Rechtsextremismus an Schulen: Handeln Politik und Behörden konsequent genug?

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POTSDAM. Hakenkreuze an der Schultoilette, Hitlergrüße im Klassenzimmer, eine teilweise verängstigte Lehrerschaft: In Brandenburg wächst der Einfluss rechtsextremer Kräfte auf den Schulalltag. Der Bildungsminister spricht von „Riesen-Herausforderungen“ – doch reicht das Engagement aus? Zwei Fallbeispiele aus Spremberg und Burg werfen Zweifel auf.

Schülerinnen und Schüler aus Burg zeigen den sogenannten Hitler-Gruß. Das (hier rot eingefärbte) Foto wurde in Sozialen Medien verbreitet. Screenshot

In Spremberg, einer 22.000-Einwohner-Stadt in der Lausitz, wächst die Sorge über einen zunehmenden Einfluss rechtsextremer Gruppen. Bürgermeisterin Christine Herntier (parteilos) spricht in einem offenen Brief, veröffentlicht im Amtsblatt, erstmals öffentlich über die Entwicklung: Hakenkreuz-Schmierereien, rechtsextreme Parolen und Einschüchterung im Umfeld von Schulen. Insbesondere die Berufsorientierende Oberschule (BOS) sei betroffen – dort hätten sich laut Herntier Schüler:innen und Lehrkräfte „voller Wut und Angst“ an sie gewandt.

„Ich hoffe für Spremberg, dass wir aus der Sprachlosigkeit herausfinden“, schreibt Herntier. Sie nennt insbesondere die Aktivitäten der rechtsextremen Kleinpartei „Der III. Weg“ als problematisch. Lehrkräfte und Eltern berichten laut Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) von einem zunehmend belastenden Schulklima: rassistische Beleidigungen, wiederholte Pöbeleien, Hitlergrüße. Eine Lehrerin wurde kürzlich von einem Siebtklässler körperlich angegriffen, gibt an, dabei auch rassistisch beleidigt worden zu sein.

Minister: Schulen stehen unter großem Druck

Kein Einzelfall. Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) sieht im Kampf gegen Rechtsextremismus an Schulen weiterhin eine große Aufgabe. Auch wenn die Zahl offiziell gemeldeter Vorfälle zuletzt zurückgegangen ist, sei die Lage alles andere als entspannt: „Wir haben nach wie vor Riesen-Herausforderungen in diesem Bereich – und vor allen Dingen die Lehrerinnen und Lehrer, die direkt in der Situation stehen“, sagte Freiberg.

Tatsächlich ist die offizielle Zahl rechtsextremistischer Vorfälle laut Ministerium im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2025 auf 195 gesunken – ein Rückgang um rund ein Drittel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (minus 89 Fälle). Auch fremdenfeindliche Vorfälle gingen leicht auf 57 zurück (minus acht Prozent), antisemitische Vorfälle halbierten sich auf 13. Zusätzlich wurden drei weitere extremistische Vorfälle gemeldet – 22 weniger als im Vergleichszeitraum. Die Ursachen für diesen Rückgang sind laut Ministerium bislang unklar.

Politisch motivierte Kriminalität steigt – Polizei meldet andere Zahlen

Während das Meldesystem der Schulen einen Rückgang zeigt, weist die Polizeistatistik auf einen Trend in die andere Richtung hin: Im gesamten Jahr 2024 registrierte die Polizei 519 politisch motivierte Straftaten an Brandenburger Schulen – ein Anstieg um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr. Davon wurden 336 Straftaten dem rechten Spektrum zugeordnet, was einem Zuwachs von 30 Prozent entspricht. Straftaten aus dem linken Spektrum nahmen leicht von 6 auf 7 zu, religiös motivierte von 4 auf 6. Die übrigen Fälle wurden nicht eindeutig zugeordnet. Für das Jahr 2025 liegen laut Innenministerium noch keine aktuellen Zahlen vor.

Maßnahmen des Bildungsministeriums – und ihre Grenzen

Minister Freiberg verweist auf verschiedene Maßnahmen, die das Bildungsministerium zur Unterstützung der Schulen auf den Weg gebracht hat. Dazu zählt insbesondere das Programm „Starke Lehrer, starke Schüler“, das darauf zielt, die Handlungssicherheit von Pädagoginnen und Pädagogen im Umgang mit extremistischen Haltungen zu stärken.

Zugleich betont der Minister, dass politische Bildung nicht allein Aufgabe der Schule sei: „Schule ist ein wichtiger Akteur, aber politische Bildung und Engagement für Demokratie, Engagement für die Gesellschaft findet vor allen Dingen außerhalb von Schule statt.“ Man habe daher auch Mittel im Landesjugendplan umgeschichtet und verstärkt, um etwa Jugendverbände zu fördern. Freiberg würdigt ausdrücklich die vielen jungen Menschen, die sich dort engagieren: „Mein Wunsch wäre, dass die Arbeit der vielen, vielen engagierten jungen Menschen, gerade in den Jugendverbänden, stärker gewürdigt würde.“

Dass Schülerinnen und Schüler sehr wohl Haltung zeigen, zeigt ein Beispiel aus Spremberg: Achtklässler der BOS entfernten in Eigeninitiative rechtsextreme Sticker im Stadtgebiet – und veröffentlichten dazu ein Video, das mehr als 100.000 Aufrufe erzielte. Bürgermeisterin Herntier lobt das ausdrücklich: „Lasst uns darüber reden! Als Anfang!“

Doch ob dieser Anfang auch politisch mitgetragen wird, ist offen. Laut rbb erkennt das Bildungsministerium bislang keine rechtsextremen oder rassistischen Vorfälle an der Schule in Spremberg – und verweist auf fehlende offizielle Meldungen. Das Bündnis „Schule für mehr Demokratie“ hat sich daher direkt an das Schulamt Cottbus gewandt und fordert ein deutliches Bekenntnis zur Problemlage an der BOS – sowie Konsequenzen.

