Ganztagsanspruch ab 2026 – Kultusministerin: „Manche Schule muss ein wenig improvisieren“

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HANNOVER. Der bundesweite Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder rückt näher – und mit ihm wächst der Druck auf Länder und Kommunen. In Niedersachsen dämpft Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) bereits die Erwartungen: Zum Start werde nicht alles reibungslos laufen. Die GEW hatte zuvor schon Tempo und Qualität beim Ausbau angemahnt.

“Für die Kinder wird es funktionieren”: Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg. Foto: Simona Bednarek / Julia Hamburg

„Es wird nicht überall sofort perfekt sein“, sagte Hamburg im Gespräch mit dem NDR. Zwar habe die rot-grüne Landesregierung bereits 2013 mit dem Ausbau von Ganztagsschulen begonnen und mittlerweile 72 Prozent der Grundschulen in Niedersachsen in Ganztagsbetrieb überführt – dennoch sei der vom Bund gesetzte Zeitplan ambitioniert.

„Vielleicht steht nicht an jeder Schule sofort eine Mensa. Manche Schule muss ein wenig improvisieren“, räumte die Ministerin ein. Doch sie zeigte sich optimistisch: „Für die Kinder wird es funktionieren, und wir werden dann über die Jahre besser werden.“ Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung greift ab dem Schuljahr 2026/27 zunächst für die ersten Klassen, in den Folgejahren wird er stufenweise ausgeweitet.

Kritik von Eltern – Organisation bei den Schulen

Wichtig sei, so Hamburg, dass der Ganztag mehr biete als nur Betreuung: „Ein vernünftiges Essen“ und „vielfältige Angebote“ – etwa in Kooperation mit Sportvereinen oder Musikschulen – seien entscheidend. Die Organisation dieser Angebote solle in den Händen der Schulen liegen, Personal und Budget stelle das Land.

Doch nicht alle Beteiligten sind überzeugt. Kommunen hatten in der Vergangenheit mehrfach auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung hingewiesen, auch der Landeselternrat kritisierte, dass der Ganztag an vielen Orten gar nicht von Eltern oder Schulen gewünscht sei.

Länder fordern mehr Flexibilität – und mehr Zeit

Auch auf Bundesebene ist die Umsetzung des Rechtsanspruchs Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Um den Kommunen die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern, hat der Bundesrat im Juni beschlossen, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen.

Dieser soll den Trägerkreis für Ferienangebote erweitern – derzeit sieht das Gesetz vor, dass die Betreuung in der Ferienzeit ausschließlich von kommunalen Trägern angeboten wird. Die Länder fordern mehr Flexibilität, etwa durch Einbindung freier Träger, da der derzeitige Rahmen „erhebliche personelle, strukturelle und finanzielle Herausforderungen“ verursache. Zudem sollen die Länder zwei Jahre länger Zeit bekommen, um die Finanzhilfen des Bundes in Höhe von 3,5 Milliarden Euro abzurufen. Diese Förderung wäre ursprünglich 2027 ausgelaufen – nun soll sie bis 2029 beantragt werden können.

GEW fordert mehr Tempo – und Qualität

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte bereits zuvor angemahnt, beim Ausbau des Ganztags nicht nur auf Quantität, sondern auch auf Qualität zu achten. „Der Ganztag ist eine nationale Aufgabe. Er ist weit mehr als ein Betreuungsangebot, er soll alle Beteiligten durch Qualität überzeugen“, betonte GEW-Vorsitzende Maike Finnern.

Der Ganztag biete Chancen für individuelle Förderung, soziale Interaktion, Inklusion und demokratische Bildung – besonders in Zeiten wachsender Bildungsungleichheit. „Ein flächendeckendes, verlässliches und qualitativ hochwertiges Ganztagsangebot ist zentral für mehr Chancengleichheit und die Fachkräftesicherung in Deutschland“, so Finnern.

Zudem sei der Ganztag ein wichtiges Instrument für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gerade für Frauen. „Für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands ist der Ganztag ein unverzichtbares Element der Bildungspolitik.“

Finnerns Appell: „Alle wichtigen Akteure – von der Politik über die Wirtschaft bis hin zur Zivilgesellschaft – müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, um die Umsetzung des Rechtsanspruchs konsequent zum vereinbarten Termin am 1. August 2026 zu starten, die Ganztagsplätze massiv auszubauen und die Qualität der Angebote zu sichern.“ News4teachers / mit Material der dpa

Grundsatz-Streit um Ganztag: Welches Familienbild fördert die Politik mit dem Ausbau?

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24 Kommentare
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Katrin Löwig
3 Monate zuvor

“…ein wenig improvisieren.” Na klar, das können Schulen perfekt, tun sie doch seit Jahrzehnten.
“Für die Kinder wird es funktionieren.” Auch klar, denn für die Kinder, die dann mit leuchtenden Augen vor der Tür stehen, und die man nicht heimschicken kann, wird es wieder irgendwie möglich gemacht.
Gar nicht fragen möchte ich, was in diesem Zusammenhang “es” ist. Es wird funktionieren: wie genau und was genau?

