
Tja, vielleicht ist die Schwäbische Hausfrau nicht mehr so geeignet, wenn es das eigene Land betrifft!
Meine volle Solidarität an die Kolleg*innen! Ich wünsche Euch, dass diese unwürdige Praxis endet. (Denkt daran, dass das erstw Gehalt deutlich später überwiesen werden könnte, passt auf Euch auf und feiert hart, wenn die zwei Monatsgehälter Mitte/ Ende Oktober eigehen – hoffentlich früher!) 😉
Tja, Sie sind offenbar damit nicht konfrontiert? Ja, da kann man schon mal das wohlige Gefühl des Mitleids haben!
Ich war betroffen, als ich aus dem Ref kam – the Länd eben -__-
Das ist in NRW damals auch nicht anders gewesen mit der Überweisung.
Und arbeitslos war ich über die Sommerferien auch.
Ab dem 1. Schultag bezahlt, am 2. Schultag ein 1. Schuljahr eingeschult,
Vorbereitung für die neue 1. Klasse während der „Arbeitslosigkeit“.
Wahnsinn, dass BW den Mist immer noch betreibt :/
Hat es sich in NRW gebessert (also normalisiert)?
Es gibt wesentlich weniger Betroffene als noch vor einigen Jahren.
Es gibt eben weniger Plätze in den ZfsL, da ja die Bewerberzahl stark rückläufig ist.
Herrlich! – Erst im Vorfeld die noch motivierten Anwärter verbrennen und das letzte bisschen Lebensfreude und Energie für wenig Lohn aussaugen und sie anschließend ins Bürgergeld schicken.
“Resilienztraining”
“Nur die Harten kommen in den Garten”
Alles selbst gehört in meinem Ref.
Ist eben ein System des [durch den AG] selbst gemachten Burnouts für/durch viele. Ob da der AG wirklich profitiert … Sollte man sich vielleicht auch mal als Frage stellen als AG. Aber gut. Fürsorgepflicht ist dehnbar. Anscheinend.
Bundesländer wie Schleswig-Holstein, die finanziell deutlich schlechter als Ba-Wü gestellt sind, machen so eine Frechheit nicht.
Jeder Vertrag endet grundsätzlich am 31.7. und jeder Neuvertrag beginnt am 1.8. (Ausnahme: Vertretungsverträge z.B. für Elternzeit)
Warum sollte SH finanziell deutlich schlechter gestellt sein als BW?
Der Landeshaushalt SH betrug nach meinen Informationen im Jahr 2024 inkl. der Nehmerzahlungen ca. 18 Mrd auf ca. 2,9 Mio Einwohner, der Landeshaushalt BW 2024 wäre nach Abfluss der Geberzahlungen ca. 62 Mrd auf ca. 11,2 Mio Einwohner.
Neuverschuldung: Zu viel, zu wenig oder so richtig? Landtag diskutiert https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Neuverschuldung-Zu-viel-zu-wenig-oder-so-richtig-Landtag-diskutiert,haushaltsberatungen104.html
Ich finde es grundsätzlich besser verfassungsgemäße Haushalte aufzustellen und zu verabschieden.
Das beantwortet allerdings nicht die Frage, warum SH angeblich finanziell so viel schlechter gestellt sein soll als BW.
Woher das Geld kommt, dass die Politik zur Verfügung hat, spielt ja beim Ausgeben keine Rolle.
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/07/PD25_275_713.html
Sofern es nicht “in Vergessenheit geraten” ist?
https://www.news4teachers.de/2024/06/spd-vertretungslehrkraefte-waehrend-der-sommerferien-weiterbeschaeftigen-und-zwar-alle/
Wenn jeder Vertrag am 1.8. beginnt und am 31.7. endet, wieso dauert dann der Vorbereitungsdienst für das Lehramt in SH 18 Monate? Das ginge doch zeitlich nicht auf.
Ich rede von Verträgen im zeitlichen Zusammenhang mit den Sommerferien, wo in BaWü offenbar das Referendariat am Anfang der Ferien endet und zum Ende der Ferien die Neueinstellung beginnt. Eigentlich hätten man dies aus dem Zusammenhang des Artikels leicht erschließen können.
Endet das Referendariat am 31.1., dann beginnt ein neuer Vertrag natürlich am 1.2.. Aber diese dürfte überall gleich sein, weil keine Ferien dazwischen liegen.
Was passiert bei einem Arbeitsunfall?
Nischt, weil Privatsache, da kein Vertrag?
Leute – Finger von!