Der Fall Burg: Engagement einzelner – aber keine dauerhafte Struktur

Der Blick nach Burg, nur rund 50 Kilometer von Spremberg entfernt, zeigt, wie wichtig langfristige Unterstützung wäre. Im Frühjahr 2023 hatten zwei Lehrkräfte in einem Brandbrief auf rechtsextreme Vorfälle an der Oberschule hingewiesen und damit für bundesweite Schlagzeilen gesorgt: Gewaltandrohungen, verfassungsfeindliche Symbole, wiederholte Diskriminierung. Es folgte ein Wechsel der Schulleitung, Fortbildungen wurden angeboten, ein Demokratiekonzept gemeinsam mit externen Partnern entwickelt. Auch die Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) war zeitweise vor Ort. Das Bildungsministerium spricht von einem „langfristigen und sensiblen Prozess“, der im Umfeld der Schule weitergeführt werde.

Laut Schulamt und Kreiselternrat hat sich die Situation an der Schule in Burg verbessert. Der Amtsleiter des Schulamts Cottbus, Uwe Mader, lobt gegenüber dem rbb die Entwicklung: „Ich denke, dass sich an der Schule eine ganze Menge verändert hat.“ Es habe regelmäßige Gespräche mit der Schulaufsicht gegeben, Lehrkräfte seien intensiv betreut worden. Auch der Kreiselternrat spricht davon, dass mittlerweile viele Maßnahmen umgesetzt worden seien, um das Thema Extremismus im Unterricht zu behandeln.

„Alle reden über Demokratiebildung, so einfach ist das nicht“

Doch seit dem Sommer 2024 ist die RAA nicht mehr aktiv – die Unterstützungsphase wurde nach nur einem Jahr beendet, wie der rbb berichtet. Laut Bildungsministerium wurden die Zielvereinbarungen erreicht. Die Verantwortung liegt nun weitgehend wieder bei der Schule selbst: Das Konzept wird seither von einer einzelnen Lehrkraft weitergetragen. Unterstützung im Kollegium hat sie kaum: Nicht nur die Verfasser:innen des Brandbriefs haben die Schule verlassen, auch weitere engagierte Lehrkräfte beantragten mittlerweile ihre Versetzung.

„Alle reden über Demokratiebildung, so einfach ist das nicht“, erklärte eine Politiklehrerin, die die Schule im vergangenen Jahr verließ. Menschen, die sehr viel Kraft in ein neues Schulklima investierten, bräuchten mehr Unterstützung. „Die sehe ich in diesem System der Schule nicht“, sagte sie. „Veränderung im Ganzen“ sei dort unerwünscht. News4teachers / mit Material der dpa

Wie umgehen mit mehr Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt an Schulen?

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Karl Heinz
2 Monate zuvor

“Handeln Politik und Behörden konsequent genug?”Meine pers. Meinung:
Nein. tun sie nicht!

Die Frage die sich mir viel eher stellt, wäre:
WER soll WAS tun?

Pascal Begrich konstatiert:
Der Osten ist anders geblieben. Das ist er selbst dort, wo der Blick auf zivilgesellschaftliche Strukturen fällt. Die Erwartungen an das Entstehen einer analog zu Westdeutschland verfassten Zivilgesellschaft in Ostdeutschland haben sich nicht erfüllt.”

Gleichzeitig nimmt aber der sog. Rechtsextremismus in Gesamtdeutschland (streng genommen in Europa insgesamt) zu.
egal ob
Bremen
Niedersachsen
Hessen
oder oder oder
zzgl. Dunkelziffer der nicht gemeldeten Fälle…

Selbst wenn man einen größeren Vorfall hat und ihn meldet
was soll denn dann passieren?
Soll die Task-Force im mit Fallschirmen laden, gar die Kavallerie einreiten??

Was nutzt die schönste politische Bildung, wenn die Glaubwürdigkeit des politischen Feldes dahin ist?
Das wiederum hat Ursachen.
Und die liegen weniger in der Schule…

Riesenzwerg
2 Monate zuvor

“Handeln Politik und Behörden konsequent genug?”

Ja! Absolut.

Wegsehen, ignorieren – Augen zu, Ohren zu.

Das ist sogar konsequent mit Doppelwumms!

AvL
2 Monate zuvor

Rechtsextreme Seilschaften in der Politik lassen sich durch eine Offenlegung gefälschter Doktorarbeiten aushebeln.https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/dissertation-ein-plagiat-uni-anfangsverdacht-bei-saskia-ludwigs-doktorarbeit-liegt-vor/ar-AA1JtAK5?ocid=msedgntp&pc=U531&cvid