Teacher Andi
3 Monate zuvor
Antwortet  Katrin Löwig

Die Lehrkräfte müssen funktionieren, ansonsten wird gespart und es bleibt alles beim Alten. Es geht immer noch ein bisschen mehr Belastung …….

Realist
3 Monate zuvor

Und wenn’s nicht richtig funktioniert, ist der Sündenbock auch gleich geklärt:

Haben die Deppen am der Basis nicht richtigt “improvisiert”…

Achin
3 Monate zuvor

Frau Hamburg macht als Person einen sympathischen und unprätentiösen Eindruck, in ihrer Rolle als Kultusministerin ohne Studien- oder Berufsabschluss polarisiert sie doch.

Welchen Eindruck macht es auf Lehrer*innen, die wegen einer Zehnteknote im bestandenen Staatsexamen nicht in ihrer Wunschregion arbeiten können, während ihre oberste Dienstherrin in der Landeshauptstadt verlauten lässt:

„Für die Kinder wird es funktionieren, und wir werden dann über die Jahre besser werden.“

Was ist, wenn es für die Kollegien vor Ort nicht “funktioniert”, wer oder was ist das behauptete “wir”?

Realist
3 Monate zuvor
Antwortet  Achin

Das Perverse ist ja, dass es automatisch auf Mangelverwaltung hinausläuft und sich das Land aus der Verantwortung stiehlt:

“Die Organisation dieser Angebote solle in den Händen der Schulen liegen, Personal und Budget stelle das Land.”

Ausreichend Personal? Ausreichend Budget? Zum Mittagessen alleine: Die Lebensmittelpreise sind in den letzten Jahren um über 30% gestiegen. Was kostet mittlerweile “ein vernünftiges Essen”? Sind ja nicht nur die Zutaten sondern irgendjemand muss das ja auch zubereiten, liefern, … Und was kostet demnächst Personal, wenn selbst der Mindestlohn auf 15 Euro zugeht?

Eine Mogelpackung.

Palim
3 Monate zuvor

Warum müssen denn die Schulen improvisieren?

Es ist das Land, das den Ganztag gewährleisten will,
es sind die Landkreise, die per Gesetz für die Umsetzung bestimmt wurden.

Weder die Schule noch der Schulträger hat also damit zu tun.

Die Medien pushen das Thema jetzt, vielleicht hilft das noch ein wenig, dass sich die Zuständigen beginnen zu bewegen. Das ist nämlich bisher nicht der Fall.

Es ist völlig unverständlich, wie man es für alle Erstklässler:innen gewährleisten will, wie man nur die Erstklässler:innen mittags verköstigt und nur für die Erstklässler:innen ein vielfältiges Programm stellt, das die Schule organisieren soll, die aber weder Geld noch Personal dafür erhält.

Am Ende machen die Eltern die Schulen verantwortlich, dazu wird es dann auf dem ersten Elternabend direkt klare Worte geben müssen.

Rainer Zufall
3 Monate zuvor

Noch mehr Zeit des Nichtstuens fordern, bis der Lehrkräftemangel demografisch aufgefangen wird – Genial, so geht es mit dem Land voran! 🙁

Siebenstern
3 Monate zuvor

Das ist nur toll für berufstätige Eltern. Ich kann das nachvollziehen. Es ist aber schecklich für die meisten Kinder, die von morgens bis abends nur noch in der Schule sind (außer am Wochenende).

Sepp
3 Monate zuvor
Antwortet  Siebenstern

Meines Erachtens kann Ganztag gelingen, wenn man Schule öffnet und den Ganztag nicht nur mit Lehrkräften betreibt, z.B.

Kernunterricht bis 13 Uhr, Mittagspause mit Essen und dann ein breites Angebot von Lernförderung bzw. Hausaufgabenbetreuung, Sport- und Kunstvereinen.
Die Hausaufgabenbetreuung kann in der Schule in Kleingruppen von pädagogischen Mitarbeitern begleitet werden. Danach geht es für das Handball- oder Fußball-Training eben in der Halle bzw. auf den Sportplatz der Schule. Das kann ja durchaus ein Sportvein betreuen, ggf. mit finanzieller Unterstützung.

Wichtig fände ich allerdings, die Nachmittage nicht mit Unterricht vollzustopfen, sondern wirklich schöne Angebote zu haben, die die Schüler mit ihren peers nutzen können. Damit würde sich Schule weg von einem Lern-Raum zu einem Lebens-Raum für Kinder entwickeln.

Ob man das als Elternteil wirklich gut findet, muss man aber für sich selbst entscheiden.

Mary-Ellen
3 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Pädagogische Mitarbeiter kosten auch Geld, (allerdings schlecht bezahlt).
Erforderlich auch eine Ganztagskoordinierung – ist viel Arbeit!
Kunst-oder Sportvereine nehmen vergleichsweise viel Geld.
Erfahrungswerte…

Katrin Löwig
3 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Das wird aber nicht passieren.
1. Es finden sich nicht genügend Menschen, die dauerhaft und verlässlich eingesetzt werden können und die vielen Schüler*innen (perspektivisch alle) versorgen können.
2. Das würde kosten.
3. Lehrkräfte kann man per Dienstrecht zwingen.

mathea kühnel
2 Monate zuvor
Antwortet  Katrin Löwig

Kann man nicht. Es gibt auch für Lehrer:innen eine Dienstordnung in der ziemlich genau ihre Pflichten und Aufgaben stehen. Auch Lehrer: innen müssen nicht alles machen. Selbst dann nicht , wenn sie verbeamtet sind.

J. Kö.
2 Monate zuvor
Antwortet  mathea kühnel

Deshalb hat mein Dienstherr vor Jahren schon verfügt, dass Lehrkräfte zwingend im Ganztag einzusetzten sind.

Ulla
3 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Das Personal ist doch jetzt schon knapp. Im Nachmittagsbereich arbeiten Leute ohne pädagogische Ausbildung, die außerdem ständig wechseln. Es gibt nämlich nur befristete Verträge. Die Gruppen sind viel zu groß. Keine schönen Aussichten für unsere Kinder.

Hannah
3 Monate zuvor
Antwortet  Ulla

In welchem Bundesland? Bei welchem Träger?

Hannah
3 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Ist es in anderen Bundesländern so, dass Lehrkräfte in Grundschulen den Ganztag betreuen? Bei uns in NRW ist das nicht so. Da machen das Erzieherinnen und Erzieher und Träger des Ganztags ist auch nicht die Schule sondern z.b. die Diakonie, die Jugendhilfe etc.

Katrin Löwig
3 Monate zuvor
Antwortet  Siebenstern

RICHTIG!!!

DerechteNorden
3 Monate zuvor

Was hier gar nicht vorkommt, ist die Tatsache, dass es in den Grundschulen zukünftig ein warmes Mittagessen geben muss, d.h. es muss eine Mensa o.ä. geben. Das wird nicht vom Land bezahlt.
Es gab vor einigen Monaten auf NDR Info dazu einen Beitrag über eine Grundschule in einer niedersächsischen Gemeinde, welche bereits hoch verschuldet war und für den Bau der erforderlichen Mensa für 140 Kinder über 1 Mio Euro auftreiben musste, um nicht den Status Schulstandort zu verlieren.
Leider habe ich keinen Link dazu.

Realist
3 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Und wir wissen doch alle, was “Improvisieren” dann heißt:

Gegessen wird in den Klassenräumen oder in der Aula, wo ein paar Tische hingestellt werden, geliefert wird vom billigsten Caterer, der sich auftreiben lässt. Und das “Personal” sind dann die Lehrkräfte, die das Ganze im Rahmen ihrer “eh da”-Zeiten beaufsichtigen und organisieren müssen…

DerechteNorden
3 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Nein, es da bestimmte Auflagen. Es muss eine Mensa sein.

Katrin Löwig
3 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Der Begriff ist dehnbar.

ed840
3 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Das wird nicht vom Land bezahlt? Ich dachte das wäre 2022 versprochen worden? Zeigt man sich jetzt wieder mal flexibel, weil man von der Wirklichkeit umzingelt ist?

Lilliana Held
3 Monate zuvor

Die Kommentare passen so gar nicht zur Realität. Die Ganztagsschule beginnt bei uns ab 11:40 Uhr, und hat keine einzige Lehrkraft! Wozu auch, es ist ja weder Unterricht noch pädagogische Arbeit erforderlich. Kinder und Einrichtung wird lediglich beaufsichtigt damit kein Schaden entsteht. Die Einrichtungen der Ganztagsschule sind bei uns super und der Zusammenhalt der Kinder könnte nicht besser sein.
Da sind dann endlich die Kinder zusammen, bei denen auch zu Hause klar ist, daß Leistungen gebracht werden muss, um sich etwas Leisten zu können. Und Zeit für Hobbys ist für die Ganztagskinder auch noch. Zumindest sind für 7 jährige die Angebote nach 16 Uhr wesentlich besser als für Kinder im Kindergartenalter, die von fast allem ausgeschlossen werden, weil die Angebote der Vereine schon um 15 Uhr starten.

Und von wegen der Staat stellt das Budget für die Ganztagsschule und Essen, das wird wie schon immer an die Eltern weiter berechnet. Das wäre für den Staat auch viel zu teuer, wenn da in zwei Jahren plötzlich pro Kind auf mehrere tausend Euro pro Jahr verzichtet werden müsste.

Joachim D-L
2 Monate zuvor

ich verneige mich, kein einfaches aufbewahren sondern ein pädagogisches Qualitätskonzept. Ich bin Kreis Elternbeirat in Hessen und sehe hierin den perfekten Ansatz Kommunikation zwischen Land -Stadt und Kreis Beiräten, Schulämtern und Eltern wäre wünschenswert